Bernd Leitenbergers Blog

Was die Entscheidung für zwei Anbieter bei CCDev nicht ist …

.. ist eine Absicherung für den Fall das eines der beiden Systeme „gegrounded“ ist. Schon der Gedanke ist verrückt. Nun ist Redundanz ja was schönes. Aber auch sonst haben wir in der Raumfahrt nur wenig Redundanz. Es wurden zwar früher Sonden in Paaren oder sogar kleinen Serien gestartet, was aber kein Schutz vor systematischen Fehlern bedeutet. Ich verweise hier nur mal an Mars 4-7 und das Ranger Programm. Echte Redundanz würde bedeuten, dass man zwei unterschiedliche Sonden startet. Ich habe mal nachgedacht, wo es in der Raumfahrt Redundanz in diesem Sinne gibt und es gibt tatsächlich welche:

Was würde passieren, wenn eines der beiden neuen Versorgungssysteme für die ISS tatsächlich für eine längere Zeit ausfallen würde? Nun es gäbe in jedem Falle noch die Sojus Kapsel. Diese ist seit fast 60 Jahren im Einsatz und erprobt. Russland setzt sie seit Jahrzehnten ein, ohne ein zweites redundantes System einzusetzen. Selbst wenn wir unterstellen, dass die Kapsel nicht von der ISS abkoppeln könnte, so könnte die Besatzung immer noch in einer Sojus zur Erde zurückkehren. De facto gibt es in der ISS aber auch sonst keine Redundanz. Weder bei dem Lebenserhaltungssystem noch bei den Modulen. Warum also legt man so viel Wert auf zwei unterschiedliche Systeme?

Vor allem verwundert dies, da beide Systeme einfache Kapseln sind. Die Technologie einer Kapsel ist nun nicht gerade neu. Die Mercury und Wostok Raumschiffe flogen schon Anfang der sechziger Jahre. Bedenkt man in welchem Maße sich die Raumfahrt seitdem weiterentwickelt hat so erscheint dies anachronistisch. Was muss ein Raumschiff leisten, das nur zu ISS fliegt?

Zum einen genügt eine einfache Kapsel die als sich selbst stabilisierender Auftrittskörper ausgelegt sein sollte. Das ist sowohl gegeben für die kegelförmigen Kapseln von Boeing und SpaceX . Eine solche Kapsel wird alleine durch die aerodynamischen Kräfte so ausgerichtet, dass der Hitzeschutzschild in die Flugrichtung zeigt. Hitzeschutzschilde sind nun auch nicht gerade neues. Ablative Schilde gibt es schon seit den fünfziger Jahren. Eine druckdichte Kapsel zu bauen, ist nicht schwieriger als ein druckdichten U-Boot-Körper zu bauen. Für die wenigen Stunden, die eine Kapsel braucht, um zur ISS zu gelangen, reicht zur Aufbereitung der Luft ein Kohlendioxydfilter. Druckgas hält den Innendruck aufrecht. Raumanzüge würden die Besatzung schützen, wenn es ein Leck oder ein nicht geschlossenes Ventil gibt. Dass ein Raumschiff nicht unbedingt die neueste Technik sein muss, beweist auch die Sojus, die fast 40 Jahre lang mit dem Argon-16 Computer flog, und heute noch im wesentlichen auf der Konstruktion die in den sechziger Jahren entwickelt wurde basiert.

Wenn die NASA heute nicht mehr fähig ist (bzw. die US Industrie) Raumgefährte in der Technologie von vor 50 Jahren herzustellen, dann sollte sie die bemannte Raumfahrt komplett aufgeben. Eine Nation die in der Technologie so weit hinter dem Rest der Welt hinterherhinkt, dass sie nicht einmal eine einfache Kapsel konstruieren kann, benötigt nicht zwei Systeme, sondern sollte komplett die Raumfahrt lassen, da sie offensichtlich nicht einmal zu den einfachsten Gerätschaften fähig ist.

Warum gibt es denn dann trotzdem zwei Systeme? Nun es gibt zwei Systeme genauso, wie es zwei Systeme für die Versorgung gibt. Es geht nicht um den Zugang zu ISS, es geht um die Subvention von Raumfahrtfirmen. Alle größeren US-Raumfahrtkonzerne haben in den letzten Jahren fusioniert. Übrig geblieben sind nur zwei: Boeing und Lockheed Martin. Zwei größere Raumfahrtkonzerne erscheinender NASA offensichtlich zu wenig. Daher fördert sie neue Konzerne, Orbital und SpaceX. Die Entscheidung ist dahingehend zu sehen, dass ein Raumfahrtkonzern gefördert wird, und ein bewährter zweiter Konzern ebenfalls ein Auftrag erhält. Damit kann man Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die behaupten würden, man würde die Versorgung der ISS von SpaceX abhängig machen. Daher hat man auch Boeings Angebot angenommen, obwohl es um 900 Millionen $ teurer war als das von SNC. Hätte man das Angebot von SNC auch angenommen, dann würde die Versorgung der ISS von zwei Neulingen auf diesem Gebiet abhängen. Mit Sicherheit gebe es Kritik an dieser Entscheidung. Hätte die NASA auf der anderen Seite nur eines der beiden neuen Unternehmen beauftragt, so wäre die Kritik noch heftiger gewesen, da man dann nur noch von einem unerfahrenen Anbieter abhängig ist. Hätte man nur Boeing den Auftrag gegeben, so wären bestimmt Stimmen laut geworden, die einen Rückfall in die Förderung eines teuren wenn auch bewährten Herstellers monieren würden.

In der Summe wird es sehr teuer: so wird jeder Sitz 70,7 Million $ kosten. Es wird, wenn man die Aufenthaltsdauer der Besatzung bei 180 Tagen lässt, nur zwei Flüge pro Anbieter pro Jahr geben. Noch verrückter: die NASA entwickelt ja selbst die Orion-Raumkapsel, diese darf aber nicht an die ISS andocken, bzw. ist so ausgelegt, dass sie dies technisch nicht kann. So ist das CCDev-Programm nichts weiter als ein Subventionsprogramm in der Raumfahrt.

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