Nach der ersten Explosion einer Rakete auf dem Cape vor dem Start seit 1959 und wahrscheinlich auch der Ersten auf der Startrampe nach nicht viel längerer Zeit, blühen nun natürlich die Spekulationen über die Ursache. Eine der Faszinierendsten ist, dass es Sabotage war. Mir fällt in dem Zusammenhang der Fehlstart der Ariane 4 bei V35 statt. Damals, 1990, zog Arianespace an den US-Anbietern vorbei. Die Startrate nahm laufend zu, erstmals konnte Arianespace zwei mittelgroße Satelliten gleichzeitig transportieren und die US-Anbieter waren nun privatisiert, aber die Atlas vermarktet damals von General Dynamics, hatte anfangs einige Fehlstarts. Da traf es sich doch gut, dass die Konkurrenz einen Fehlstart hatte. Es war damals vor allem zwei Dinge mysteriös. Es gab zwei Defekte in zwei unabhängigen Triebwerken. In einem Booster, gefertigt von Astrium Bremen gab es einen Schubabfall und in einem Haupttriebwerk der Erststufe (gefertigt von Aerospatiale in Les Mureux, Frankreich) fiel der Schub total ab. Beide Triebwerke standen aber über Weihnachten unbewacht in einer Halle in Kourou.
Die Gerüchte über Sabotage wurden weiter angeheizt als man im Haupttriebwerk der Erststufe, das man fand, ein Tuch fand, das zweimal verknotet war, und zwar in einer Treibstoffleitung. Es verstopfte diese, sodass weniger Treibstoff durchfloss und der Schub absank. Die Mission scheiterte, weil die anderen Triebwerke den asymmetrischen Schub nicht mehr ausgleichen konnten. Die Rakete legte sich quer und wurde als die Abweichung zu groß war vom Selbstzerstörungssystem gesprengt. Dabei wurden nirgendwo in der Produktion Tücher verwendet, sondern wenn Oberflächen gereinigt werden müssen Einmal-Lappen, die viel feiner sind.
Man zog die Lehren und inspizierte seitdem alle Leitungen, indem man Bälle durchrollen lässt (Golf- bis Tennisball) und kleinere Leitungen durch Endoskope kontrolliert. Seitdem bewacht auch die Fremdenlegion die Startanlagen.
Nun scheint es als hätten wir dieselbe Situation. Ein Launch Serviceprovider hat in den letzten Jahren viele Starts bekommen und macht den anderen LSP Konkurrenz und er wird von einem nicht richtig erklärbaren Fehlstart zurückgeworfen. Schon der letzte Start, wo man eine Strebe dingfestgemacht hat, die bei nur einem Fünftel der Nennbelastung bricht, war mysteriös. Ein Fünftel der Nennbelastung? Nehmen wir an sie kaufen eine Bücherwand, die pro Boden 15 kg aushalten kann und stellen auf einen Boden 4 Bücher und der Boden bricht durch. Wie wahrscheinlich ist das? Und hätten sie nicht dies schon bei der Montage des Bodens bemerkt?
Sabotage ist also durchaus eine Möglichkeit für den Ausfall. Doch wer könnte sie verübt haben? Nun der anerkannte Terrorismusexperte Alfred Tetzlaff (1925-1999) hat schon 1974 die wesentliche Frage gestellt, die zum Urheber führt: „Wem nützt dies?“ Also gehen wir mal die Liste der Verdächtigen durch.
In einem Kommentar wurde ja schon Arianespace als Verdächtiger angesprochen. Doch nützt das Arianespace? Eigentlich nicht. Zum einen ist die Firma schon nach dem letzten Fehlstart auf Jahre ausgebaut, auch durch einen Milliardenabschluss mit OneWeb. Was nützt es, wenn der Konkurrent am Boden liegt, man die Aufträge gar nicht annehmen kann? Das wirkt sich doch eher schädlich aus. Vor allem hat man mit der angeblichen Bedrohung des Geschäfts durch SpaceX bei den europäischen Regierungen die Ariane 6 Entwicklung durchgesetzt. Ich schriebe angeblich weil seit SpaceX Flüge macht Arianespace durch die Abspringer von SpaceX aus den roten in die schwarzen Zahlen gerutscht ist. Noch nie gab es eine solche Auftragsschwemme. Dieses Jahr werden mit acht Ariane 5 mehr Ariane starten als je zuvor dazu kommen noch vier Sojus Starts. Es boomt derzeit und das alles dank SpaceX. Da wäre es doch ziemlich dumm, den Konkurrenten zu sabotieren. Es ist sogar unerwünscht, denn das Ariane-6-Konzept muss noch einmal genehmigt werden, nachdem es substanziell verändert wurde. Da könnten einige Regierungen, allen voran die deutsche, auf die Idee kommen, das SpaceX doch gar keine so große Konkurrenz ist, das man eine neue Rakete braucht.
Anders sieht es beim zweiten Konkurrent aus ILS. ILS hat gut verdient selbst als die Proton eine schlechte Zuverlässigkeit hatte, solange sie Zweiter waren. Damals war Sealaunch durch das Schlüpfen unter Chapter 11 erst mal außer Gefecht und später mussten sie nach einem Geschäft die Starts ganz einstellen. Im Trägergeschäft, das zeigen die letzten 30-40 Jahre gibt es Platz für zwei große Firmen. Die Dritte und vierte bekommt dann immer nur übrig gebliebene Krümel ab. Mit der Aufnahme der kommerziellen Starts durch SpaceX ist nun ILS zu diesem undankbaren dritten Platz gekommen und die Aufträge sind eingebrochen. ILS hat die Proton ILS hat die verfügbaren Kapazitäten und sie werden, das wage ich schon zu prognostizieren einige neue Startabschlüsse in den Nächten Wochen und Monaten ankündigen. ILS hätte also schon das Motiv.
Doch es gibt noch einen zweiten Aspekt: Kann man auch das Attentat durchführen? Die Falcon 9 startete vom CCAF aus, das ist eine US-Luftwaffenbasis (Cape Canaveral Air Force Station). Da hat keiner so einfach Zutritt. Besucher können das nördlich gelegene Meritt-Island besuchen. Dort sind die Startrampen 39A und B, und befinden sich alle Anlagen für bemannte Starts. Meritt Island ist unabhängig vom CCAF und dort kommt man wie in jede Luftwaffenbasis nicht so einfach rein. Die Frage ist also wie dort jemand einen Sprengsatz oder etwas Ähnliches (die Videos zeigen ja eine Explosion, nicht etwa ein langsames Ereignis oder eine gerissene Wand aus der zuerst nur einer der beiden Treibstoffe austritt) platzieren konnte. Zudem muss es dort von SpaceX und Militärpersonal wimmeln. Es fällt schwer zu glauben, dass Agenten von ILS so nahe der Rakete kommen.
Doch ist überhaupt die Rakete das Ziel? Vielleicht ist es auch die Nutzlast. Die war Amos-6, ein Satellit der israelischen Firma Spacecom. Wie alle Amossatelliten ist es ein Dua-Use Satellit. Die meisten Transponder werden vermietet, vier sind aber fest für das israelische Militär reserviert und sie sind auch mit Kryptohardware versehen. Zudem wird schon seit Jahren spekuliert, dass die Amossatelliten nicht nur Daten übertragen, sondern auch Signale abfangen, die sie empfangen und zum Boden schicken. Das israelische Militär ist nicht an internationalen Missionen beteiligt und braucht daher keine Satellitenkommunikation, doch alle Amossatelliten befinden sich nahe anderer Kommunikationssatelliten, die von arabischen Regierungen genutzt oder gestartet werden, wie Arabsat. Angeblich sollen die vier Transponder nur Daten übertragen, die eigentlich für die Arabsat gedacht waren. Für die Theorie spricht auch, dass die Rakete explodierte, bevor der Start passierte. So ist der Satellit nicht versichert und der Schaden für Spacecom maximal.
Doch wie könnte jemand an die Rakete herankommen, in einer US-Luftwaffenbasis? Nun es gibt einen Zeitpunkt da ist dies relativ einfach möglich: sobald der Hot-Fire Test beginnt. Dann wird eine Zone rund die Rakete vollständig geräumt. Ein Attentäter muss sich nur so lange verstecken und dann hat er einige Stunden Zeit einen Sprengsatz zu platzieren ohne das Er bemerkt wird. Alle Kameras zeigen auch nur eine Sicht der Rakete mit dem Blick auf die See heraus. Nähert er sich von Seeseite, so kann er unbemerkt einen Sprengsatz platzieren. Das Ganze ist natürlich riskant, aber es gibt genügend israelfeindliche Gruppen wie Hisbollah oder IS, die genügend freiwillige Attentäter haben, denen es auch nichts ausmacht, dabei zu sterben. Diese könnten die Rakete gesprengt haben oder von arabischen Regierungen wie Saudi-Arabien dafür bezahlt worden sein.
Man muss aber nicht so weit gehen. Auch näher bei SpaceX gibt es Leute, die nicht gerne die Firma erfolgreich sehen. Da ist zum Beispiel die USAF. Ja die US Air Force! Die USAF startet teure Satelliten, bei denen die Startkosten nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen. Das Budget von NRO und DoD für „Space“ ist doppelt so groß wie das der NASA und das bei weniger als 10 Starts pro Jahr entsprechend rund 2-4 Milliarden Dollar pro Start. Seit einigen Jahren sind vor allem durch Lobbyismus durch SpaceX (die vor einem Jahr ULA in den Ausgaben für Lobbyismus übertroffen haben) und Äußerungen von Musk in die Kritik geraten. Dabei war die USAF mit ihren Trägern sehr zufrieden. Seit 2000 die EELV-Flüge begannen, gab es keinen einzigen Fehlstart. Nimmt man die Atlas und Titan als Vorgängermodelle hinzu so gab es sogar seit 25 Jahren keinen Fehlstart. Das ist was für die USAF zählt. Nun gibt es Druck Kosten einzusparen genauer gesagt von SpaceX gezahlte Politiker wie McCain machend er USAF zu schaffen. So setzte er den Bann gegen die RD-180 durch, wodurch die Atlasstarts beschränkt werden, um seiner Firma mehr Aufträge zu verschaffen. Als die USAF Einblicke in die Arbeitsweise von SpaceX hatte, und die Zertifizierung hinauszögern wollte zog Musk alle Hebel um politischen Druck zu generieren, dass dies schneller geht.
Was passiert wenn nun bei dieser Firma, die man von der Politik aufs Auge gedrückt hat, innerhalb eines Jahres zwei Starts scheitern? Nun man kann nun argumentieren „Atlas und Delta mögen zwar teuerer sein, aber sie sind zuverlässig. Was nützt es uns, wenn wir bei einem Start Geld sparen, wenn das Risiko eine milliardenteure Nutzlast zu verlieren dafür viel höher sind? Zahlt ihr uns dann einen neuen Satelliten für 2 Milliarden Dollar nur um 100 Millionen einzusparen?“. Vor allem hat die USAF, da es ihre eigene Luftwaffenbasis ist, alle Möglichkeiten unbemerkt einen Sprengsatz zu platzieren. Die USAF ist also ein heißer Kandidat für den Anschlag.
Doch es gibt noch einen anderen heißen Kandidaten. Was haben die beiden letzten Fehlstarts gemeinsam? In beiden Fällen begann SpaceX immer mehr Starts durchzuführen, und sobald sie eine schnelle Startfolge erreicht haben, kommt es zu einem Fehlstart oder dieser Explosion. Vielleicht gibt es auch eine interne Ursache. Es ist bekannt das bei SpaceX schon normalerweise Arbeitsbedingungen hat, die gelinde gesagt ausbeuterisch sind. Es wird erwartet das die Arbeiter 12-14 Stunden pro Tag arbeiten, und wenn es wichtig ist, auch am Samstag. Wenn nun die Startfrequenz ansteigt, dann steigt auch die Arbeitsbelastung an, sowohl bei der Fertigung wie bei den Startvorbereitungen. Die Leute haben noch mehr zu bewältigen, werden unkonzentrierter und machen Fehler und zusammen mit der bekannten geringen Qualitätssicherung bei SpaceX führt das dann eben zu spektakulären Versagern. Der Hot-Fire Test ist ja heute ungewöhnlich. Alle anderen Launch Service Provider bauen Raketen, die man nicht vorher testen muss, die x-mal vorher getestet wurden. SpaceX schenkt sich das und macht einen Test mit der ganzen Rakete. Die Triebwerke werden gezündet, hochgefahren und dann abgeschaltet. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Triebwerke als normalerweise das System mit der höchsten Ausfallwahrscheinlichkeit schon Abweichungen zeigen, wenn sie in Betrieb genommen werden. Danach sind Ausfälle erheblich unwahrscheinlicher. Der Test ersetzt also zahlreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Fertigung und soll Probleme aufzeigen – das hat er auch in diesem Fall. Ich hätte ihn eben ohne Nutzlast durchgeführt …
Neben dem Versäumnis oder den Folgen von Überarbeitung kann natürlich auch hier Sabotage die Ursache sein. Beim letzten Mal ist ja eine Strebe bei einem Fünftel der Belastung gebrochen. Vielleicht hat sie jemand bewusst angesägt, um zu erreichen, dass das Arbeitspensum kleiner wird und man mehr kontrolliert. Geändert hat sich nichts und nun dachte derselbe wohl „Wenn erst mal das Launchpad hinüber ist, dann gibt es mit Sicherheit einige Monate lang Zwangsurlaub“. Unwahrscheinlich? Verrückt? Aber nicht unmöglich. Denn wer kommt am einfachsten an das Launchpad und/oder die Rakete heran? Richtig: die SpaceX-Mitarbeiter. Wer anders könnte die Rakete sabotieren?
Wenn es die eigenen Mitarbeiter sind, so wird man dies niemals zugeben. Man wird eine andere Ursache präsentieren, die aber dann wohl nicht so richtig glaubwürdig ist, denn alle offensichtlichen Unglücksursachen bei der Startvorbereitung hat man bei den letzten 4000 Starts der USA schon gefunden und ausgeschlossen. Das sind dann so merkwürdige Ursachen wie Ursachen, wie Streben die bei einem Fünftel der Nennbelastung brechen …