Bernd Leitenbergers Blog

Die Miniraumsonde zum Kuipergürtel

In knapp einem Monat am 14.7. fliegt New Horizons am Pluto vorbei. Einen Monat davor ist sie noch 40 Millionen km vom Pluto entfernt und er nur einige Pixel groß. Dabei ist die Raumsonde seit über 9 Jahren unterwegs. Das zeigt deutlich das Dilemma von Vorbeiflugsonden, nachdem die großen Ziele alle schon mal passiert wurden: Die noch nicht besuchten Ziele sind klein und sie sind weit weg. Das bedeutet: lange Reisezeiten, schneller Vorbeiflug nur wenig Zeit wo das Ziel so groß ist dass man auch einen  wirklichen Erkenntnisgewinn hat. Die letzten Vorbeiflüge waren daher auch nicht zum Erkunden vorgesehen sondern zum Sammeln von Proben (Stardust) oder zum Absetzen eines Impaktors (Deep Impact). Ich vermute wenn New Horizons ein paar Jahre später nachdem Pluto der Planetenstatus entzogen wurde zur Genehmigung angestanden wäre – die Wahl wäre anders ausgefallen. So war es aber die Sonde zum letzten noch nicht erforschten Planeten, dem einzigen den ein Amerikaner entdeckt hat. Schon für New Horizons II die den Uranus passieren sollte und billiger als New Horizons gewesen wäre und bei Uranus anstatt Tage über Monate hätte beobachten können reichte es nicht mehr. Der Vorbeiflug an einem Kuipergürtelobjekt ist in etwa vergleichbar eine, Vorbeiflug von Voyager an einem der kleineren Eismonde von Saturn – Die Passage ist in einer, maximal einigen Stunden vorbei. In der Zeit gilt es die meisten Daten zu sammeln.

Trotzdem will ich mich des Themas annehmen und mal skizzieren wie Raumsonden zu Objekten des Kuiper Gürtels aussehen können. Die Problematik ist recht einfach:

Daraus ergeben sich folgende Herausforderungen:

Wer sich mit Raumfahrt auskennt sieht einige Paradoxa. z.B. könnte man eine kleine Raumsonde auf die hohe Geschwindigkeit beschleunigen, doch die kann kein leistungsfähiges Sendesystem transportieren. Schon New Horizons ist hier Voyager unterlegen. Sie überträgt nur ein achtel der Daten einer Voyagersonde. Eine Riesenraumsonde bekommt man aber nicht finanziert und auch ich denke für ein Kuiperobjekt ist sie nicht angebracht. Doch es gab mal die Idee Raumsonden zu miniaturisieren, das war Bestandteil des New Millennium Programms, das inzwischen weitgehend eingeschlafen ist und eine Raumsonde wurde niemals im rahmen dieses Programmes gestartet dafür einige Technologiesatelliten.

Eine kleine Raumsonde – so die Überlegung – sollte billiger sein. Doch wie klein kann sie sein. Gehen wir von den Instrumenten aus. Gewicht kann man sparen indem man Instrumente weglässt. Ein Kuiper Objekt wird keine Atmosphäre haben, es wird kein Magnetfeld haben. Das erspart Infrarotspektrometer für den langweiligen Bereich und Teilchen und Magnetfeldsensoren. Die letzteren wären aber wünschenswert, denn die Sonden gelangen nach der Passage ins interplanetare Medium. Immerhin ein einfaches Magnetometer und ein Farady Cup wiegen nicht viel und können mitfliegen. Bleiben die visuelle Instrumente. Hier bietet es sich an Gewicht zu sparen. Dies geht am besten mit Kombiinstrumenten, die sich eine gemeinsame Optik teilen. Ein solches Beispiel ist Deep Space 1: Das Kombiinstrument MICA wog nur 12 kg und hatte eine Kamera und zwei Spektrometer an Bord. Würde man das dortige kleine 10 cm Teleskop durch ein 30 cm Teleskop zu ersetzen. (Ein Carbonfasertubus in RC-Technik wiegt etwa 18 kg) so ist man bei 30 kg. Noch 6 kg für das Teilchenexperiment Pepe (ebenfalls ein Kombiinstrument von DS-1) und einen Magnetbandsensor so ist man bei 36 kg. Bei den bisherigen Vorbeiflug-Raumsonden ins äußere Sonnensystem war es so dass man vom Experimentengewicht recht gut auf das Sondengewicht schließen konnte – etwa ein Achtel der Masse waren die Experimente. Damit würde die Sonde 368 kg wiegen.

Damit liegt auch die Masse der Stromversorgung fes,t die dann rund 50 kg wiegt. Das wäre bei einem GPHS eine Leistung von rund 254 Watt beim Start. Ich würde aber auf SRG setzen. Ein SRG liefert 109 W nach 14 Jahren und wiegt 26,7 kg. Zwei Stück würde man mitführen oder etwas kleinere Versionen einsetzen. Als zweiter Vorteil brauchen sie nur ein Viertel des Plutoniums und sparen so Geld. Man würde an den SRG ein System anschließen um die Abwärme zu nutzen um die Sonde zu wärmen und so Heizelemente einzusparen.

Ein Problem ist aber die Kommunikation. Sie müsste noch kleiner als die von New Horizons sein. das bedeutet niedrige Datenraten. Dabei wird New Horizons schon die meisten Daten zwischenspeichern und hochkomprimiert über Monate nach dem Vorbeiflug übertragen. Da die Mission billig sein soll wird man nicht über Monate hinweg die teuren 70 m Antennen nutzen. Die Lösung ist die schon lange vorgeschlagene Laserkommunikation zu nutzen. Beim MLCD (Mars Laser Communication Experiment) sollte ein 5 W Laser mit einem 30,6 cm Teleskop noch 30 MBit auf 0,7 AE übertragen. Aus 50 AE wären das noch 5800 Bit/s. Wenig, aber deutlich mehr als New Horizons überträgt bei geringerem Stromverbrauch und leichterer Sendeanlage. Allerdings geht es nicht ganz ohne Antenne denn es gibt ja noch den Uplink. (Der war auch mit Laser geplant, doch schon in Marsdistanz sind das dann nur noch 75 Bit/s – das ist zu wenig für weite Distanzen) Empfänger war beim MCLD das ausgemusterte Hale Teleskop mit 5 m Durchmesser vorgesehen. Doch es gibt bessere Alternativen. Will man etwas neues bauen so gibt es zwei Möglichkeiten: ein reines monolithisches Empfangsteleskop – anders als ein astronomisches Teleskop reicht dafür ein einfacher Spiegel ohne aufwendige Nachführung. Es wurde gerechnet dass ein solches Teleskop nur ein drittel eines astronomischen Teleskops kostet. So würde ein 10,4 m Teleskop nur 40 Millionen Euro kosten in etwa das gleiche wie eine 35 m Antenne des ESA DSN. Es würde Daten mit 24 kbit/s empfangen. Das zweite ist es viele kleine Teleskope zu bündeln. LADEE nutzt 4 Teleskope mit je 40 cm Durchmesser, Beim Mars Laser Projekt dachte man an bis zu 20 Teleskope von 0,8 m Durchmesser. Ein Teleskop dieser Größe kostet rund 100.000 Euro, zu den 2 Millionen für 20 Stück kämen dann noch Nachführung und ein Gebäude, in jedem falle ist man aber bei einer Summe weitaus kleiner als bei einem Groß Teleskop.

Sinnvoll wäre daher der Bau einer neuen Empfangsanlage. Man könnte sie ja auch für andere Raumsonden nutzen. Die Laserkommunikation vom Mars aus ist nun ja wieder auf die Agenda gekommen.

Für die Lageregelung kann man Kaltgas vorhersehen – es gibt nur eine Passage wo die Sonde ihre Instrumente schwenken muss, ansonsten reicht die konstante Ausrichtung des Laserterminals auf die Erde. Die bewegt sich von der Raumsonde aus kaum noch am Himmel wenn sie erst mal weit weg ist.

Kommen wir noch zum Start. Wennes billig sein soll bleibt nur die Falcon 9. Doch die erreicht nicht die nötige Geschwindigkeit. Doch man kann ja mal aufrüsten. Hier einige Optionen (Sondengewicht: 360 kg)

Rakete Geschwindigkeit
Falcon 9 + Centaur V SEC 16.900 m/s
Falcon 9 + Centaur V SEC + Star 37 18.500 m/s
Falcon 9 + Centaur V SEC + Star 37 + Star 20 18.750 m/s

Alle drei Geschwindigkeiten liegen über der hyperbolischen Fluchtgeschwindigkeit aus dem Sonnensystem (16,67 km/s) führen also auf eine Fluchtbahn. Je schneller desto besser. Man unterschätzt leicht die abbremsende Wirkung der Sonne. Von den 16,9 km/s bleiben im unendlichen noch 3,5 km/s übrig, in 7,5 Milliarden km Entfernung hat die Sonde noch eine Geschwindigkeit von 9,4 km/s. Bei 18,75 km/s sind es 8,8 km/s bzw. 14,6 km/s. Man erreicht ein entferntes Ziel also deutlich früher.,

Allerdings plädiere ich bei allen Missionen ins äußere Sonnensystem Jupiter als Sprungbrett zu nutzen. Zum einen beschleunigt er die Sonde um einige Kilometer/s. Zum anderen ist er so groß dass er über Monate beobachtbar ist und die Sonde liefert so viel mehr zusätzliche Daten. Zuletzt kann man einen der Monde für eine Generalprobe nutzen. Jupiter erlaubt über etwa 3 Jahre seiner synodischen Periode mit der Erde von 13 Jahre eine Beschleunigung zu einem Ziel im äußeren Sonnensystem. Denken wir daran, dass es nicht ein Kuiperobjekt gibt sondern viele so  müsste man eigentlich jedes Startfenster zu Jupiter (alle 15 Monate) nutzen können, nur eben alle 2-3 Startfenster zu einem anderen Objekt. Als letzte Möglichkeit gibt es noch bei einer sehr nahen Passage noch die Zusatzbeschleunigung durch das Zünden eines Raketenantriebs bei Jupiter. Würde man die letzte Altair Oberstufe an der Sonde bei dem Juptermond Adastrea, knapp außerhalb des Jupiterings zünden so würde die Sonde nicht um 1,45 sondern 11,5 km/s schneller werden – man addiert die Geschwindigkeit zu rund 45 km/s an dieser Position und nach e=1/2mv² bleibt da wenn man die wieder abzieht einiges mehr übrig.

Damit kann man die Reisezeit drastisch verkürzen und in auch entferntere Objekte in einer Zeitspanne erreichen die wir von New Horizons oder Rosetta gewohnt sind. Während der Reise wird die Sonde weitgehend inaktiv sein, auch um Kosten zu sparen. Am Ziel selbst wird es lange Zeit langweilig sein. Warum – einfach mal auf die Webseite von New Horizons schauen wie groß Pluto einen Monat auf den Bildern ist. Das Blickfeld der leistungsfähigsten Kamera, LORRI wird er 460.000 km vor dem Vorbeiflug füllen, das ist etwas mehr als als ein halber Tag vor der Passage. In dieser kurzen Zeit werden die meisten Daten gewonnen und gespeichert. Die Speicherung ist heute kein Problem, eher die Datenübertragung. Flächen CCD liefern 40 MByte/s Zeilen-CCD noch höhere Datenraten. Um die 40 MByte/s mit den bestenfalls 24 kbit/s zu übertragen braucht man 13.300 s, das bedeutet die Daten die ein Instrument bei dauerndem Betrieb während 10 Stunden gewinnen kann brauchen 15 Jahre des dauernden Übertragens. Man muss also die Datenmenge begrenzen und komprimieren (die Bilder vorher sind weitgehend unkritisch, weil sie meistens nur schwarzen Hintergrund zeigen).

Was die Sonden aber so interessant macht ist, das sie danach noch mit hoher Geschwindigkeit, höher als jede bisherige Sonde das Sonnensystem verlassen. Dann wird das Teilcheninstrument und Magnetometer interessant. Mit moderner Technologie kann die Sonde weitgehend autonom arbeiten und ihre Daten zwischenspeichern und erst bei Bedarf senden. Dank SSD brauchte sie dazu keine Bandrekorder die verschleißen können und einen Impuls bei der Arbeit auslösen. So kann sie lange Zeit arbeiten und die Voyager Sonden ergänzen die gerade die Heliosphäre verlassen.

Ich denke eine Sonde wäre angesichts weniger RTG und billiger Trägerrakete deutlich unter den Kosten von New Horizons (723 Millionen Dollar – man spart mindestens 120 Millionen bei der Rakete und 50 Millionen beim Plutonium) angehbar, idealerweise baut man nicht eine sondern mehrere die man alle 2-3 Jahre startet. Aber dazu kommen wird es sicher nicht. Dafür sind Kuiper Gürtel Objekte wohl zu unwichtig und mit Pluto hat man ja schon eines untersucht.

Zuletzt aber noch eine gute Nachricht: Philae ist erwacht und meldet sich wieder! Man hat ja erwartet das er ab April genügend Strom für seinen Betrieb durch die nähere Position an der Sonne hat und er sich wieder meldet. Es hat etwas länger gedauert, aber Churymasov durchläuft sein Perihel erst am 13. August. Wenn er symmetrisch um dieses Perihel betrieben werden kann (hängt von der Sonnenintensivtät ab), dann wird er noch vier Monate arbeiten. Nicht ewig aber ungleich länger als die wenigen Tage die man bisher hatte. Auch Rosettas Mission soll verlängert werden. Nominell wird sie im Dezember enden, doch die Solarzellen sollen einen betrieb bis September 2016 erlauben, dann wäre Churymasov Geramisenko wieder in der gleichen Entfernung als Rosetta bei ihm ankam.

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