Bernd Leitenbergers Blog

Eine neue Verwendung von Sonnensegeln

Hallo, nach einer Woche mal wieder ein Blog. Derzeit gibt es eigentlich nicht viel Neues und zudem habe ich auch so zu tun: ein Auftrag ist rein gekommen und die Steuer muss auch noch heute und morgen erledigt werden (ich dachte es gibt verlängerte Fristen, doch die greifen wohl erst nächstes Jahr). Ich dachte zuerst ich schreibe mal einen wohlmeinenden Artikel über den ersten Start der Elektron, schließlich ist es ein kleines start-up und sie haben mit dem ersten Start immerhin die Grenze zum Weltraum erreicht. Allerdings las ich in den Newsportalen das es nicht wirkliche Nachrichten zum Start gibt. Fotos wurden aus Videos herausgeschnitten und alles was es gibt sind Äußerungen des CEO Beck. Die Parallele zu anderen Firmen über die man nur noch Nachrichten über Äußerungen des CEO erfährt sind frappierend und mit denen habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Also kein Bericht über die Electron. Aber ich bin auf immerhin ein interessantes Projekt gestoßen.

Lange Zeit galten sie als Antriebe der Zukunft, inzwischen ist es doch recht still geworden um Sonnensegel. Sie funktionieren in der Tat wie Segel, nur das sie den Strahlungsdruck des Lichtes nutzen: Jedes Lichtteilchen hat eine bestimmte Energie, die von seiner Wellenlänge abhängt. Nach Einsteins E=mc² kann man dann die dazugehörige Masse berechnen, und da Lichtteilchen ebenfalls per Definition so schnell wie die Lichtgeschwindigkeit sind, den Impuls, den das Licht auf eine bestimmte Fläche ausübt.

Das grundlegende Problem ist, das der Strahlungsdruck des Lichts sehr klein ist – bei vollständiger Reflexion beträgt er knapp 9 N/km². In der Realität ist es weniger, da selbst verspiegelte Oberflächen nur etwa 90-95% des Lichts reflektieren und man für die Festlegung der Richtung das Segel auch so drehen muss das die Photonen im richtigen Winkel abgegeben werden. Realistisch wird man etwa die Hälfte nutzen können.

9 N sind nicht viel. Kleine Raketentriebwerke für Lageänderungen haben etwa 10 N Schub. Ionentriebwerke je nach Stromversorgung einen Schub von 0,01 bis 0,3 N. Ionentriebwerke sind auch die direkten Konkurrenten von Sonnensegeln. Beide nutzen die Energie der Sonne. Sonnensegel direkt, Ionentriebwerke, indem sie das Licht in Strom, umwandeln und den Strom nutzen, um ein Arbeitsmedium zu ionisieren. Und dieses als Antrieb zu nutzen. Das Sonnensegel trotz direkter Nutzung so schlecht abschneiden liegt daran, dass sie nur den Druck der Photonen nutzen, nicht aber die Energie, die in ihnen steckt – sonst würden sie sich stark aufheizen.

Ionentriebwerke brauchen eine Stromquelle mit hoher Leistung bei geringem Gewicht. Und hier gab es bei Solarzellen in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte. Der Wirkungsgrad wurde von 10 auf fast 30% gesteigert, vor allem die Paneele durch Dünnschichtzellen und neue Materialen für das Panel selbst leichter. Zu Beginn der Raumfahrt lieferten Solarzellen die 1 kg wogen rund 10 W. Bis 1980 war man bei experimentellen Paneelen bei 40 W angekommen. Heute erreichen große Arrays mit festen Strukturen >80 W² und flexible Arrays ohne die Rückwand je nach Größe 106 – 170 W/kg. Damit kann man bei gegebenem Gewicht für Solarzellen mehr Leistung erzugen, sprich mehr Schub und schnellere Reisezeit.

Dagegen hat man bei Solarzellen kaum Fortschritte gemacht. Sie bestehen aus einem Trägermaterial, das verspiegelt wird. Das konnte man im Laufe der Jahrzehnte zwar auch um den Faktor 2 leichter machen, aber vergleichen mit dem Faktor 10 ist dies eben deutlich schlechter. BepiColombo wird bald zu Merkur aufbrechen. Sie wird mit Ionentriebwerken von maximal 0,29 N Schub angetrieben. Um diesen Schub bei Merkur zu erreichen, müsste man bei 5 N/km² eine Fläche von rund 5.600 m² betreiben. Dabei sind in diesem Falle die Solarpaneele sogar im Vorteil: Die Solarpaneele kann man bei dieser Entfernung nicht voll ausnützen, da sie bei Merkur sonst überhitzen würden. Man hat sie teilweise mit Spiegeln belegt und dreht sie bis zu 76 Grad aus der direkten Sonnenrichtung. So reichen Bei BepiColombo 40 m² mit Paneelen aus.

Rein theoretisch könnte man Solarsegel noch leichter machen, wenn man nach dem Bedampfen das Trägermaterial wegätzt, sodass nur die dünne Alumniumschicht zurückbleibt, doch wie man diese dann faltet und wieder entfaltet ist noch offen. Auch das Entfalten wirklich großer Segel kann man auf der Erde schon wegen des Plates den sie brauchen kaum testen.

Ein amerikanisches Start-Up hat nun aber Solarsegel wieder aufgegriffen. Jedoch nicht als Antrieb. Die Firma will vielmehr die große Fläche nutzen, um die Erde zu beleuchten. Die Rechnung ist relativ einfach: Ein heller Sonnentag hat rund 100.000 Lux Helligkeit. Für die Straßenbeleuchtung sind 1-10 Lux vorgeschrieben. Würde man mit einem Sonnensegel die Sonne auf die Erde reflektieren und über eine größere Fläche verteilen so reicht 1 m² aus, um 1 Hektar mit 10 Lux zu beleuchten. Das spart die Stromkosten für die Beleuchtung. In Deutschland gibt man für 4 Milliarden Kwh rund 1 Milliarde Euro pro Jahr aus. In Deutschland sind 8% der Fläche bebaut. Würde man diese 27.200 km² mit einem Sonnensegel beleuchten, so könnte sich ein System lohnen, wenn es über die Betreibsdauer dieselbe Summe kostet.

Die Firma SolarLux hat nun genügend Geld von Investoren gesammelt, um den ersten Erprobungsschritt zu gehen. Dabei wird das Sonnensegel als Piggi-Backnutzlast mit einem Kommunikationssatelliten gestartet. Die Nutzlast soll nicht mehr als 100 kg wiegen, davon entfallen nur die Hälfte des Gewichts auf das Sonnensegel. Es gelangt in einen GEO-Orbit trennt sich vom Satelliten und wird entspannt. Diese erste Nutzlast soll erproben, ob das Konzept funktioniert, wie stark das Licht auf der Erde aufgefächert wird und ob die Kontrolle der Ausrichtung über kleine Segel an den vier Seiten funktioniert. Schließlich muss das Segel der Sonne nachgeführt werden. Dieses erste Segel wird nur etwa 5.000 m² Fläche haben, genug um 0,5 bis 5 km² zu beleuchten.

Funktioniert dies, so folgt in einigen Jahren dann der erste Einsatzsatellit. Er hat ein viel günstigeres Verhältnis von Gesamtmasse und Segel, dieses macht dann schon 90 % der Masse aus. Bei 2000 kg im Orbit soll er 225.000 m² Fläche haben. Aussreichend um ein ganzes Ballungsgebiet zu beleuchten. In Phase die will man die Solarsegelschon in einem mittelhohen Erdorbit entfalten und zum hochspiralen nutzen. Das verdoppelt bis verdreifacht die Nutzlast.

Die Rechnung sieht so aus: Ein Satellit wird 60 bis 90 km² beleuchten. Dafür werden die Stromkosten eingespart. Einmal im Orbit kann er sehr lange betrieben werden. Die Solarzellen zur Stromversorgung der Elektronk werden auf den dreifachen Bedarf ausgelegt, was für mindestens 50 Jahre Betrieb reicht.

Ich bin allerdings skeptisch. Selbst wenn man in Deutschland nur die Städte beleuchtet, so bräuchte man rund 90 Satelliten, die dann etwa ¾ der Stromkosten einsparen würden. Das wären nur 8 Millionen Einsparung pro Satellit und Jahr. Ein Investor müsste also sehr langfristig denken (in 50 Jahren sind es dann 400 Millionen Euro) oder die Firma spekuliert auf eine rapide Senkung der Starkosten, denn der Satellit ist relativ einfach: er besteht zu 90% aus dem Segel und Streben (nur Mechanik) und einem relativ kleinen preiswerten Satelliten, der auf Basis eines kommerziellen Busses entwickelt werden kann. Er benötigt nur einen Kommandoempfänger, um das Segel notfalls durch Stellkommandos zu bewerkstelligen, wenn die Automatik versagt.

In Foren wird auch spekuliert, dass der angepeilte Markt nicht die heutigen Industrieländer sind, sondern Entwicklungs- und Schwellenländer. Muss man erst die Infrastruktur schaffen, das heißt überall Straßenlampen aufstellen so sieht die Rechnung ganz anders aus. Zudem wird das Segel um so wirtschaftlicher je kleiner die Anforderungen sind – für Wohngebiete beträgt bei uns z.B. die Mindestanforderung nur noch 1 Lux (etwa 4-mal heller als der Vollmond), dann kann man die zehnfache Fläche beleuchten. Umgekehrt soll auch schon das Militär angeklopft haben. Theoretisch kann man die Segel auch parabolisch aufspannen. Sehr große Satelliten sind so wegen des höheren Platzbedarfes nicht möglich, trotzdem könnte ein Satellit eine größere Zone in einen Glutofen verwandeln, wenn er tagsüber das Licht zusätzlich zur Sonne hinzustrahlt. Er könnte dafür sorgen, dass es nie wirklich Nacht wird, was sowohl kurzzeitig bei militärischen Operationen, wie auch langfristig (Schlafentzug beim Feind) von Vorteil wäre. Das das Militär an so was forscht, sieht man an schon einsatzbereiten Produkten herauskam so die Mikrowellenkananone, die durch Mikrowellen die Haut aufheizt. Das Militär hat sie als zu unwirksam erachtet, aber für die Polizei ist sie inzwischen als Ersatz für Wasserwerfer im Einsatz.

Wenn einmal ein Segel entfaltet wird, so wird es im erdnahen Raum sehr prachtvoll aussehen. Die größten geplanten Satelliten werden dann über 400 m Kantenlänge haben, man wird sie sicher nicht unterhalb 1000 km Höhe entfalten können, sonst würden sie durch die Atmosphäre abgebremst, aber dann werden sie eine eindrucksvolle Erscheinung sein. Der Ballonsatellit Echo war nur 40 m groß und zog in 1350 km Höhe seine Kreise. Trotzdem war er als heller Stern zu sehen. Selbst im GEO-Orbit wird man sie als helle Sterne wahrnehmen können.

Wenn ein Satellit ausfällt, so wird ohne dauernde Lageregelung er seinen Orbit nicht halten können. Er wird im Betrieb der Sonne nachgeführt, sodass sich der zusätzliche Impuls einmal addiert und einmal subtrahiert, er behält also seine Position und Bahn. Ohne diese Nachführung wird er vom Strahlungsdruck innerhalb von wenigen Jahren auf einen Fluchtkurs gebracht. Zumindest Weltraummüll entsteht so nicht.

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