Bernd Leitenbergers Blog

Die Folgen der SpaceX-Explosion

(SpaceX Anhänger ersetzen bitte „Explosion“ durch „Fast Fire“ und „Fehlstart“ durch „Anomaly“)

Nicht jede Rakete ist erfolgreich. Es gibt immer wieder Unfälle. Doch während man bei manchen zur Tagesordnung übergeht und einige Wochen später der nächste Start stattfindet, haben andere weitreichende Auswirkungen. Natürlich ist das so bei gescheiterten Jungfernflügen. So gab es nach den Fehlstarts der ersten Ariane 5G und Ariane 5E jeweils eine längere Pause und natürlich auch bei bemannten Flügen wie dem Verlust der Challenger. Aber auch bei Routineeinsätzen, z.B. 1986, als zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ein KH-11 Satellit bei einem Titan Fehlstart verloren geht. Ich denke der SpaceX Start gehört auch in diese Kategorie.

Unmittelbar betroffen ist Spacecom, der Eigner des Satelliten der gestartet werden sollte. Es stand die Übernahme durch eine chinesische Firma an. Bedingung war das Amos-6 in Betrieb geht, denn die Firma hatte kürzlich den Satelliten Amos-5 verloren und war nun im Zugzwang, denn Amos-2 den Amos 6 ersetzen soll hat nur noch für wenige Monate Treibstoff. Danach wird man einen Teil der Kunden nicht mehr bedienen können. Dieser Deal ist nun in Gefahr, zumindest wird neu verhandelt werden müssen. Immerhin hat die Firma eine zweite Versicherung neben der Startversicherung abgeschlossen und bekommt die Baukosten des Satelliten ersetzt. Zusätzlich wird SpaceX einen neuen Start durchführen oder 50 Millionen zahlen – so viel zahlte Spacecom, als sie 2013 den Startvertrag abschlossen. Damals waren die Falcon 9 noch billiger. Inzwischen kostet sie nach der Webseite (Stand 8,9.2016) 62 Millionen Dollar, immerhin um 24% in drei Jahren teurer geworden.

Betroffen sind aber auch zahlreiche Betreiber von Satelliten. SpaceX hat ja ein gut gefülltes Launch Manifest. einige Kunden warten schon seit Jahren auf einen Start. Sie hatten auf die Versprechen der Firma vertraut, dass wenn die Falcon mit den Merlin 1D im Einsatz sind die Startrate schnell ansteigt. Für 2014, dem letzten Jahr, als noch Jahreszahlen beim Launchmanifest standen, waren 14 Starts geplant, erreicht wurden 6. Das Gleiche findet man für 2015 und 2016. Selbst wenn es reibungslos läuft, so schaffen sie pro Jahr 12 Starts, das zeigen 2015 und 2016 bis zu den Unglücken. Das Launchmanifest listet 41 Starts, alleine in diesem Jahr waren noch 9 Falcon 9 Starts geplant – in vier Monaten, während man vorher in acht gerade mal acht geschafft hatte?

Die Kunden von LSP erscheinen für mich, wenn ich die Szene beobachte wie ALDI und LIDL. Es zählen für sie wohl weniger Qualität und Termintreue, sondern nur der Preis. Das sieht man auch an der Unterstützung von LSP, die zahlreiche Fehlstarts haben wie der Proton oder Probleme mit den Terminen (Sealaunch, SpaceX). Sie tun mir daher nicht leid, vor allem, seit ich weiß dass die Gewinne dieser Firmen ziemlich hoch sind. 2012 betrug der Mietpreis für einen Transponder im Mittel 1,6 Millionen Dollar/Jahr bei Eigenkosten von 1 Million Dollar. Man hat also fast 40% des Umsatzes als Gewinn. In Europa bie Preisen von 3,2 Millionen Dollar sogar noch mehr. Davon können die Hersteller der Raketen nur träumen. Dabei machen die Kosten für den Start je nach Komplexität des Satelliten typischen nur ein Viertel bis ein Drittel der Projektkosten aus. Trotzdem ist schon vorher erkennbar, dass auch sie die Geduld bei SpaceX verlieren. Dieses Jahr hat SpaceX nach eigener Webseite gerade mal drei neue auftrage bekommen. Zwei Kunden haben ihre Falcon heavy Starts auf Proton und Ariane umgebucht. Vor allem wissen diese Kunden das SpaceX auch stark im Regierungsmarkt involviert ist. Viele haben damit schon frühere Erfahrungen als ihre Starts mit Starts für die NASA oder Air Force konkurrieren und die hatten immer Vorrang. Das war auch ein Grund, warum sie einen rein kommerziellen Provider forderten. Bei SpaceX sind es die CRS und Crew-Missionen. Die haben wegen der Aufrechterhaltung des Betriebs der ISS Vorrang, zumal sie für SpaceX viel lukrativer sind man baut ja auch die Kapsel. Die NASA ist SpaceX wichtigster Kunde und die Firma wird sicher nicht die Weltraumbehörde vergraulen wollen. Es könnte sein, dass dann der eine oder andere Kunde sein Engagement in SpaceX runterfährt. Kurzfristig haben sie aber kaum Alternativen, denn schon nach dem Fehlstart letztes Jahr gab es Abschlüsse mit anderen LSP und die haben nun kurzfristig keine Startkapazitäten frei. Der Bau eines Trägers dauert typisch zwei Jahre, das bedeutet das wohl am ehesten die abspringen werden, deren Start sowieso erst in zwei Jahren ansteht. Bei Nachholbedarf und bisher nicht erreichter Zielstartrate sind die Chancen groß, dass man auch in zwei Jahren noch dem Plan hinterherhinkt. Die anderen haben praktisch keine Alternative und das sind die meisten, denn üblicherweise wird ein Start etwa 2-2,5 Jahre vorher gebucht. Arianespace kündigte zwar einen Start mehr für 2017 man, doch der ist in Wirklichkeit kein zusätzlicher, da durch die Beschädigung eines japanischen Superbird-Satelliten dieses Jahr ein Start wegfällt. Die Proton hat ebenfalls Startverbot bis November, nachdem bei Intelsat 31 dieser zwar im Zielorbit ankam, die zweite Stufe aber 9 Sekunden zu früh abgeschaltet hatte.

Besonders betroffen ist Iridium. Die Firma ist ja sowieso nicht gerade mit Finanzmitteln gesegnet und hat SpaceX ausgesucht, weil sie eben die billigsten sind. Alle Starts ihre alternden Flotte, die eigentlich schon ersetzt werden sollte, finden mit SpaceX statt.

Die Folgen für andere LSP. Diese könnten mehr Starts bekommen. Allerdings denke ich wird nur einer wirklich profitieren. Das ist ILS. ILS hat seit SpaceX kommerzielle Starts durchführte deutlich an Aufträgen verloren. Der Fehlstart letztes Jahr brachte wieder neue Aufträge und dieser „Fehlstart“ wird weitere bringen. Ein „Nachteil“ der Proton, ihre Zuverlässigkeit von 90% hat nun auch die Falcon 9. Sie ist aber termintreuer als SpaceX. Arianespace ist durch den Oneweb-Deal ausgebucht. ULA wird als immer noch zu teuer angesehen. Das gilt auch für die H-2A. Trotzdem könnet auch ULA und Mitsubishi Aufträge zu bekommen, denn jede Firma wird abwägen müssen, was es bringt, Monate zu warten und Mieteinnahmen zu verlieren oder einen teureren Start zu buchen. Wenn die Wartezeit zu lang ist, beißt man eben in die saure Zitrone und bucht einen teureren Start.

Die USAF und NASA: Bisher gab es nur wenige Aufträge seitens der USAF. Einen für den Start von DSCOVR, bei dem die USAF nur für den Start verantwortlich ist, die Sonde aber zum Wetterdienst gehört. Dazu kommt eine Erprobungsmission für die Falcon Heavy. Nicht aufgeführt bei SpaceX ist ein Kontrakt für einen GPS-Satelliten bei dem SpaceX der einzige Bieter war. Alle sind mehr oder weniger unkritisch. Die GPS-Satelliten werden z.B. in Serie gebaut und sind nicht so teuer. Bisher ist SpaceX zwar zertifiziert hat aber noch keinen einzigen Start bekommen, der für echtes Vertrauen der USAF/NRO in die Firma spricht. Ähnliches gilt für die NASA. Zwei Satellitenmissionen gab es. JASON 3 ist ebenfalls ein Auftragsstart im Auftrag der NOAA, der Satellit selbst stammt von der CNES. TESS ist ein Small-Explorer mit entsprechend geringen Kosten. Dazu kommen die zahlreichen CRS-Missionen. Wie es hier weitergeht wird sich noch zeigen. Auf der einen Seite ist die Versorgung der ISS so ausgelegt das ein Vehikel ausfallen kann. Das gilt auch auf den Passagiertransport. Gerade deswegen wird man aber SpaceX nicht komplett aufgeben, denn die Firma ist dann auch Backup zu Orbital und Boeing. Auf der anderen Seite hat Orbital gezeigt, dass es sich voll für das Programm ins Zeug legt. Als man nach dem Fehlstart der letzten Antares eine Zwangspause hatte buchte man Starts auf der Atlas, die wegen der größeren Nutzlastkapazität sogar 50% mehr Fracht beförderten. Das wäre für SpaceX wohl unvorstellbar. Da das Pad beschädigt ist wird es in jedem falle eine Zwangspause geben. Vielleicht wird man als Folge, auch wegen der insgesamt angespannten Situation bei SpaceX mit schon vorher überfülltem Startmanifest in Zukunft die Gewichte etwas anders verteilen, zumal man ja bald mit dem Dream Chaser noch einen weiteren dritten Versorger hat.

Für SpaceX sind die Wirkungen am stärksten. Zum einen fällt ein Startplatz weg, und zwar der wichtigste, denn die meisten Starts gehen in den GTO oder zur ISS. Die Firma will zwar auf Pad 39A schwenken, doch wie schnell das möglich ist, bleibt offen. Als 2014 die Antares in niedriger Höhe gesprengt wurde legte das Pad für ein Jahr lahm und kostete 15 Millionen Dollar und die Falcon 9 explodierte am Boden und hat doppelt so viel Treibstoff an Bord. Ob Pad 39A schon bereit ist? Nun ärgert sich die Firma sicher, dass ihr Spaceport in Bownsville noch nicht so weit ist. Er sollte 2017 fertig sein, doch man musste den Boden verfestigen, sodass es nicht vor 2018 zu Starts kommt. Vielleicht hätte man hier anstatt in Marspläne mehr Energie investieren sollen. Haben Marspläne vielleicht eine höhere Priorität? Teurer wird der Flug der Red Dragon auf jeden Fall als alle Investitionen in Brownsville zusammen.

Ich befürchte auch das man nicht so schnell wieder die Flüge aufnehmen wird. Neben den Schäden am Boden sieht das nicht so nach einem Unglück aus, das man so schnell aufklärt und wenn die Rakete am Boden explodiert, klingt das nach einem größeren Problem mit der Rakete oder noch schlimmer am Launchpad (dann müsste man nämlich alle anderen Pads auch umrüsten).

Die Firma hat nach dem letzten Fehlstart schon kaum neue Aufträge bekommen, die Startverschiebung der Falcon Heavy haben zu zwei Auftragsverlusten geführt und sie war schon bisher mit den Starts in Verzug. Nun muss man rechnen, dass man Aufträge verliert. Das ist deswegen übel, weil in dem Business stufenweise Vorkasse üblich ist, man bezahlt ab Auftragsvergabe und wenn der Start erfolgt ist, er ganz bezahlt. Die Gelder werden aber nicht auf dem Konto landen, sondern in laufende Projekte gesteckt wie Red Dragon, Brownsville, Raptor Triebwerk.

Für Musk am schlimmsten dürfte der Renommeeverlust sein. Musk hat seine Firma bisher als soooo modern präsentiert. Man druckt Triebwerke mit 3D-Druckern, verwendet Rakete zweimal und bald bricht man auch zum Mars auf, und wenn das erst mal passiert ist, kommt dann auch schon die Marskolonisierung. Nun bekommt die Firma die Raketen nicht mal in die Luft und zwei Fehlstarts in zwei Jahren? Traut man solchen Raketen Menschen an? Das fragen sich nun immer mehr. Bisher konnte Musk ja die Öffentlichkeit gut täuschen, indem er sein Renommee als Self-Made Milliardär nutzte. Doch das scheitert mehr und mehr auch bei Tesla. Tesla gilt ja noch mehr als Vorzeigebetrieb. Sie produzieren nicht nur Elektroautos mit großer Reichweite, sondern die sind auch schnell und schick. Doch explodierendem Umsatz macht die Firma, seit es sie gibt Verluste und inzwischen denken auch Aktienkäufer drüber nach, ob dann der laufend steigende Aktienkurs dann noch gerechtfertigt ist – und verkaufen die Aktie, anstatt neue zu kaufen und die Aktie macht den Rückwärtsgang. Vor zwei Jahren erreichte Sie die Spitze mit 250 Dollar und inzwischen ist sie auf 178 Dollar gesunken. Alleine dieses Jahr um 18,6% Ich glaube Musk ärgert sich auch, dass er den Börsengang von SpaceX verschoben hat. Hätte er den vor dem Juli letzten Jahres gemacht, er hätte viel Geld eingenommen. Nach zwei Fehlstarts dürfte der Firmenwert deutlich geringer sein. Wie man beim Kurs von Tesla sieht, spiegelt der Kurs ja nicht den Firmenwert wieder, sondern die Erwartungen der Anleger. Spacecom verlor am Tag der Explosion 8%, am ersten Handelstag in dieser Woche weitere 33%. So was wäre auch bei einem SpaceX an der Börse zu befürchten.

Aber es gibt auch in Europa Betroffene: die europäische Weltraumindustrie. Die hat mit dem Schreckgespenst „SpaceX“ schließlich von der ESA die Mittel für die Ariane 6 losgeleiert. Wenn nun SpaceX sich gar nicht als so gefährlich entpuppt, Arianespace trotz SpaceX Gewinne erzielt und die ganze Wiederverwendung die Preise um 30% senkt (dagegen alleine die Zusammenlegung der Produktion der Ariane 6 auf 2-3 Hersteller die Ariane 6 um 40% verbilligt) dann könnte jemand auf die Idee kommen man könnte doch einfach die Ariane 5 behalten, die Produktion zentralisieren und so Milliarden sparen. Ariane 5 hat zumindest etwas, was SpaceX wohl nie erreichen wird: Sie ist zuverlässig. Der nächste Start wird (wenn er klappt) der 74-ste erfolgreiche hintereinander sein, 13 Jahre ohne Fehlstart und damit wird der Ariane 4 Rekord eingestellt und ab dann geht es weiter zu einem neuen Allzeit-Rekord.

[Edit]: Es sieht so aus, als tappt man immer noch im dunkeln. Inzwischen gibt es schon einen Aufruf an die Allgemeinheit Material von der „Anomaly“ zuzuschicken:

Wenn man bedenkt, dass die Firma die Telemetrie Tausender Kanäle, dazu wahrscheinlich etliche Kamera-sichten aus nächster Nähe zur Verfügung hat, klingt das schon verzweifelt und spricht für eine lange Pause bis man den Fehler gefunden hat.

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