Bernd Leitenbergers Blog

Kann die Erde zu einem gigantischen Schneeball werden?

Bei einer Dokumentation wurde ich auf die Theorie des „Schneeballs Erde“ aufmerksam. Diese – kontrovers diskutierte – Hypothese postuliert, dass die Erde zweimal kurz nacheinander völlig vereist sein soll, einmal vor 715 bis 680 Millionen Jahren und einmal vor 660 bis 635 Millionen Jahren. Darüber hinaus soll es Indizien geben, dass es vor 2,3 bis 2,2 Milliarden Jahren eine globale Vereisung gegeben haben soll.

Der Mechanismus auf dem die Hypothese beruht ist die einer positiven Rückkopplung. Im Normalfall sind die meisten physikalischen Prozesse negativ gekoppelt, auch biologische Prozesse. Das bedeutet eine Störung eines Systems wird von diesem ausgeglichen, Die Antwort wirkt der Störgröße entgegen. Eine negative Rückkopplung ist dagegen verhängnisvoll. Die Antwort des Systems verstärkt die Störgröße, der Effekt wird immer größer. Eine heute befürchtete negative Feedback ist z.B. dass die Erwärmung der Meere zum Freisetzen von Methangas aus Clathraten führen kann, das wiederum den Treibhauseffekt verstärkt und so die Erwärmung des Meerwasser noch stärker wird. Bei der Venus soll eine negative Rückkopplung für die heutige Atmosphäre verantwortlich sein.

Schneeball Erde beruht auf einem anderen Effekt: dem unterschiedlichen Reflexionsgrad von Schnee und Meer. Meere haben eine geringere Albedo als Land. Sie reflektieren nur 6% des einfallenden Lichts. Dagegen hat frischer Schnee die höchste Albedo die wir kennen – 90% des Lichtes wird zurückgestrahlt. Eis, reflektiert immerhin noch 40% der Strahlung. Die Albedo der ganzen Erde liegt heute bei 30,6%.

Nun resultiert, wenn man einen atmosphärenlosen Körper betrachtet für jeden Körper eine Gleichgewichtstemperatur, bei der sich Strahlungszufuhr von der Sonne und Abstrahlung des Körpers die Waage halten. für die Erde in ihrer heutigen Form liegt diese Temperatur bei 255 K, also -18°C. Real liegt sie aber bei 288 K, also +15°C. Die Differenz ist der Atmosphäre und ihrem Treibhauseffekt zuzuschreiben.

Der große Albedounterschied ist verantwortlich für die Eis-Albedo Rückkopplung. Sie erklärt unter anderem, warum es in den Polgebieten auch im Sommer kalt ist und das Eis nicht vollständig schmilzt, aber auch die Entstehung der Eiszeiten. Die niedrige Albedo von Eis bedeutet, dass auch im Sommer nicht schmilzt. Es reflektiert, obwohl es an den Polen 24 Stunden lang Tag ist und viel Strahlung einfällt den Großteil der Strahlung. Weiterhin benötigt man viel Energie um Eis zu schmelzen, d.h. entsteht es erst einmal so ist es sehr beständig. So können sich in Eiszeiten die Eiskappen von den Polen ausdehnen und sie decken dabei Meer aber auch Land ab. Damit sinkt aber zumindest regional die Albedo ab, das Sonnenlicht wird vornehmlich reflektiert, die Lufttemperaturen sinken (nicht nur wegen des Eises sondern auch wegen der Reflexion). Das ist ein negatives Feedback: dadurch das durch niedrige Temperaturen es mehr Eis gibt, sinken die Temperaturen weiter, weil das Eis Strahlung reflektiert und die Luft darüber abkühlt. Es kann zu einer Eiszeit kommen. Die letzte Eiszeit, von der wir in altem Eisbohrkernen sogar die Zusammensetzung der Luft kennen führte dazu dass sich die Eismassen teilweise bis zum 40 Breitengrad vorschoben.

Jedoch gibt es auch eine Limitation. Am Äquator sollten die Temperaturen jahreszeitlich gleich sein. Es fällt schwer zu glauben, dass dort wo es heute am heißesten ist, jemals die Temperatur so weit abgesunken ist, dass die ganze Erde vereist ist. Auf der anderen Seite lehren uns die Eiszeiten, dass Eismassen sich sehr weit ausdehnen können. Nimmt man nur an das sich die Albedo der Erde auf den von altem Eis verändert (40%), so sinkt die globale Durchschnittstemperatur nur aufgrund der Rückreflexion von Strahlung  um 10 K (Wenn die ganze Erde mit Eis bedeckt wäre), was bedeutet, dass alle Gebiete die heute eine jahreszeitliche Durchschnittstemperatur von 10° aufweisen dann mit Eis bedeckt wären. Deutschland hat z.B. eine Jahresmitteltemperatur von 9 bis 12°C, wäre also vollständig mit Eis bedeckt. Daiber hinaus gibt es ja noch Niederschlag in Form von Schnee, dessen Albedo noch höher ist. Er lässt die Temperatur noch weiter sinken. Würde die gesamte Erde von frischem Schnee bedeckt sein, so wäre die Gleichgewichtstemperatur ohne Atmosphäre nur bei 157 K – das ist dann schon ziemlich kalt. Allerdings ist das hypothetisch und das leitet zu den Gegenargumenten über.

Wenn die Temperatur sinkt, verdampft auch weniger Wasser. Damit gibt es weniger Neuschnee und der der alte Schnee und Eis haben eine höhere Albedo. Mehr noch. Besser als Schnee reflektieren Wolken die Strahlung. Sie sind heute dafür verantwortlich, dass die Albedo trotz der dunklen Meere 0,306 beträgt. Fallen die Wolken weg und das dürfte der Fall sein, wenn die ganze Erde vereist sind, so fällt kein Schnee mehr und ein kompletter Eisball hätte nur eine Albedo von 40% – zu wenig als dass die ganze Erde vereisen könnte.

Auf der anderen Seite ist Wasserdampf das wichtigste Treibhausgas in der Atmosphäre. Beim heutigen Treibhauseffekt ist es zu 62% an diesem beteiligt. Kohlendioxid mit 22%, bodennahes Ozon mit 7% und der Rest aller Gase mit 9%. Der Treibhauseffekt beträgt 33 K. Ursache des „Schnellballs Erde“ soll eine Verringerung des Kohlendioxids sein. Doch selbst wenn heute das gesamte Kohlendioxid wegfallen würde, würde dann der Treibhauseffekt nur um 22% fallen, das wären 7 Grad. Das ist trotzdem viel. Bei der letzten Eiszeit war vor 21.000 Jahren, das wissen wir durch Eisbohrkerne, die tatsächlich noch Eis aus dieser Zeit enthalten (gewonnen in Grönland und der Antarktis) die Temperatur um 5-6 K niedriger als heute. Das Kohlendioxid hatte nur 70% der Konzentration des vorindustriellen Wertes, Methan nur 50%. Diese unproportionale Veränderung zeigt aber schon das Problem, das auch heute der Klimamodellierung zu schaffen macht: Das Klima verhält sich nicht linear und alle Einflüsse sind miteinander verwoben. Denn ein Fallstrick liegt schon im ersten Satz: Da Wasserdampf zu 62% am Treibhauseffekt beteiligt ist beeinflussen Veränderungen des Wasserdampfgehaltes den Treibhauseffekt stark. Und hier gibt es eine erneute negative Rückkopplung. Wasserdampf entsteht durch verdampfendes Wasser, vor allem über dem warmen Meer. Über Eis verdampft kaum Wasser, weil es eine sehr hohe Verdampfungsenthalphie hat. Kalte Luft kann auch nur wenig Wasserdampf aufnehmen, ohne das er auskondensiert. Die Menge ist hier nicht linear. Sinkt die Temperatur beispielsweise von 16 auf 12 Grad, so kann ein Kubikmeter Luft anstatt 13,6 nur 10,6 Gramm Wasserdampf aufnehmen. Eine Reduktion der Temperatur um 4 Grad entspricht hier einer Reduktion der Wasserdampfmenge um 30%. Damit sinkt auch der Treibhauseffekt.

Es gibt auch geologische Befunde, das die Erde nicht vollständig vereist war. So fand man Wellenrippel von Meeresströmungen die zum Erliegen kämen wenn die ganze Erde mit Eis bedeckt ist. Mehr noch – ohne Energiezufuhr von außen, weil das Eis nicht nur reflektiert, sondern auch isoliert müssten dann ja die Meere auch noch zufrieren, Wenn die Gleichgewichtstemperatur der Erde unter 0°C liegt kann es keine Meere mehr geben.

Der überzeugendste Gegenbeweis ist aber die Paläontologie. Eine Vereisung vor 2,2 bis 2,3 Milliarden Jahren hätte das Leben noch überstanden. Damals gab es nur niedere Lebewesen die allesamt einzellig waren. Kurz nach dem Ende der Eiszeit (sie wird von manchen dafür verantwortlich gemacht) erschienen die ersten gegliederten Tiere und Pflanze, die fossil überliefert sind. Man geht aber davon aus, das es vorher schon Mehrzeller gab, die eben nur nicht überliefert sind, weil sie keinerlei Schalen und Skelette hat wie Algenteppiche oder Würmer. Sie hätten in keinem Fall eine globale Eiszeit überstanden. Das Eis blockiert einen Großteil des Lichts. Dadurch fehlt die Grundlage für alle Pflanzen die wiederum die Grundlage für alles tierisches Leben sind.

Beendet soll die globale Vereisung durch Vulkan geworden sein, die mehr Kohlendioxid ausstießen. Auch das ist ein Punkt der schwer nachprüfbar ist. Wir wissen das die Aktivität von Vulkanen großen Schwankungen unterworfen ist. Starke vulkanische Aktivität löste das bisher größte Massenaussterben am Ende des Perms aus. Tendenziell erwarten wir in früheren Zeiten eine höhere Aktivität da alle geologische Aktivität von der Temperatur im Erdinneren gesteuert wird und die nimmt durch den radioaktiven Zerfall der drei radiogenen Elemente Thorium, Uran und Kalium laufend ab. Eine zweite Rolle spielt die Sonne. Die Sonne emittiert laufend mehr Strahlung. Als sie ins Hauptreihenstadium eintrat, vor 4,5 Milliarden Jahren hatte sie nur 75% der heutigen Strahlungsabgabe. Ist dies linear, so müsste sie vor 715 Millionen Jahren 4% weniger Strahlung abgeben. Nach dem Modell eines schwarzen Strahlers (also ohne Berücksichtigung eines Treibhauseffektes) würde alleine dies eine Temperatursenkung von 3 K entsprechen – entsprechend leichter wäre natürlich eine größere Vereisung möglich.

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