Bernd Leitenbergers Blog

Gedanken zu CRS-2

Heute will ich mich mal mit dem CRS-2 Kontrakt befassen. Eigentlich wäre dazu nicht so viel zu sagen. 2008 bekamen SpaceX und Orbital nach den COTS-Förderungen einen Vertrag für jeweils 20 t Fracht. Orbital führt dazu acht Flüge mit der Cygnus durch, SpaceX zwölf mit der Dragon. Die Volumina betragen bei Vertragsvergabe 3,5 Milliarden Dollar, dürften aber im Endeffekt deutlich höher sein. Schon bei COTS zahlte die NASA 300 Millionen mehr als geplant. Im letzten Juli hatte Orbital 1,6 Millairden Dollar erhalten und SpaceX 1,4 Milliarden, obwohl beide Firmen noch die Hälfte bis zwei Drittel der Missionen vor sich hatten. Das bedeutet, es wird wohl nicht bei den „Fixed Price“ Kontrasts bleiben.

Lange hat sich die NASA für CRS-2 Zeit gelassen. Die Ausschreibung für CRS-2 begann erst im Februar 2014. Schon das ist spät, 2015 sollte CRS-1 eigentlich schon abgeschlossen sein, doch da SpaceX drei Jahre und Orbital zwei Jahre hinter dem Zeitplan hinterherhinkten, hatte man es offensichtlich nicht eilig. Erst im Februar 2016 gab es die Vergabe der Aufträge. Auch das war deutlich früher erwartet worden.

Allerdings gibt sich die NASA sehr bedeckt. Sie spricht nur von bis zu 14 Milliarden Dollar Umfang. Sie gibt aber keine Daten über Umfang der einzelnen Aufträge, Anzahl der Starts oder Frachtmenge heraus. Zum Teil ist das auch beabsichtigt. Nachdem beide Firmen einen Fehlstart hatten und so ein Jahr lang nur die halbe Transportkapazität zur Verfügung steht und es auch große Zeitverzögerungen gab, wollte man wohl nicht einer Firma Fracht garantieren, sondern nach bedarf und Performance Aufträge vergeben – sofern das möglich ist. Üblich ist, dass eine solches Gefährt etwa 2 Jahre für den Zusammenbau braucht, da kann man nicht mal schnell einen Auftrag reinschieben.

Trotzdem verwundert einiges. Fangen wir mal mit den Überbrückungsaufträgen an. Da CRS-2 erst ab 2019 greift (der Neuling Sierra Nevada hat ja anders als Orbital und SpaceX noch kein einsatzfertiges Gefährt) hat die NASA weitere Flüge gebucht. Zuerst nur zwei bei Orbital und drei bei SpaceX. Orbital sollte auch drei bekommen, doch da mit der neuen Antares die Frachtkapazität nochmals deutlich angestiegen ist, können zwei Flüge dieselbe Nutzlast wie vorher drei befördern. Dann vor einigen Tagen die Ankündigung das SpaceX nochmals fünf bekommt, insgesamt also 20 Flüge durchführt. Das hat mich dann schon etwas verwundert. Unabhängig von meiner Meinung zu SpaceX stellt sich für mich die Situation so dar: Beide Firmen haben einen Fehlstart gehabt. Sind in der Beziehung also gleich zu bewerten. Orbital hinkt bisher weniger stark im Zeitplan hinterher und startete inzwischen auch eine Cygnus auf einer Atlas. Eine weitere wird folgen. Orbital hat bisher 7,3 t Fracht in vier Flügen transportiert, SpaceX 7,8 t in neun Flügen. Die Firma hat also aufgeholt, obwohl sie eineinhalb Jahre später anfing und sie startet auch wenn die eigene Rakete gegrounded ist. SpaceX würde nie selbst bei einsatzbereiten Dragons diese auf einer Rakete der Konkurrenz starten. Dabei transportiert die Cygnus auf der Atlas noch mehr Nutzlast als auf der Antares sodass Orbital bei der beförderten Nutzlast aufholt. Vor allem transportiert Orbital nur Versorgungsgüter für die ISS. Andere Aufträge gibt es nicht. Dagegen hat SpaceX ein volles Launchmanifest, bei dem andere Starts mit CRS-Flügen konkurrieren.

Eventuell spielt eine Rolle, dass die GAO der NASA attestierte, dass sie sich bei der Anpassung des Kontrakts nach dem Fehlstart durch umbuchen auf die Atlas hat reinlegen lassen. Da jede Atlas 3,6 t Fracht transportiert anstatt 2,4 t bei der alten Antares hat man so einen Start eingespart und das war noch günstiger als die Benutzung der eigenen Antares. Die NASA hätte 84 Millionen Dollar einbehalten können, tat das aber nicht.

Noch etwas rätselhafter ist die Sache mit CRS-2. Die Ausschreibung sprach von 14-17 t Fracht in Druckbehältern in 4-5 Flügen pro Jahr. Dazu kommen 1,5 bis 4 t pro Jahr ohne Druckausgleich. Zusammen also 15,5 bis 21,5 t Fracht, deutlich mehr als die rund 8 t pro Jahr die bei CRS-1 vorgesehen sind. Das reflektiert, das nun das ATV wegfällt, das 7 t Fracht pro Jahr transportiere, aber auch das ab 2018 es einen Astronauten mehr geben wird, der natürlich mehr Güter braucht.

Nimmt man die Frachtmenge und multipliziert man das mit 5 Jahren, so kommt man auf 77,5 bis 107,5 t und bei der vierfachen Summe von CRS-1 nur auf doppelt so viel Fracht. Ich vermute daher, die 14 Milliarden sind für die anvisierte, aber noch nicht fest beschlossene Verlängerung des Betriebs bis 2028, dann passt es von der Summe her zu CRS-1. Nur spricht eben die NASA von bis zu 2024, was verwundert. Immerhin sind schon für nächstes Jahr 1 Milliarde mehr für die ISS im aktuellen Budget Request, das zeigt, dass die 14 Milliarden in 5 Jahren wohl ernst gemeint sind.

Nur wundert es mich, dass man das nicht kommuniziert, vor allem weil man sich kleinere Summen doch besser machen. Das ist ja schließlich ausgegebenes Steuergeld. Die ersten Abschlüsse wurden nicht veröffentlicht. Lediglich Orbital gab an, de eigene Auftrag hätte einen Umfang von 1,2 bis 1,5 Milliarden Dollar bei 22,5 bis 26,5 t Fracht ab 2019 in fünf bis sechs Missionen. Aufträge ab 2021 gäbe es noch nicht, das heißt das deckt nur zwei Jahre ab. Eine NASA Grafik weist 11 Missionen für 2019 bis 2021 aus. Betrachtet man die Frachtmenge und vergleicht mit CRS-1 so ist klar, dass es billiger geworden ist. Das ist nicht verwunderlich. Beide Firmen haben eigenes Geld bei COTS investiert, das sie sich bei CRS-1 wieder zurückgeholt haben. Vor allem aber hat Orbital einen Frachttransporter entworfen. Mit Steigerung der Transportkapazität der Antares von anfangs 2,2 t auf nun 3,2 t musste man nur den Druckbehälter verlängern und kann so bei fast gleichen Herstellungskosten mehr Fracht transportieren. Bei der Dragon geht in den Kegel nicht mehr rein, als zwei große Racks und einige kleinere Teile. Gibt es noch Fracht ohne Druckausgleich, so kann die im Trunk mitgeführt werden, doch so viel ist das nicht wie auch die Auflistung zeigt. So muss SpaceX mehr Flüge durchführen und die auf der Webseite ausgewiesenen 6,6 t Fracht können nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft werden. So verwundert es nicht, das SpaceX nun auch der teuerste aller drei Anbieter ist – da die NASA sich wahrscheinlich nicht beim Rücktransport und Fracht ohne Druckausgleich auf den Dreamchaser verlassen will, wird sie das Schlucken müssen.

Ich denke, bei der Finanzabteilung der NASA werden sie sich über zwei Dinge ärgern. Das eine ist das Europa kein ATV mehr baut. Es war so viel günstiger und einfacher: Wie wir wissen, ist Europa Beteiligung am Unterhalt der ISS 150 Millionen Euro pro Jahr, die für 10 Jahre mit vier ATV Flügen abgegolten wurden, die 28 t Fracht transportierten, also wenn die NASA dafür bezahlt hätte bei einem Eurokurs von 1,2 Dollar 64.300 $/kg. Bei im Mittel 18,5 t Fracht pro Jahr und 9 Jahren Laufzeit von CRS-2 zahlt man jetzt aber US-Firmen 84.100 $/kg. Bei 5 Jahren ist man sogar bei astronomischen 151.000 $/kg. CRS-1 lag bei 87.500 $/kg. Der europäische Raumtransporter war also um fast ein Drittel billiger. Da er 7 t transportiert verursacht er auch weniger Arbeit beim Ankoppeln und abkoppeln wo die Arbeit meist nur darin liegt sich mit diesem Ereignis zu beschäftigen.

Noch ärgerlich ist aber das Ausmustern des Shuttles. Bei rund 15-16 t Nutzlast je nach ISS Bahnhöhe hätten die geplanten vier Flüge für die Besatzungswechsel ohne Problem die maximal 21,5 t Nutzlast pro Jahr transportiert und dazu noch die Astronauten für die die NASA bei dem kommerziellen Crew Transport 58 Mill. $ pro Sitz. Das sind bei vier Flügen mit vier Astronauten weitere 928 Mill. $, zusammen mit den 1,6 Milliarden Dollar für CRS-2 pro Jahr (bei nur 5 Jahren Laufzeit sogar 2,8 Milliarden) also 2,5 / 3,7 Milliarden Dollar pro Jahr. Von 2007 bis 2010 kostete das Shuttle im Mittel 3,1 Milliarden Dollar pro Jahr – teuerer als die 2,5 Milliarden (kleinere Summe) für CRS-2 und CCDev, doch mit der Möglichkeit neben der Besatzung mindestens 10 t Fracht pro Flug zu transportieren hätte man auch eine Person mehr auf der Station unterbringen können. (Von den sieben Besatzungsmitgliedern bei einem regulären Flug bleiben mindestens Pilot und Copilot nicht auf der ISS. Bei STS-61A waren auch acht Personen an Bord – das wären dann 50% mehr US-Besatzung und 50% mehr Zeit für die Forschung, zwei MPLM zum Umrüsten als Mannschaftsquartiere gibt es ja noch). Ironie der Geschichte: solange das Space Shuttle eingesetzt wurde war es meist teurer als eine unbemannte Alternative (über die Rolle beim Aufbau der ISS kann am streiten, da die NASA sich niemals auf das russische Konzept von Modulen mit eigenem Antrieb für eine unbemannte Ankopplung einließ). Nun wo es definitiv billiger als ein unbemannter Transporter ist, der bei jedem Flug verloren geht, steht es im Museum …

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