Bernd Leitenbergers Blog

Faktenbasierte Politik: die Automobilindustrie

Eines der Dinge ich mich nerven, ist das Journalisten sagen, Merkel würde anders Politik machen als „andere Politiker“ weil sie Physikerin ist und eine Sache voll durchdenken oder von hinten angehen.

Keine Ahnung wie sich die Journalisten vorstellen, welche Gedankenwelt ein Physiker hat, aber damit hat Merkels Politik nichts zu tun. Ich sehe eigentlich keinen großen Unterschied zu Kohl:

Von einem Naturwissenschaftler erwarte ich, dass man Politik macht, die den Fakten Rechnung trägt und die zukunftsorientiert ist und nicht nur auf den nächsten Wahlsieg schielt, kurzum, eine rationale Politik. In der losen Reihe will ich dies mal bei einigen Themen anschneiden, wie ich mir die Lösung vorstelle. Ich bin ja auch Naturwissenschaftler und ich denke ich komme zu komplett anderer Politik als Merkel wenn ich die Grundprinzipien anwende die ich in meinem Studium beim Verifizieren von Theorien und dem Durchdenken von Entwicklungen bis zum Schluss gelernt habe.  Heute mit einem aktuellen Thema – der Automobilindustrie und wie die Politik hier auf eine Ökowende hinwirken kann.

Ich will Zetsche und die anderen CEO nicht aufschrecken, aber ich will mal mit einem Faktum beginnen, das mir seit der Ölkrise bewusst ist, und da war ich acht: Rohöl ist endlich, es wird immer teurer und die Araber können uns den Hahn zudrehen oder Preis diktieren.

Für mich resultiert, wenn ich ein Produkt baue, das direkt von einem Rohölprodukt abhängt daher zweierlei:

Gerade das tut die Automobilindustrie nicht. Da die Industrie gut verdient, denke ich auch nicht, dass der Staat Prämien geben sollte, übrigens auch nicht, wenn mal der Absatz einbricht, wie 2009 mit der Abwrackprämie. Es muss Eigeninteresse der Industrie sein, nach Alternativen zu forschen. Das ist meiner Ansicht nach übrigens nicht das Elektroauto, zumindest nicht in der Form, wie es dieses heute gibt, aber in anderer Form.

Einfacher und eigentlich selbstverständlich sollte es sein, die Abhängigkeit zu reduzieren, sprich den Spritverbrauch zu reduzieren. Doch auch hier sehe ich keine Bewegung. Nur mal als Beispiel: Der Golf 1 hatte einen 37 bis 82 kw Ottomotor (Diesel nur bis 51 kW). Der aktuelle Golf 7 einen 63 bis 265 kW (Diesel bis 125 kW) Motor. Die Motorisierung ist also angestiegen, man sollte das Gegenteil annehmen. Hier kann die Politik eingreifen: Wir sind soweit ich weiß das einzige Land ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen. Zeit sie einzuführen, als Vorschlag genauso hoch wie in den Nachbarländern. Dann machen so hohe Motorisierungen keinen Sinn, mehr in der Praxis kann man schon heute kaum die Geschwindigkeit nutzen, dazu sind die Autobahnen zu voll.

Ich sehe es nicht als die Aufgabe der Politik eine Technologie zu fördern also Elektro, Hybrid, LNP oder Wasserstoff, aber die Politik sollte dafür sorgen das sich jeder Bürger effizient von A nach B bewegen kann, und zwar nicht nur wenn er ein Auto hat.

Dazu gehört bei mir zuerst mal, dass jedermann für jedes Fahrzeug einen Stellplatz vorweisen muss. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo man durch Straßen fahren konnte, ohne bei Gegenverkehr anhalten zu müssen. Heute sind die Straßen zugeparkt. Nicht mal bei Neubauten fordert man die Zahl der Stellplätze / Garagenplätze. Ich komme zweimal in der Woche durch ein Neubaugebiet – pro Wohnung ein Stellplatz gefordert. Doch meistens hat eine Familie zwei Autos – die Straßen sind genauso zugeparkt wie woanders auch. Da Straßen öffentliches Eigentum sind, ist das Parkverbot leicht durchzusetzen – einfach globales Parkverbot mit Ausnahme von Zonen, wo es Geschäfte gibt.

Eine Ausnahme von der Regel sehe ich: Wenn ich will, dass die Automobilindustrie zuerst mal effizientere Fahrzeuge baut, was sie heute nicht tut, dann kann ich über Parkerlaubnisse einen Anreiz schaffen. Ein effizientes Fahrzeug ist für mich eines das dem Bedarf angebracht ist – meistens sehe ich nur einen oder zwei Personen in einem Auto. Also sollte man kleine Autos wie einen Smart oder Mini fördern. Sie könnten eine Ausnahme vom Parkverbot erhalten. Allerdings auch gekoppelt an Effizienz, z.B. einer Maximalmotorisierung oder Maximaltreibstoffverbrauch. Vielleicht setzt die Industrie dann auch mehr auf leichtere Materialien anstatt überflüssigen Schnickschnack. Die gibt es ja schon. Man muss nicht mal die sonst gerne als Superwerkstoffe zitierten kohlenfaserverstärkten Kunststoffe zitieren – normaler im Großmaßstab produzierter Glasfaserverstärker Kunststoff, der fast genauso belastbare Vorgänger würde es auch tun. Schon er ist bei gleicher Belastung leichter als Stahl und wird z.B. im Flugzeugbau eingesetzt.

Die zweite Ausnahme gibt es für eine effiziente Nutzung von Autos. Heute dürfte es durch die IT-Infrastruktur kein Problem sein ein Carsharing Netz aufzubauen, und zwar flexibel. Also nicht nur, wenn jemand immer zur gleichen Zeit zum Büro fährt. Technisch sehe ich kein Problem eine App zu entwickeln, in der man den Startpunkt und Zeit eingibt, an einen Server werden die Infos geschickt, er sucht sich aus gemeldeten „freien“ Fahrzeugen das aus, das am nächsten der Position ist und Richtung Ziel fährt und schickt es zum Abholen. Auch für diese könnte man eine Ausnahme vom Parkverbot machen. Das würde sich auch für alle lohnen denn das Befördern muss ja nicht umsonst sein. Heute kann man bequem per Handy zahlen. In Schweden hat man so den bargeldlosen Zahlungsverkehr schon eingeführt.

Wo die Politik aktiv werden sollte, ist aber bei der Infrastruktur. Wenn ich eine zeitlich erträgliche Beförderung von A nach B genauso als Grundrecht sehe wie der Zugang zu schnellem Internet, Stromversorgung und Wasserversorgung – und das ist es auch, wenn wie heute üblich die meisten zur Arbeit pendeln müssen – dann muss der Staat wie in den anderen genannten Gebieten eingreifen, um die Infrastruktur bereitzustellen.

Das heißt: Ausbau des ÖPNV, Ausbau des Bahnnetzes anstatt Schließung von Strecken, höhere Taktung. Es bedeutet auch mehr Flexibilität: Bei uns ist der Bus groß, er wird aber nur zu den Stoßzeiten voll. Warum nimmt man nicht bei den anderen Zeiten einen kleineren mit halb so vielen Sitzplätzen? Analog fahre ich immer, wenn ich nach Nesselwang gehe, das letzte Stück von Kempten aus mit der „Bummelbahn“ – 38 Minuten für 27 km und das nur einmal pro Stunde. Auch hier hat man zwar den kleinsten Zug (einen Waggon) aber auch der wird kaum voll. Langfristig könnte man bei der Schiene auf autonome kleine Vehikel übergehen, die schon in Szenarien durchgespielt sind und auch technisch möglich sind – es sind computergesteuerte Vehikel in die einige Personen hineinpassen und die nach bedarf Haltestellen anfahren. Sie fahren auf Hauptstrecken in Kolone und nach dem nächsten großen Bahnhof trennt sich die Kolonne wieder nach Zielen. Computer können heute das durchführen und auch die autonome Steuerung inklusive Abbremsen bei Hindernissen ist kein Problem – es gibt bei der Bahn ja nicht so viele Einflussfaktoren wie im Straßenverkehr.

Wenn die Politik Technologien fördern will, dann natürlich nur solche, die in ihrem Interesse sind, aber nicht unbedingt in der der Industrie. Diese Kolonnenfahrt wäre so was. Das wäre auch für Autos möglich, wobei aber alle Autos das bieten müssten und das mit dem Hauptverkaufsargument der Automobilindustrie kollidiert: Diese will ja nicht Beförderungsmittel verkaufen, sondern „Lifestyle“ und viele haben auch ein überdimensioniertes Auto als Statussymbol. Anders kann ich mir die Flut von SUV aber auch Kombis nicht erklären. Daher sehe ich auch dem Vorhaben, das man nicht mehr selbst lenken soll (autonome Fahrzeuge und Fahrassistenten), kritisch gegenüber, denn das ist doch das, was die meisten wollen. Einfache Probe aufs Exempel: lassen sie doch einfach mal konsequent ihren Partner ans Steuer und beobachten sie sich selbst …

Das Wichtigste ist aber das die Politik die Randbedingungen schafft, das man gar kein Auto braucht. Das zu gehört mehr Fahrradwege, ein System, bei dem man Fahrräder ausleihen kann (auch mit Elektroantrieb, sonst wird es z.B. in Stuttgart bei 200 m Höhenunterschied zu den Vororten nichts).

Zurück zum Thema Elektroauto. Ich maße mir nicht an zu sagen, ob dies die beste Technologie ist. Ich denke zumindest Erdgas verflüssigt unter Druck wäre eine nähere Untersuchung wert – man kann zwar auch nicht so viel tanken wie bei Benzin, aber das geht wenigstens schnell. Erdgas ist zwar auch endlich, aber es gibt mehr davon als Erdöl und man könnte es begrenzt auch aus organischem Abfall erzeugen. Aber wenn ich wirklich auf Elektroautos setze, dann als Ergänzung zu einer guten Verkehrsinfrastruktur die anders als heute eine Alternative zum „normalen“ PKW ist. In einer solchen Infrastruktur brauche ich einen Wagen, um vielleicht von einem Vorort bis zur nächsten größeren Stadt zu fahren, wo ich umsteigen kann oder um Einkäufe zum machen – bei mir ist der Discounter zwar vor Ort, aber 1,2 km von meiner Wohnung entfernt. Der Aldi Markt hat übrigens rund 10 Fahrradstellplätze und rund 100 Parkplätze … Dazu reicht aber dann eine Batterie, die auf diese Strecke, sagen wir mal maximal 40 km ausgelegt ist. Damit ist die Batterie viel leichter, und wenn das Auto dann nur ein Zweisitzer aus GFK-Werkstoffen ist und entsprechend wenig Masse hat, dann kann ich darin auch einen gewissen Sinn erkennen. Ansonsten halte ich aus Effizienzgründen nichts von der Technologie: es macht keinen Sinn 1.000 kg Fahrzeug zu bewegen, wenn die Nutzlast (Person und Gepäck) 100 kg wiegen, der Energiespeicher aber 300 bis 400 kg. Da stimmt anders als bei einem Elektrofahrrad oder Elektroroller einfach der Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen nicht.

Es gäbe sicher, wenn man dies konsequent umsetzen würde, weniger Autos, dafür wären die dann auch wenigstens voll. Ich sehe das auch nicht als schlimm an. In meiner Erinnerung kam man auch in den Siebzigern mit weitaus weniger Autos als heute gut aus. Insgesamt halte ich das Auto in der heutigen Form für unerhöht ineffizient: 20.000 € Anschaffungskosten, nur um sich fortzubewegen, wenn es auch Alternativen gibt, dazu noch jährliche Kosten in ebenfalls vierstelliger Höhe. Bequemlichkeit ist viel wert, aber so viel? Man hat es mal ausgerechnet. Ein Autofahrer gibt über sein Leben im Durchschnitt 332.000 Euro für das Auto aus – dafür könnte er sich auch ein komfortables Eigenheim leisten und würde sich jeden Monat die Miete sparen.

Ich denke, wenn es genug Alternativen gibt, die auch gut sind, dann verzichten viele von alleine auf das Auto,

Vergleichen wir das nun mit der realen Politik:

Die wird von der Autolobby bestimmt. Es ist ja nicht mal so das die Politik überhaupt die Intension hat den Automobilherstellern irgendetwas vorzuschreiben. Nur einige Dinge die mir ohne viel nachzudenken spontan einfallen:

Ich stelle fest: VW, Daimler und Co fertigen ein Produkt, dessen Abgase die menschliche Gesundheit schädigen, und halten gesetzliche Vorschriften nicht ein. Jeder andere hätte nun einen Prozess am Hals. Wenn sie eine Heizung haben, welche die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhält, wird die stillgelegt. Doch nicht so bei den Automobilherstellern. Die dürfen weiter die Umwelt verpesten und das jedes Jahr 38.000 Menschen weltweit durch Dieselabgase sterben.

Nicht mal eine Nachrüstung wird durchgesetzt. Dabei sollte das selbstverständlich sein. Soweit ich noch die gesetzlichen Regeln für die Gewährleistung im Kopf habe, ist das ein Produktmangel: Ein Produkt hat einen Mangel und das berechtigt bei jedem anderen Produkt den Konsumenten das Produkt zurückzugeben oder gegen eines, ohne den Mangel auszutauschen. Vorher muss er dem Hersteller Gelegenheit geben, den Mangel zu beheben. Hier wird von der Politik verordnet, dass deutsche Hersteller aus dieser Verantwortung entlassen werden, während sie in den USA zweistellige Milliardenstrafen zahlen müssen.

Dabei ist die Masche so uralt wie doof, trotzdem fallen Politiker immer drauf rein. Es muss nur einer rufen „Das kostet Arbeitsplätze“, schon kuschen alle. Hallo wie geht es im Land der politischen Dummköpfe? Wenn die Automobilhersteller nachrüsten müssen, dann können sie das von ihren üppigen Gewinnen bezahlen. Alleine Daimler hat dieses Jahr 2,72 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. (Okay ich habe auch was davon bekommen) davon werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Aber wenn in ganz Deutschland für 2,72 Milliarden Euro Autos nachgerüstet werden, das würde bei 1000 Euro pro Auto für knapp 3 Millionen reichen, dann schafft das eine Menge Arbeitsplätze. Bei Daimler und den Zulieferern, wo die Umrüstsätze hergestellt werden, und bei den vielen Werkstätten, wo sie eingebaut werden.

Man muss mal woanders hinschauen. Erinnert sich noch jemand an den Pentium Bug? 1995 entdeckte ein Mathematikprofessor, dass sich der Pentiumprozessor verrechnete. Nicht immer, nur bei bestimmten Zahlenkombinationen und selbst da war das Ergebnis nicht komplett falsch sondern nur bei Divisionen ab einigen Nachkommastellen falsch. So fiel der Fehler auch erst 2 Jahre nach Herauskommen des Chips auf. Intel hatte ihn sogar schon vorher entdeckt und stillschweigend korrigiert. Intel weigerte sich anfangs, umzutauschen. Argumentation: Das käme bei einem durchschnittlichen Anwender nur alle paar Tausend Stunden bei einer Rechnung (von mehreren Millionen pro Sekunde) vor. Der öffentliche Druck nahm aber zu und so tauschte Intel 1995 jeden Pentiumprozessor der betroffen war um. Das war so teuer, das es bis heute das einzige Quartal der Firmengeschichte ist, wo die Firma Verluste in Milliardenhöhe machte. Gegen diesen Mangel ist der Dieselskandal ein echter Supergau.

Es verlangt ja kein Mensch, dass die Automobilhersteller pleitegehen, nur das Sie ihren Gewinn, sagen wir mal für zwei Jahre für die Umrüstung verwenden. Was Arbeitsplätze kostet, ist letztendlich die Politik der Regierung, die die Automobilindustrie stützt. Eine Industrie die nicht fähig ist sich von einem eingefahrenen Geschäftsmodell zu trennen, das langfristig zum Scheitern verdammt ist. Eine Industrie, die es nicht fertigbekommt, ihre Produkte effizienter zu machen oder wenigstens auf eine neue Antriebstechnologie umzusteigen. Es dürfte doch jedem klar sein, dass eine solche Industrie, egal wie viele Arbeitsplätze sie heute sichert, dem Untergang geweiht ist. Anstatt das die Politik dafür sorgt, dass Sie sich wandelt und so die Arbeitsplätze wirklich sichert, stützt sie das bisherige Modell. Das kostet dann wirklich Arbeitsplätze, aber da Merkel und Co maximal bis zur nächsten Wahl denken, wird sich da nichts tun. Das ist auch das was ich schon anfangs kritisierst habe – heute denken Politiker nicht langfristig. Das zeigt auch der Dieselgipfel. Nur zur Erinnerung: Der Skandal wurde im September 2015 aufgedeckt. Warum erst jetzt ein Dieselgipfel? Vielleicht weil in knapp zwei Monaten gewählt wird? Ein Schelm wer Böses dabei denkt…

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