Bernd Leitenbergers Blog

Wir brauchen mehr Atomwaffen …

So die Aussage von Donald Duck äh Trump von gestern. Das Militär war ja schon immer für … Sagen wir mal höflich eine etwas andere Sicht der Dinge bekannt, aber damit toppt Trump doch alles.

Die USA haben 2016 insgesamt 7.000 Atomsprengköpfe, Russland 7.290. Die anderen Ländern spielen fast keine Rolle. Selbst China als bevölkerungsreichstes Land hat „nur“ 260 Sprengköpfe.

Die Äußerungen von Trump lassen aufhorchen: „Es wäre wunderbar, es wäre ein Traum, wenn kein Staat Atomwaffen hätte“, sagte Trump. „Aber solange Staaten Atomwaffen haben, werden wir im Rudel ganz oben stehen.“ Die USA seien auf diesem Gebiet zurückgefallen. So die Äußerungen nach Süddeutsche.de.

Russland hat 2014 begonnen, den Marschflugkörper SSC-8 zu stationieren. 1987 hatten Gorbatschow und Reagan den INF Vertrag abgeschlossen, der den Abbau aller Mittelstreckenraketen beinhaltete. 2692 Raketen wurden damals verschrottet.

Seitdem gab es etliche neue Abrüstungsabkommen. Man könnte meinen, man hätte nun wahnsinnig viel abgerüstet. Doch 2012 gab es noch 19.000 Atomwaffen. Vor dem Ende des Kalten Kriegs waren es bis zu 70.000. Die Zahl scheint in verschiedenen Quellen unterschiedlich zu sein. Doch es kommt drauf an, wie man zählt. Die 19.000 enthalten z.B. auch Atomsprengköpfe, die zur Verschrottung vorgesehen sind. So kenne ich auch 34.000 Atomsprengköpfe zur Zeit des Kalten Kriegs, was gerade mal eine Halbierung seitdem bedeutet.

Atomwaffen und die Logik des Militärs

Die riesige Zahl während des Kalten Kriegs zeigt die Paranoia und „Logik“ des Militärs. Sie haben zwei Ursachen. Zum einen immer das Argument, man habe weniger Sprengköpfe als der Gegner. Das führte immer zur Nachrüstung die dann wider beim Gegner zur Nachrüstung führte. So schaukelte sich das hoch. Das Zweite war das vom Militär so gerne benutzte Wort „Lücke“. Damit wird suggeriert, der Gegner hat etwas und wir nicht. Das ist eine Bedrohung und auf diese angebliche „Lücke“ muss man reagieren. Das Paradebeispiel war der Nachrüstungsbeschluss 1979. Die USA hatten insgesamt mehr Atromsprengköpfe als die UdSSR, da sie schon Ende der Sechziger begonnen hatten ihre Raketen mit MIRV auszurüsten: mehreren Sprengköpfen pro Rakete, die nach Abtrennung einzeln auf verschiedene Ziele gelenkt werden konnten. Da hinkte Russland hinterher. Vielleicht als Ausgleich, vielleicht auch nur als Modernisierungsmaßnahme, stationierten sie die Mittelstreckenrakete SS-20.

Wie bekannt führte das zum Nachrüstungsbeschluss und in Europa zu Demonstrationen gegen die neuen Atomwaffen. Aus der Sicht der Militärs und erstaunlicherweise (oder vielleicht auch nicht) der Politiker war es dann folgerichtig auch nachzurüsten, auch wenn man sonst Atomsprengköpfe genug hatte.

Folgerichtig wäre das nur gewesen, wenn eine Situation denkbar wäre, in der Russland diese Mittelstreckenraketen einsetzen könnte, ohne eine nukleare Antwort befürchten zu müssen. Das ist aber kaum denkbar. Zum einen gab es damals ja genug Kurzstreckenraketen und es gab Atomsprengköpfe, die von Flugzeugen abgeworfen werden können. Die Mittelstreckenraketen zielten auf Mitteleuropa. Die Kurzstreckenraketen hätten Russland nicht erreichen können, die Flugzeuge wahrscheinlich auch nicht (sie hätten die DDR und Polen überfliegen müssen und das, ohne abgeschossen zu werden). Aber es gab ja immer noch die Abschreckung durch ICBM und SLBM. Wahrscheinlich wäre, dass man einen Angriff mit Mittelstreckenraketen nicht als Angriff Russlands, sondern des Warschauer Paktes angesehen hätte und diese Waffen dann auf die Nachbarstaaten eingesetzt hätte. Zudem wäre ein Angriff nur mit den Mittelstreckenraketen ohne Angriff von Bodentruppen oder anderen atomaren Waffen ausgeschlossen. Was würde es bringen nur mit Mittelstreckenraketen Westeuropa anzugreifen, wenn man sonst nichts tun und auf allen anderen Gebieten gab es ja nicht diese „Lücke“.

Die Stationierung westlicher Raketen macht also nur einen Sinn, wenn ein Szenario denkbar ist, in der Russland Europa angreifen kann und die USA keinen Gegenschlag initiieren. Das mag bei Politikern vielleicht ein denkbares Szenario sein, aber ich halte es nicht für real.

In Europa war US-Militär stationiert, das wahrscheinlich Angriffsziel Nummer 1 wäre. Wäre es denkbar, das die USA den Tod viele GI hinnahmen, ohne zu antworten? Wohl kaum. Der Anschlag vom 911 forderte 3.000 Opfer und war Anlass für zwei Kriege. Damals hatten die USA rund eine halbe Million Mann in Europa stationiert, davon würden bei einem atomaren Erstschlag sicher ein Großteil sterben. Schwer vorstellbar das man dies hinnehmen würde, ohne mit einem Nuklearangriff zu antworten. Vor allem: Wenn man Europa atomar angreifen kann, ohne einen Gegenschlag befürchten zu müssen, wo wäre dann die Grenze? Russland würde dann wohl die ganze Welt erobern, wenn sie keinen nuklearen Gegenschlag befürchten müssten. Das Grundparadigma von MAD, der seit 1969 geltenden Abschreckungspolitik war ja gerade das selbst bei einem Erstschlag der Gegner noch zurückschlagen konnte. Heute reichen die geschätzten 10 Atomsprengköpfe von Nordkorea aus, das das Land vor den USA geschützt ist. Schwer vorzustellen das, wenn die USA über 10.000 Atomsprengköpfe haben, einige weitere in Mittelstreckenraketen noch eine Rolle spielen.

Vor allem kann ich mir kein Szenario vorstellen, in dem man nur die Mittelstreckenraketen einsetzt. Wäre es denkbar das Russland nur diese einsetzt, nicht aber einen konventionellen Angriff auf den Westen startet? Man also nur so aus Spaß Deutschland, Frankreich, England und was weiß ich mit Atomwaffen angreift, ohne dass auch der Warschauer Pakt in Deutschland angreifen würde? Wohl kaum. Dann würde man aber mit den vorhandenen Kurzstreckenwaffen antworten. Das wäre auch folgerichtig denn die direkte Bedrohung wäre ja die Abschussbasen der Mittelstreckenraketen sondern die Panzerdivisionen des Warschauer Pakts. Gerade umgekehrt wird eigentlich ein Schuh draus: Gerade der Westen ging davon aus wegen des konventionellen Ungleichgewichts (man hatte weniger Panzer und Flugzeuge als der Warschauer-Pakt und davon waren, die der USA, also ein großer Teil auch jenseits des Atlantiks stationiert) man einen konventionellen Angriff nuklear beantworten würde.

Wettrüsten bis zum „Geht-Nicht-Mehr“

Insgesamt war die Zahl der Sprengköpfe durch das Wettrüsten auf beiden Seiten enorm gestiegen. Als man in den Achtziger Jahren die Folgen eines Atomkriegs mit Computersimulationen berechnen wollte, hatten die Programmierer Probleme Ziele für diese Zahl von Sprengköpfe zu finden. Der Vorrat reichte mehrfach aus jede mittelgroße Stadt in Europa, Russland und den USA mit einem Sprengkopf zu belegen. Selbst wenn sich der Konflikt auf NATO und Warschauer Pakt beschränkt hätte die Folge wäre ein nuklearer Winter gewesen, also eine weltweite Klimaverschlechterung.

Es gab damals eine Gesamtsprengkraft von 12 GT, das waren pro Sprengkopf im Mittel 170 kt, also mehr als die Zehnfache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Gemäß gängiger Berechnung ist in einem Radius von 3,8 km dann alles zerstört ohne Überlebenschancen. Ein Zehntel der weltweiten Sprengköpfe würden reichen, die Gesamtfläche Deutschlands in eine einzige Todeszone, also diesen inneren Bereich der totalen Zerstörung, zu verwandeln. Pro Einwohner Europas, Russlands und er USA gab es rund 12 t Sprengstoff. Heute sind es 3 t. Ist immer noch viel zu viel.

Nun kommt Trump mit „schlechten Deals“ bei Abrüstungsverhandlungen. Und die USA müssten am meisten Atomwaffen haben, was zwangsläufig ein Wettrüsten wie früher bedeutet denn Russland wird dann nachziehen wollen. Alle anderen Länder, außer den Supermächten kommen mit wenigen oder maximal 300 Sprengköpfen aus. Warum brauchen Russland und die USA 25-mal mehr? Auch verstehe ich nicht, was ein „schlechter Deal“ ist. Es ist ja nicht, so dass man was davon hat, wenn man mehr Atomsprengköpfe hat. Ich würde, wenn ich Trump wäre, im Gegensatz einseitig abrüsten, denn jeder Sprengkopf bedeutet eigentlich nur Kosten und Risiken. Die Träger kann man nutzen, um Satelliten zu starten, gerade boomt ja der Markt für kleine Träger und da sind diese typisch 20-30 t schweren Raketen ideal dazu. Wenn die USA auf 1000 abrüsten würden, hätten sie immer noch viermal mehr Sprengköpfe als China und wahrscheinlich immer noch mehr als es Ziele in Russland gäbe. Da heute die meisten an Bord von Atomubooten stationiert sind, die durch ihre Mobilität ja gerade als Absicherung gegen einen Erstschlag gelten, würde man sicher nicht an Sicherheit verlieren. Gerade Nordkorea mit 10 Sprengköpfen zeigt doch, wie schon wenige Sprengköpfe für eine Abschreckung ausreichen und gerade deswegen hat das Land ja nach einer Atombombe gestrebt und gerade wieder eine neue Rakete getestet.

Rüstung bringt nicht mehr Sicherheit

Allgemein korreliert ja nicht Sicherheit mit der militärischen Schlagkraft. Bei der Recherche zu dem Artikel stieß ich auf diese Tabelle der „schweren Waffensysteme“ weltweit:

Land Anzahl
Russische Föderation

89252

Vereinigte Staaten von Amerika

59796

China, Volksrepublik

28913

Korea, Demokratische Volksrepublik

20858

Syrien, Arabische Republik

12250

Türkei

11794

Korea, Republik

11721

Ägypten

11075

Israel

10337

Indien

9912

Ukraine

7254

Iran, Islamische Republik

7207

Pakistan

6851

Vietnam

6782

Saudi-Arabien

6253

Griechenland

5174

Taiwan

5137

Frankreich

4827

Irak

4411

Algerien

3859

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

3665

Polen

3552

Vereinigte Arabische Emirate

3441

Jordanien

3288

Japan

3224

Deutschland

3180

Schwere Waffen sind Panzer, Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge o.ä. Man stellt fest das dies nicht mit der Wirtschaftskraft oder wenigstens Bevölkerungszahl korreliert. Nord und Südkorea haben zusammen mehr Waffensysteme als China. Da sieht man den Konflikt zwischen beiden Ländern. Das Länder im Krieg oder mit Konflikten hochgerüstet sind ist nicht verwunderlich. Doch die Zahl der Systeme von Vietnam, Taiwan (Insellage), Polen und Griechenland verwundert bei den letzten beiden Staaten vor allem, wenn man dies pro Einwohner bezieht. Nun soll man wieder aufrüsten auf 2% des BIP (Deutschland gibt 1,2 % des BIP aus). Dabei zeigte doch gerade das Ende des Kalten Kriegs, das die Lösung nicht die militärische Aufrüstung ist, sondern politische und wirtschaftliche Maßnahmen. Wir leben heute in größerer Sicherheit durch Verhandlungen und nicht weil wir mehr Militär haben.

Russlands Ängste ernst nehmen

Betrachten wir die jüngsten Konflikte. Da gibt es die Annektion der Krim. Hat dabei das Militär oder die Atomsprengköpfe was genutzt? Wir haben seit sechs Jahren Bürgerkrieg in Syrien. Hat das Militär diesen beendet? Russland fühlt sich heute bedroht. Man verweist darauf das die NATO zugesagt hat sich nicht nach Osten auszudehnen. Nun sind aber viele Länder des ehemaligen Warschauer Paktes in der NATO. Ehrlich gesagt, wenn Russland etwas nachgedacht hätte, dann wüsste man dort auch das es nicht anders kommen konnte. Was hat man sich dort erhofft: Einen Gürtel von „neutralen“ Staaten um Russland oder sogar eine Einflusszone rund um Russland? In den 50 Jahren der kommunistischen Herrschaft gab es Einmärsche in Ungarn und der Tschechoslowakei, einen niedergeschlagenen Aufstand in der DDR und Ausruf des Notstandes (kurz vor einem Einmarsch) in Polen. In allen Fällen waren Russlands Truppen beteiligt. Polen und die baltischen Staaten wurden sogar im Zweiten Weltkrieg annektiert. Wie konnte Russland meinen das diese Nationen nicht Schutz bei der NATO suchen, würden oder wie konnte es meinen, eine Einflusszone behalten zu können, wenn ihr eigenes Land in unabhängige Republiken zerfällt. Die jüngere Geschichte mit Konflikten in Tschetschenien und Aserbaidschan zeigte auch das die Gefahr real war.

Anstatt aber nun Russland zu beschwichtigen, stationiert man US-Truppen in diesen Staaten und baut einen Raketenabwehrschild, der angeblich vor Schurkenstaaten schützen soll, aber am Rand Russlands stationiert ist. Dabei spielt keine Rolle, ob dieser Schild funktioniert. Wie schon erläutert, denken Militärs nicht rational. Es reicht das, da etwas ist, was man selbst nicht hat. Der Schild mag funktionieren – wenn er eine oder zwei Raketen verfolgen soll. Doch wenn Russland Hunderte abschießt? Die Antwort Russlands ist eine Aufrüstung, weil man sich bedroht fühlt oder besser gesagt umzingelt und genau in diese Denkweise fällt auch die Stationierung von Marschflugkörper die nur die Nachbarstaaten erreichen können. Ein kluger Politiker würde das erkennen und eine Richtungsänderung einleiten, jemand wie Donald Trump sieht nur eine Bedrohung und meint aufrüsten zu müssen, obwohl die neuen Waffen ja die USA nicht erreichen können. Mich würde mal interessieren, wie „gute Deals“ bei Trump aussehen. So nach dem Motto Russland rüstet 1000 Sprengköpfe ab, wir nur 700? Warum sollte Putin so einem „Deal“ zustimmen? Es scheint las hätte man nicht viel gelernt. Die Reduktion der Sprengköpfe nach dem Kalten Krieg betraf weniger die Systeme die globale Reichweite hatten also die MAD sicherten. Es betraf vielmehr die vielen Systeme mit kurzen Reichweiten oder Sprengköpfe, die mit Artillerie verschossen wurden oder von Flugzeugen abgeworfen. Diese treffen meist noch im eigenen Land auf und angesichts der Zerstörung, die sie anrichten ist, das Verhältnis zwischen militärischem Nutzen und Aufwand und Risiko (man kann Artilleriegranaten ja nicht wie Raketen durch Codes die den Bordcomputer freischalten absichern) ist schlecht. Es gab teilweise Sprengköpfe, die mit einem rückstoßfreien Geschütz von zwei Mann abgefeuert wurden und die nur 1-2 km weit flogen. Militärischer Nutzen gleich Null. Man hat also auf das verzichtet, was man ab Ehesten entbehren kann. Wenn nun Russland etwas stationiert was in diese Kategorie fällt, warum drauf eingehen. Ein kluger Mann lässt sich nicht provozieren. Ein dummer, reagiert auf jede Äußerung gegen sich.

1983 war der fiktive Computer WOPR im Film War Games viel schlauer als Trump. Der Film endet damit dass er einmal die Folgen jedes Konfliktes durchspielt der nuklear eskaliert. Die Antwort ist immer „Gewinner: Keiner“. Worauf der Computer meint. „Komisches Spiel, der einzig gewinnbringende Zug ist es nicht zu spielen. Wie wäre es mit einer Partie Schach?“

Die mobile Version verlassen