Bernd Leitenbergers Blog

Buchkritik: Wernher von Braun: Bemannte Raumfahrt

Eines der tollen Dinge am Internet ist, das man viel einfacher als früher an antiquarische Bücher kommt, also Bücher, die nicht mehr verlegt werden. Für mich sind diese antiquarischen Bücher aus zwei Gründen wichtig. Zum einen sind sie wichtige Zeitdokumente, weil in vielen nicht nur Technik beschrieben ist. Sondern sie geben auch oft den Zeitgeist wieder oder auch wie man sich damals die Zukunft vorstellte. Das mit der Erfahrung, wie es tatsächlich gekommen ist, ist immer interessant, bisweilen auch amüsant.

Der zweite Grund ist, das alte Bücher oft mehr über Technik enthalten als neuere oder aktuelle. Angeblich wird die Menschheit ja immer schlauer, doch zumindest bei Raumfahrtbüchern stelle ich den gegenteiligen Trend fest. Es gibt immer mehr Erdzählbücher und immer weniger technische Bücher. Das ist nicht nur auf die Bücher beschränkt. Schaut man nach aktuellen Informationen über Trägerraketen oder Raumsonden, so gestaltet sich das schwieriger, als über alte Missionen etwas zu finden. Das Informationsoptimum lag vor als das Internet noch ein junges Medium war so von 1995 bis 1999. Damals wurden auch tiefer gehende technische Informationen veröffentlichten. Die FAQ behandelten nicht nur einfache Fragen, sondern gingen ebenfalls in die Tiefe. Beispiele für Missionen sind z. B. Pathfinder, Galileo, Cassini. Einen mehrteiligen Bericht wie über Cassini oder Galileo über etwas Aktuelles wie OSIRIS-Rex oder BepiColombo zu schrieben ist heute unmöglich. Ich vermute, damals gab es noch keine professionelle Abteilung für den Webauftritt, also hat man von den Projekten die Leute das selbst machen lassen. Sobald man Profis ran lässt bekommt man zwar einen optisch viel besseren Webauftritt, dafür geben die nur das weiter was sie selbst verstanden haben und das ist dann eben bedeutend weniger. Kurzum: Optik x Informationsgehalt = Konstant.

Aber zurück zum Buch „Bemannte Raumfahrt“ von Wernher von Braun. Wernher von Braun hat relativ wenige Bücher selbst geschrieben, meist war er nur Coautor und wenn man seinen Namen bei Amazon eintippt findet man mehr über ihn als von ihm. Dieses Buch entstand aus einer Sammlung von Aufsätzen die er für die Zeitschrift Popular Science geschrieben hat. Der Stand der Artikel ist vom Jahr 1967. Zwei Ereignisse die erwähnt werden sind der Brand von Apollo 1 und der Jungfernflug der Saturn V, beide fanden 1967 statt. Wie bei einer Sammlung von Artikeln anzunehmen, deckt das Buch nicht den Themenbereich komplett ab, vielmehr bekommt man einen Einblick in einzelne Aspekte der Missionen. Wernher von Braun hat es verstanden die einzelnen Artikel gut thematisch zusammenzufassen, sodass man dies als Laie nicht merkt. Als Fachkundiger bemerkt man aber die Lücken. Das Buch soll ja auch kein Lehrbuch sein, sondern wendet sich an den nicht vorgebildeten Leser. So findet man kaum Formeln, dafür Handskizzen, was mir bisher bei keinem anderen Buch über Weltraumfahrt vorkam. Doch diese Skizzen sind gut, erklären viel.

Ich kenne mich ja schon ein bisschen über Raumfahrt aus, doch selbst ich konnte noch was dazulernen. So, wie die Kameras funktionieren die man bei den ersten Saturn-Flügen in den ersten Stufen mitführte und später geborgen hat. Die haben auch die Stufentrennung der S-IB von der S-II gefilmt. Eine Szene, die man aus Berichterstattung von Apollo gut kennt. Ebenso konnte ich dazu lernen wie Bahnverfolgung der Saturn funktionierte und das Bodennetzwerk bei Apollo organisiert wird.

Mir gefiel vor allem der erste Teil sehr gut. Wernher von Braun beschreibt allgemeinverständlich und gut die Funktionsweise von Raketen, zu lösende Probleme oder wie die Lenkung funktioniert. Hätte er sich auf diesen Themenbereich beschränkt und mehr Themen angesprochen, man könnte das Buch heute noch als Einführung in die Raumfahrt empfehlen. Das ist aber nur ein Teil des Buches. Es gibt noch drei weitere. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der bemannten Raumfahrt. Er ähnelt noch dem ersten Teil, nur eben übertragen auf bemannte Raumfahrt. So erfährt man, wie Brennstoffzellen funktionieren und der Weltraumanzug aufgebaut ist. Im dritten Teil über die Landung auf dem Mond, geht es dann schon um die Zukunft. Diese wird beschrieben und es werden Ausblicke über erweiterte Mondmissionen gegeben. Von diesen Projekten, die bis hin zur Mondstation gingen, wurde nur das Mondmobil umgesetzt. Der vierte Teil geht dann auf die Marsexpedition ein, die 1986 stattfinden sollte, sowie die Zukunft. Es werden die nukleare Rakete und Photonenrakete beschrieben, inklusive ihrer Probleme bei der praktischen Nutzung.

Natürlich wirft Wernher von Braun einen Blick auf die Zukunft. Er prognostiziert die Weltraumfähre (englisch „Space Shuttle – die direkte wörtliche Übersetzung und das zwei Jahre bevor die ersten Planungen begannen) und macht Voraussagen, was man mit einem um den Faktor 10 reduzierten Startkosten alles anfangen könnte. Ich bin ja schon im Blog drauf eingegangen – man sieht die Zukunft mit der Perspektive von Jetzt. So arbeiten in von Brauns Zukunft Astronauten im All und führen dort Montagearbeiten aus. Damit sie das effektiv können natürlich unter künstlicher Schwerkraft. Auch das gehört zu dem Reiz historischer Bücher. Man bekommt eine Ahnung welche euphorische Stimmung damals herrschte – verständlich. Als das Buch geschrieben wurde, erreichte das Apollo-Budget seinen Zenit. Selbst wenn Wernher von Braun nur annimmt, das dieses Budget dauerhaft erhalten bleibt, dann wären alle diese Visionen umsetzbar, denn das sind zehnmal mehr Mittel als die NASA heute hat. Damit könnte man auch heute eine Fabrik im Weltraum aufbauen. Die Mars Expedition, die vor 21 Jahren stattfand, wäre dann auch ein Klacks.

Mein Fazit

Ich kann das Buch jedem der sich für Raumfahrt interessiert, uneingeschränkt empfehlen. Es kostet heute antiquarisch unter 10 Euro, dafür bekommt man 270 Seiten mit Informationen die man nicht überall findet. Eine Lektüre die leicht lesbar ist, die auch Eingeweihten in manchen Kapiteln noch neues vermittelt. Laien profitieren von der guten Erklärung, wie Raketen funktionieren und man bekommt ein Gefühl für die Stimmung in dieser Zeit.

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