Bernd Leitenbergers Blog

Up, Up and Away

Eine zweite Möglichkeit für eine Venuslandesonde länger zu senden wäre folgende: Sobald die Landesonde gelandet ist, macht sie die Aufnahmen, bläst gleichzeitig einen Ballon auf und der trägt sie dann ganz schnell wieder in eine sichere Höhe. Dort hat man genügend Zeit die Daten zu übertragen und könnte dann den Ballon ablassen und wieder sinken, so bekäme man zwei Landeplätze untersucht, ja bei genügend Gas sogar mehrere. Doch geht das? Zeit dem Mal nachzugehen.

Der Mechanismus ist relativ einfach. Bei gegebenem Druck und Temperatur nimmt jedes Gas ein bestimmtes Volumen ein. Gase aus unterschiedlichen Molekülen wiegen aber unterschiedlich viel. Die Atmosphäre der Venus besteht aus 96,4 % Kohlendioxid mit kleinen Spuren anderer Gase. Die mittlere Molmasse beträgt 43,5. Wir würden für einen Ballon Wasserstoff (Molmasse 2) oder Helium (Atommasse 4) als Gas nehmen. Wie viel Gas wir benötigen, lässt sich dann leicht berechnen. 1 Mol Venusatmosphäre wiegt 43,5 g. 1 Mol Helium nur 4. Damit unsere Sonde nur schwebt, kann pro Mol Helium also 39,5 g angehoben werden. Oder pro Kilogramm Helium 9,75 kg Sonde. Damit kann man eine erste Abschätzung machen. Nehmen wir an wir setzen 60 kg Helium ein. Die Größe ist nicht willkürlich gewählt, das ist in etwa die Menge, die in 3 Heliumflaschen für die Ariane 5 stecken – die fassen bei 300 l und 400 Atmosphären 21,4 kg Helium pro Flasche. Leider wiegt eine Flasche aber auch 93 kg, sodass wir von den rund 585 kg die wir anheben, können schon mal 279 kg für die drei Flaschen abziehen können. In der Praxis sogar mehr, da man sie bei 90 Bar Außendruck nur zu ¾ leer machen kann. Man könnte zwar im Druck höher gehen (der Prüfdruck ist um den Faktor 1,5 höher, der Berstdruck um den Faktor 2), aber sie wird ja auch wärmer, wenn auch wegen der dicken Hülle nicht so schnell und damit steigt der Druck an.

Das Nächste ist der Auftrieb. Der Auftrieb entspricht der verdrängten Luft. Am Boden hat die nach Venera eine Dichte von 0,0635 g/cm³. Würde nun unser Gefähr genauso viel wiegen wie die verdrängte Luft, so schwebt es. Damit es aufsteigt, muss es weniger wiegen und die Geschwindigkeit ist dann einfach F/m. Bei Venusbedingungen würden so schon 10,1 m³ Volumen ausreichen, damit die Sonde schwebt. Bei 12 m³ beschleunigt der Lander mit 0,18 m/s. Dehnt sich der Ballon auch simultan zur Druckabnahme aus, der Außendruck nimmt ja ab, so würde man nach 730 s 48 km Höhe erreichen, in denen eine Temperatur von etwa 80 Grad herrschen. Das halte ich für langfristig tolerierbar für eine Sonde. Mann könnte das innere dann auf 40-60 Grad mit vertretbarem Aufwand kühlen.

Das Problem: Die Dichte ist dort 34-mal kleiner, der Ballon muss sich also um die gleiche Menge ausdehnen. Bei der Erde erreichen aber Ballone 50 km Höhe, da beträgt das Druckverhältnis sogar 1:875.

Das leitet zum letzten Punkt über – das Material für den Ballon. Er müsste elastisch sein, da bei Entfalten ein Druck von 90 Bar herrscht, beim Aufstieg geht er auf unter 3 Bar zurück. Das Problem: ich kenne keinen Kunststoff der 460 bis 480 Grad aushält und auf die Temperatur kommt die Hülle, die ja dünn ist recht schnell. Teflon als beständigster Kunststoff auf Kohlenstoffbasis kommt lange nicht hierhin. Silikone erreichen den Temperaturbereich doch, ob sie so elastisch sind?

Immerhin bei einem Hersteller steht drin, woraus seine Kunststoffe bestehen: Glimmerpapier mit Silikonharz. Die abgebildeten Werkstücke sind aber alle in einer festen Form, also nicht in einer Folie. Wenn dies möglich wäre, so könnte man einen solchen Kunststoff einsetzen. Wenn man die leeren Heliumflaschen abtrennt, die muss man ja nicht mitschleppen, dann würde man für einen Ballon von 70 m³ Volumen einen Ballon von etwa 5,2 m Durchmesser, bei 1 mm Stärke und Dichte 2,2 wiegt der alleine 152 kg, was dann nicht mehr viel für die Landesonde übrig lässt.

Eine Alternative wäre Metallfolie. Sie ist nur kaum elastisch. Man wird sicher einen Ballon aus Aluminiumfolie bauen können, aber ob dieser es aushält aufgeblasen zu werden ohne Leck?

Rein theoretisch könnte auch die ganze Kapsel schweben. Nehmen wir nochmals obige Gasflasche für Helium von EADS. Da nach der Kesselformel, die Masse eines Behälters nur vom Druck, nicht aber Volumen abhängt, würde sie bei 90 Bar (nun Außen, nicht Innendruck) nur noch 21 kg wiegen. Die 300 l die sie fasst wiegen (als Venusatmosphäre) 19,1 kg, also nur wenig darunter. Wenn man nun die Kapsel intern unter Druck setzt, kann man die Wanddichte verkleinern – das Equipment müsste das natürlich aushalten. Ein Massenspektrometer wäre so außen vor, aber Temperatur + Drucksensoren aber auch Kameras und Elektronik hätten wohl kein Problem damit (bei Kameras müsste man eben Belüftungslöcher in die Tuben einbringen). Dann könnte man eine Kapsel mit einer dünnen Hülle fertigen uns müsste die nur beim Abstieg unter Druck setzen, immer etwas höher als der Außendruck, damit sie fällt. Der Fall dauert dann natürlich auch sehr viel länger. Am Boden angekommen wirft man die verbrauchte Gasflasche ab, entlässt eventuell etwas Gas, aber nicht zu viel, dass die Hülle noch standhält, und steigt auf. Während des Aufstiegs muss man dann laufend weiter Gas ablassen, bis man in Zielhöhe gekommen ist. Da man nun leichter ist als am Anfang geht das nur einmal, außer man lässt Venusatmosphäre ein, was aber dann die Kapsel beim Sinken recht schnell aufheizen würde.

Als Resümee: Vielleicht klappt es theoretisch, praktisch würde ich mich nicht drauf verlassen. Was ich für möglich halte, wäre eine Pendelsonde, die zwischen einer Höhe die einen längeren Betrieb ermöglicht und einer Höhe pendelt, in der man den Boden sieht. Wann man den Boden sieht, weiß man nicht. Es gibt nur Daten über die Aerosole, die unterhalb der Wolken drastisch abnehmen. Aber selbst kleine Mengen reichen bei der dichten Atmosphäre aus, um die Sicht zu trüben. Ein Beispiel habe ich direkt vor der Haustür. Ich kann die etwa 50 km entfernte schwäbische Alb sehen. Doch selbst nach Regen, wenn die Luft klar ist, sieht man da nur wenige Details und das bei nur 1 Bar Druck. Wenn man ein Temperaturniveau von 260 °C nicht überschreitet, kann man Teflon als Ballonmaterial nehmen. 260°C entsprechen bei der Venus etwa 25 km Höhe bei 14,2 Bar Außendruck und 0,0139 g/cm³ Dichte. Aufgrund der hohen Dichte wäre ein Ballon klein, die Hülle müsste aber nur 15 Bar anstatt 90 Bar aushalten, was sie bedeutend leichter macht. Ich habe mal gesucht und dieser Artikel nimmt eine Höhe von 16 km an. Das wäre ein 340°C Temperaturniveau, also deutlich höher. Auf der anderen Seite, wenn dies nicht als absolute Höhe gilt, sondern Höhe über Grund dann wären zumindest die höchsten berge (Maxwell Montes) mit 10,4 km Höhe noch abbildbar.

Solange man aber das nicht mal prüft, z.B. mit einer Sonde die beim Abstieg Bilder macht und überträgt wird man auch diesen zweiten Schritt nicht angehen. Dabei wäre dann eine Sonde bei genügend Helium möglich, die einige Zyklen absolviert, zwischen Aufnahme und Erreichen einer sicheren Höhe.

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