Bernd Leitenbergers Blog

Ernüchterung bei der bemannten Marsexpedition

Ab 1967 starteten die USA ihre zweite Serie von Explorern zur Erforschung des interplanetaren Raums. Diese bewegten sich auf weitgeschwungenen Ellipsen weit hinaus ins All, weiter als das Magnetfeld der Erde reichte. Nachdem IMP-F schon vor der ersten Mondlandung verglühte, wollte die NASA mit IMP G-J die Apollomissionen absichern. Die Satelliten sollten mit ihren Sensoren ermitteln, wenn ein Partikelsturm die Erde erreicht. Man konnte damals keine Vorhersage treffen, wie dies heute bei Sonnenstürmen der Fall ist, aber man hätte je nachdem wo die Mission gerade ist, entweder das CSM so gedreht, dass das Serviceteil zur Sonne zeigt und so die Masse an Treibstoff, Sauerstoff und Wasser schützt, oder wenn die Besatzung auf dem Mond gewesen wäre, hätte sie je nach Schwere und momentaner Arbeit sofort zur Mondfähre zurückkehren oder sogar zurück in den Orbit starten müssen.

Keine Mondmission war wirklich gefährdet, doch Apollo 16 entging nur wenige Tage einem starken Sonnensturm. Die IMP blieben länger in Betrieb, sie wurden ab 1977 durch ISEE 1-3 ergänzt und ähnliche Messungen, nicht nur in Erdnähe machten auch Pionier 6 bis 9. 1990 hatte die NASA damit die Daten über die Sonnenaktivität über mehr als einen elfjährigen Zyklus beisammen und ging daran diese auszuwerten, vor allem was die Strahlenbelastung jenseits des Erdmagnetfeldes angeht. Das Ergebnis muss ihr nicht gefallen haben. Mediziner errechneten, das mit der üblichen Abschirmung von Raumfahrzeugen wie den Apollokapseln oder damals gerade im Bau befindlichen Space Shuttles, bei einer dreijährigen Marsexpedition die Besatzung mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% innerhalb von 5 Jahren nach Missionsende an der Strahlenbelastung bzw. induziertem Krebs und Erbschäden sterben würde, über 10 Jahre wären es sogar 90%. Startet die Besatzung während der drei Jahre der höchsten Belastung so wird sie mit 30% Wahrscheinlichkeit nicht mal die Mission absolvieren können.

Natürlich kann man sich gegen Strahlen schützen, am besten durch Stoffe mit einem hohen Wasserstoffenteil, idealerweise Wasser oder Kunststoffe. Das ideale Medium ist Wasser. Doch selbst davon muss der Schild beim Mars 3 Fuß und in Erdnähe 8 Fuß (rund 2,40 m) dick sein. Das wiegt dann so viel, das es die Missionen extrem verteuert. Als die Daten vorlagen, entschloss sich die NASA sie nicht zu veröffentlichen. Reagan war Präsident geworden und begann schon kurz nach dem Amtsantritt das gesamte Forschungsprogramm zusammenzustreichen, zahlreiche Planetenmissionen wurden gestrichen, sogar Galileo die damals gerade zusammengebaut wurde sollte eingestellt werden. In diesem Klima die Daten zu veröffentlichen, so dachte man wohl würde das Projekt eines Geologieorbiters gefährden (er wurde als Mars Observer trotzdem erst Jahre später genehmigt und fiel vor Erreichen des Orbits aus). Später kamen sie unter Verschluss, weil die NASA befürchtete ihr Marsprogramm, das seit 1996 Starts alle zwei Jahre umfasst würde eingestellt werden, wenn man der Öffentlichkeit sagen müsste, dass man wohl niemals mit vertretbaren finanziellen Mitteln zum Mars gelangen können. Sie hat ja schon bei der Venus gesehen wie das öffentliche Interesse und so auch die politische Unterstützung für neue Missionen abgenommen hat nachdem klar, war das man auf der Venus nie würde bemannt landen können.

So verwundert es nicht, das 1989 als Bush die NASA nach einem Plan für eine Marsexpedition fragte, diese die Kosten auf 400 Milliarden Dollar schätzte, also rund 700 Milliarden im Wert von heute. Um die Besatzung zu schützen, sollte die Expedition wieder am Schluss in einen Erdorbit einbremsen. Der dafür nötige Treibstoff war der Schutz auf der Heimreise, sonst wäre er nach Verlassen des Marsorbits verbraucht. Auf der Marsoberfläche sollte die ebenfalls der Treibstoff und die Wasservorräte schützen. Er würde in drei Tanks in der Mitte auf dem Habitat untergebracht werden. Dorthin sollte die Besatzung flüchten – eng wäre es geworden, denn der Raum war nur 5 x 5 Fuß (1,5 x 1,5 m groß).Meistens dauern Sonnenstürme aber nur wenige Stunden. Inzwischen war es auch möglich vorzuwarnen. Je nach Position des Beobachtungssatelliten und der Mission sogar zwei Tage im Voraus. Aber Bush waren die Kosten aufgrund der viermal höheren Startmasse als bei einer Landung ohne in den Erdorbit einzubremsen, zu hoch und die NASA muss sich seitdem den Vorwurf anhören sie wäre nicht wagemutig genug, vor allem von Robert Zubrin und seinen Anhängern.

Die NASA unterrichtete nicht einmal die anderen Raumfahrtagenturen. Die Computer von Phobos 1+2 wurden durch Strahlenstürme so geschädigt, dass sie Programme falsch ausführten und die Sonden von der Erde wegdrehten (wahrscheinlich waren die Kommandos durch umgekippte Bits verändert), Japan verlor ihre Raumsonde Nozomi durch Sonnenstürme und Ausfälle des Computersystems von Hayabusa führten fast auch zum Scheitern dieser Mission.

So verwundert es nicht, dass auch der Strahlenmesser MARIE an Bord von Odyssey 2001 nach weniger als 2 Jahren ausfiel – er sollte die Strahlenbelastung messen, war aber viel zu empfindlich. Man hat dazugelernt und Curiosity hat einen robusteren Apparat an Bord. Ihm ist es auch zu verdanken, dass man nun die Wahrheit erfuhr, denn während die Wissenschaftler auf den Pressekonferenzen immer um den Faktor 10 zu niedrige Werte veröffentlichten, gelangten die Originaldaten ins PDS, dem NASA Server für wissenschaftliche Rohdaten. Dort hat sie nun jemand ausgewertet und ist auf die Diskrepanz gestoßen. Auf diese angesprochen musste man aufklären.

Vieles andere macht nun auch Sinn, so die NASA-Planungen für Marsexpeditionen in den frühen Siebziger Jahren die alle auf sehr kurze Missionsdauern ausgelegt waren, mit nur wenigen Tagen bis Wochen Aufenthalt beim Mars – man wollte das Strahlenrisiko so minimieren, auch wenn diese mit ihrem hohen Geschwindigkeitsbedarf in kurzer Zeit praktisch nur mit nuklearen Triebwerken möglich waren.

Noch fehlt eine Stellungname von Befürwortern von kurzen Marsmissionen oder gar der Marskolonisation wie Zubrin oder Musk. Wenn man mich fragt leben die aber sowieso in einer Parallelwelt in der Menschenleben nicht viel zählen (Marsmissionen ohne Rückkehr – Zubrin) oder jenseits allen finanziellen Möglichkeiten (Marskolonisation mit 10.000 Personen – Musk), da ist das nur ein kleines Hindernis im Gedankengebäude.

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