Bernd Leitenbergers Blog

Deutschland im Knebel der Automobilindustrie

Seit der Bankenkrise 2008 scheinen die Banken frei Hand zu haben. Sie werden mit Steuermittel gerettet, weil sie „systemrelevant“ werden und sie scheinen so einflussreich zu ein, das nicht mal nach der Bankenrettung Gesetze erlassen wurden, die einen solchen Crash wieder verhindern. Doch ich denke, Deutschland ist viel stärker im Griff der Automobilindustrie.

Erinnern wir uns: 2009 war nicht nur das Jahr, in dem Banken gerettet wurden, (die Commerzbank ist immer noch unter dem staatlichen Schutz) sondern auch die Wirtschaft strauchelte. Viele Firmen teilweise mit langer Tradition, gingen in die Pleite oder wurden von Hedgefonts übernommen Schießer, Quelle, Märklin, WMF. Die einzige Branche, der die Regierung aber neben den Banken half, war die Automobilbranche. Damals gab es eine „Abwrackprämie“ von 2.500 Euro beim Kauf eines Neuwagens. Die Klammern habe ich gesetzt, weil das nicht an das Alter des Fahrzeugs gekoppelt war. Man konnte also noch relativ neuen Wagen „abwracken“ und die Prämie kassieren. Abgewrackt wurde auch nur wenig, die meisten Fahrzeuge gingen in den Ostblock.

Status Quo

Bei nur wenigen anderen Industrien ist auch der Staat mit beteiligt, so hält Niedersachsen Anteile an VW. Nun ist sicher die Automobilindustrie gemessen an der Zahl der Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Ich bin mir nicht sicher, ob sie der Größte ist. Wenn man dies daran misst, was die Menschen für die Produkte ausgeben so dürfte vielleicht die Baubranche noch etwas größer sein. Ein Haus baut man zwar nur einmal im Leben, aber für die kosten eines Hauses kann man sich mindestens 10 Durchschnittsautos kaufen. Gemessen an der Bedeutung ist der staatliche Lenkungseinfluss gering, eher ist es umgekehrt: die Industrie verhindert aktiv Gesetze und Verordnungen, die sie für schädlich hält.

Nehmen wir den VW-Abgasskandal. Skandalös finde ich eher, dass man Jahre lang getestet hat und niemand bei keinem der vielen Labors von Bundesstellen und TÜV auf die Idee kam, doch mal ein Auto während einer normalen Fahrt zu testen. Das würde ich schon aus Neugier tun, vor allem aber um festzustellen, wie realitätsnah die Prüfstandswerte mit wahren Werten korrespondieren – oder eben nicht. Den den Leuten ist ja nicht mit Prüfstandswerten geholfen. EU-weite Abgasgrenzwerte, die in den Städten eingehalten werden müssen, resultieren ja aus realen Abgasen. Seitens der Politik hat man das einfach so hingenommen. VW muss in den Staaten Milliarden zahlen. Bei uns nichts. Sicher, wenn die Firma überall diese Unsummen (die nicht mit dem Schaden für die Käufer korrelieren) zahlen müsste, wäre sie Pleite, aber das man auch deutschen Käufern zumindest eine kleine Entschädigung zusprechen könnte, denke ich wäre durchaus möglich gewesen.

Das ist aber nicht die Ausnahme. Wann immer es um den politischen Einfluss geht, versteht es die Automobilindustrie ihre Forderungen durchzusetzen. Sind mal strengere europäische Abgasgrenzwerte in der Diskussion: die deutsche Regierung legt ein Veto ein. Geht es um die Grenzwerte von ganzen Flotten so gibt es so komische Berechnungsmodelle das z.B. Elektroautos nicht nur keine Abgase emittieren, (das tun vielleicht nicht die Fahrzeuge, aber natürlich wird auch der Strom nicht nur aus „grüner Energie“ erzeugt und so müsste man auch für sie zumindest die CO2-Grenzwerte festlegen, nein ein Elektrofahrzeug senkt sogar noch die Flottenwerte, weil es in einem Verrechnungsmodell einen „negativen“ CO2-Ausstoß hat. Wen wundert es da, dass in Deutschland fast die Hälfte der Elektroautos von den Herstellern selbst zugelassen sind?

Die Automobilindustrie ist zumindest in Deutschland bemerkenswert träge. Auch wenn ich nicht Elektroautos als die Lösung des grundsätzlichen Problems Mobilität ansehe, so haben sie zumindest einen Vorteil: Sie verringern die Abhängigkeit vom Erdöl, denn das ist endlich und geht von allen fossilen Brennstoffen als erstes aus. De Fakto sollte die Automobilindustrie versuchen, sich von der Abhängigkeit zu lösen. Aber das tut sie nur halbherzig. Zum einen gibt es immer wieder experimentelle Fahrzeuge, die sehr wenig Benzin verbrauchen, wie den VW-Lupo, als „3 l Auto“. Aber sie schaffen es nicht in die Serienbauweise. Zum anderen ist man bei uns auch nicht so aktiv bei der Erforschung von Alternativen zum Benzin und Diesel. Mit Wasserstoff und Erdgas experimentieren unsere Autobauer schon seit Jahrzehnten. Auch hier rausgekommen für die Serie ist nichts. In Brasilien hat man wenigstens Ethanol als Treibstoffzusatz etabliert. Anders als bei den bei uns üblichen Estern von Fettsäuren hat Ethanol andere chemische Eigenschaften und der Motor muss angepasst werden. Ethanol könnte man später aus Biomasse gewinnen.

Allerdings wäre es zu einfach, nur der Industrie die Schuld zuzuschreiben. Mit Schuld sind auch Städte und Verbraucher. Der Verbraucher, weil er mit seiner Kaufentscheidung die Automobilindustrie prägt. Auch wenn man davon absieht, das viele der „Niedrigenergiefahrzeuge“ so teuer sind, das man den Aufpreis meist nicht über die Lebensdauer wieder hereinholt, könnte der Verbraucher auch so die niedrig motorisierten Modelle ejr Linie kaufen. Das würde dazu führen, dass die Automobilindustrie mehr Varianten mit weniger anstatt mehr Leistung auf den Markt bringt. Schließlich reagiert sie auf die Nachfrage. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Seit Jahrzehnten steigt die durchschnittliche PS-Zahl von Fahrzeugen. Nicht nur in einer Modellreihe, sondern auch im Durchschnitt. Alleine in den letzten 10 Jahren ist die durchschnittliche Motorleistung von 100 auf 125 PS gestiegen.

Doch ist daran nur die Automobilindustrie schuld? Nein denn die Fahrzeuge müssen ja auch gekauft werden. Die Leute kaufen eben Autos mit immer mehr PS. Ich sehe auch immer mehr größere Autos, egal ob Kombis oder SUV auf den Straßen. Selbst ein Neubaugebiet, in dem ein Stellplatz pro Wohnung vorgeschrieben ist, ist bei uns zu geparkt, teilweise beidseitig: es gibt mehr Autos als Führerscheininhaber, und da die meisten Erwachsene einen Führerschein haben, kann man von einem Auto pro Erwachsener ausgehen und davon gibt es eben in der Regel zwei pro Wohnung. Im wesentlichen gehen die „mehr PS“ für mehr Masse drauf. Selbst wenn die theoretische Höchstgeschwindigkeit steigt, wo bitte kann man die noch erreichen? Selbst auf einem Drittel der Autobahnen gibt es inzwischen Geschwindigkeitsbeschränkungen.

Ein zweiter Anlass sind die nun erlassenen Maßnahmen gegen den Feinstaub in Stuttgart. Auch wenn sich Satiriker gerne über Stuttgart lustig machen: Das Problem ist nicht, dass es zu viele Autos oder zu dreckige beim Daimlerstandort gibt. Es ist die Lage von Stuttgart in einem Talkessel, 150 m unterhalb der Filderebene. Das unterscheidet Stuttgart von jeder anderen Großstadt in Deutschland. So ist der Luftaustausch behindert und bei Inversionswetterlagen, wie sie im Winter häufig vorkommen, fast ganz unterbunden. Nun sollen nur noch Euro 6 Diesel reinfahren können. Das erbost viele, weil selbst zwei Jahre alte Diesel nur die Euro 5 Norm erfüllen. Beim Zählen von Plaketten bei den Reihen geparkter Autos fand ich nicht mal diese von etwa 100 Autos hatte nur eines keine Euro 4 Plakette, die Ausnahme war dann auch ein Euro 3 Fahrzeug. Aber vorher hat man es zwei Jahre lang mit freiwilligen Aufrufen versucht. Resultat: gleich Null. Auch hier: Es liegt an den Leuten, die offensichtlich nicht ohne Zwangsmaßnahmen auf ihr Auto verzichten.

Mein aktueller Anlass für den (nicht so neuen Blog) ist ein Gesetz, das gerade erarbeitet wird. Es geht um die Autonomität von Fahrzeugen. Experimentell erprobt könnte sie bald Realität werden. Fahrzeuge de sich selbst steuern. Nun gibt es dann bei einem Unfall die Haftungsproblematik. Wie nicht anders zu erwarten setzt die Automobilindustrie ihre Vorstellung durch: Bei einem Ausfall des Systems soll der Fahrer „unverzüglich“ reagieren. Die Frage ist nun, was „unverzüglich“ ist. Wenn ich das so interpretiere, wie das die Gerichte bisher bei Unfällen machen, mit dem Konzept der Schrecksekunde“ dann wird das herausfordernd. Man hat ja anders als sonst nichts mehr aktiv zu tun. Man müsste also die ganze Zeit aktiv den Verkehr beobachten, ohne selbst gefordert zu sein. Selbst wenn jemand nicht die Zeit anders nützt, um sich mit dem Beifahrer zu unterhalten, zu telefonieren, surfen oder etwas zu essen wird das schon nach einigen Minuten schwer. Ich halte es für realitätsfern. Vor allem habe ich Zweifel, ob solche Systeme wirklich so funktionieren wie gedacht. Sie müssen schließlich jede Situation und sei sie auch noch so unerwartet oder seltsam beherrschen. Jedes System ist aber nur so gut wie die Programmierung und ich kann mir nicht vorstellen, dass man alles einprogrammiert hat, was passieren kann. Der Mensch mag langsamer sein, aber er ist ungleich flexibler als ein Computersystem. Eine Parallele sind die Mechanismen, die wir uns für die Abschaltung von Atomkraftwerken in Havariefällen ausgedacht habe. Die haben schon zweimal versagt und ich wette, sie sind besser durchdacht als Systeme für das autonome Fahren und die Zahl der Probleme ist kleiner. Man kann es auch nicht mit anderen Systemen vergleichen wie beim Fliegen. Wenn dort der Autopilot versagt hat man Minuten, bevor das Flugzeug abstürzt und wenn ein Flugzeug von der „Luftstraße“ abweicht, prallt es auch nicht in die Leitplanke oder fährt gegen ein Haus.

Die Zukunft

Wie würde ich die Zukunft von Politik und Automobilindustrie sehen? Die Politik, indem sie durch gesetzliche Vorschriften die Industrie drängt, ihre Produkte zu verbessern. Das Erste war eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Autobahnen. Die gibt es bei jedem anderen Land in Europa, wahrscheinlich sogar bei den meisten auf der Welt. Eine Beschränkung auf 120 km/h trägt auch der Realität von vollen Autobahnen Rechnung. Vielleicht beginnt dann auch das Umdenken bei den Käufern, die sich dann überlegen ob sie ein Auto mit 200 km/h Spitze brauchen.

Das zweite wäre der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und auch überregionalen Verkehrs. Eine kürzere Taktung und größere Reichweite. Gerade am letzten hapert es: Ich wohne auf der Filderebene, 12 km von Stuttgart und 5 km von Esslingen entfernt. Zu beiden Orten komme ich direkt, nach Stuttgart aber erst durch den Ausbau der Straßenbahn vor 10 Jahren. Vorher, als ich noch studierte, musste ich zweimal umsteigen, um zur Uni zu kommen, und war über eine Stunde unterwegs. Heute ginge es 30 Minuten schneller und mit nur einem Umstieg. Doch schon einen Ort weiter ist es nur noch eine Verbindung zur Außenwelt und einen weiteren Ort weiter und man kann wirklich Probleme. Trotzdem ist mir klar wird man nicht das flache Land so versorgen können. Aber die meisten wohnen in oder in der Nähe von Großstädten und würden vielleicht auf ihr Auto verzichten, wenn der ÖPNV wirklich eine attraktive Alternative wäre. Das Zweite ist der überregionale Verkehr. Der wird nun noch vor allem der Bahn bedient, die bundeseigen ist. Also ideale Voraussetzung, um hier was zu tun. Es gäbe viel zu tun. Das Erste wäre mal das sie pünktlich ist. Denn, wenn ich eine Stunde warten muss, weil ich den Anschluss versäumt habe, dann nützen mir auch Schnellbahnstrecken nichts. Das Zweite ist die Preispolitik. In meinen Augen muss hier etwas getan werden. Es kann nicht sein, das ein Bahnticket teurer als ein Flugticket für die gleiche Strecke ist. Daneben sollte die Politik nicht Elektroautos fördern, die in meinen Augen keine Lösung für das Problem sind – auch hier wird 1 t Automasse bewegt, um 100-200 kg Personen mit Gepäck zu transportieren. Das ist ökologischer Wahnsinn. Gebt eine Prämie für Elektrofahrräder oder Elektroroller. Die gibt es sicher auch mit Dach für schlechtes Wetter, zumindest im Fernsehen habe ich solche Dinger schon gesehen.

Das Umdenken muss aber bei den Leuten beginnen. Wenn ich davon ausgehe, das die meisten Fahrten zur Arbeit gehen, und das tun viele zur gleichen Zeit, so kann man ein Auto teilen. Heute im Zeitalter des Internets müsste das kein Problem sein. Meine Idee: Man legt für jede Stadt definierte Zu-/Ausstiegsstationen im Abstand von 1 km fest (maximal 500 m oder 10 Minuten zu Fuß von jeder Wohnung aus erreichbar). Über eine App kann man dann mit seinem Smartphone angeben, wann man bei einem solchen Punkt starten möchte und wohin. Jeder, der in diese Richtung fährt und zeitlich den Punkt erreichen könnte bekommt das dann als Meldung eingeblendet und der Erste, der den „Auftrag“ annimmt und am nächsten ist, bekommt den Auftrag. Für die Beförderung kann man ein festgelegtes Kilometergeld festlegen. Das hätte zwei Vorteile: Vor allem im Berufsverkehr funktioniert es gut, viele fahren da in die gleiche Richtung. Das entlastet den ÖPNV. Der auch flexibler sein kann z.B. in Zeiten, in denen nicht so viel los ist, kleinere Busse oder einen Wagen weniger bei der Straßenbahn nimmt. Wahrscheinlich wird bei Pendlern, die ja meist feste Arbeitszeiten haben, es bald so sein, dass sich hier feste Paare finden, also Leute, die zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung müssen. Die brauchen dann auch keine App mehr.

Anstatt, dass die Politik autonome Fahrsysteme fördert oder zulässt, sollte sie das Kolonnenfahren fördern. Dabei fährt im ersten Auto jemand aktiv, die anderen werden computergesteuert an dieses erste herangefahren und sie tauschen sich über Aktionen (z.B. Bremsen aus) und können so synchron reagieren. Als Vorteil kann man die Distanzen stark verringern und im Windschatten des ersten Fahrzeugs fahren und so Sprit sparen. Zudem sinkt die Gefahr von Staus die vor allem, das zeigen Simulationen durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer entstehen.

In meiner Vision benutzt man das Auto nur noch wenn man wirklich weite Strecken zurücklegt die nicht in einer Großstadt oder Ballungsgebiet enden also typischerweise im Urlaub oder man braucht es beruflich als Vertreter oder ähnliche Berufsgruppen. Aber beim „normalen“ heutigem Autobesitzer, wird wenn man das umsetzt was ich beschrieben habe es vielleicht einen Punkt geben, wo er eine Rechnung aufmacht: so und so oft brauche ich ein Auto und so viel kostet mich das pro Jahr. Lohnt sich das. Vielleicht geben dann einige das Auto auf. Allerdings, ich glaube nicht, dass es die Mehrheit wird – zur Freude der Automobilindustrie, denn schon heute haben ja viele mehr als ein Auto und mehr als ein Auto kann man physikalisch nicht zur gleichen Zeit fahren. So kostet das Zweite nur, und zwar nicht nur in der Anschaffung, sondern laufend: KFZ-Versicherung, Zulassung, TÜV. Trotzdem haben die Leute schon heute mehr als ein Auto. Daher: Aussterben wird die Automobilindustrie nicht. Gerade dieses Verhalten wird aber wahrscheinlich auch dafür sorgen, dass diese autonomen Fahrsysteme sich nicht auf breiter Front durchsetzen werden. Die Leute wollen ja selbst fahren, sonst könnten sie schon heute oft Alternativen nutzen die bequemer sind und zumindest in Großstädten auch oft Zeit sparen.

Fazit

Solange die Automobilindustrie aber weiter Stahlmonster mit Hunderten von PS baut eminent sie mich an eine Szene aus einem Spielfilm „Das Geld anderer Leute“ aus dem Jahre 1991. In dem Spielfilm spielt Danny de Vito einen Corporate Raider, also jemand, der andere Übernehmen feindlich übernimmt und zerschlägt, um die Vermögenswerte zu verkaufen, ganz im Sinne der reaganschen Politik der Gier. Es gibt da eine Szene in der Danny de Vito eine Rede vor den Aktionären hält. Er sagt, dass es vor 100 Jahren mal unzählige Unternehmen gab, die Pferdekutschen gab. Sie alle sind vergangen und das Letzte hat sicherlich die besten Pferdekutschen gebaut, die es jemals gab. Aber sie haben sich dem Fortschritt nicht angepasst und sind Konkurs gegangen. Genau an das erinnert mich die deutsche Automobilindustrie. Sie ist nicht wirklich innovativ. Sie sorgt durch Schummelsoftware oder politische Aktionen, dass ihre mangelnde Innovation keine negativen Konsequenzen hat und wenn sie innovativ ist, dann vor allem im elektronischen Bereich. Der stammt aber von Zulieferern.

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