Bernd Leitenbergers Blog

Monte-Zumas Rache

Sieben Tage nach dem Start der US-Geheimnutzlast „Zuma“ gibt es noch immer Rätselraten. Für alle, die es nicht so genau verfolgt haben, hier eine kurze Zusammenfassung der wenigen Fakten, die es gibt:

Wie man sieht, viel Informationen gibt es nicht. Das wahrscheinlichste Szenario, das mit den Fakten im Einklang steht, ist das: Es ist unwahrscheinlich, dass die USAF einen Satelliten startet, der sich im ersten Orbit nur wenige Stunden hält. Selbst früher, als man Satelliten schneller in Betrieb nahm, als heute, wo das Wochen dauern kann, waren die ersten Umlaufbahnen mindestens über einige Tage stabil. So gibt es zwei mögliche Ursachen:

Die Medien haben sich auf das letzte Szenario gestürzt. Ich halte es auch für das wahrscheinlicher. Denn dann passt das zu der Verlautbarung von SpaceX, ihre Rakete habe einwandfrei funktioniert. Rein formal sehen sie ihre Verantwortung erfüllt, wenn der Orbit erreicht ist, wenn Northrop-Grumman den Nutzlastadapter gebaut hat, dann geht ab dann die Verantwortung an sie über.

Nun ja nicht ganz, wenn das Pentagon bei Fragen zum Start an SpaceX verweist, dann sieht das für mich aus, als würden sie SpaceX für verantwortlich halten und nicht Northrop-Grumman.

Nun zu meinen Interpretationen. Es ist ohne irgendwelche Fakten natürlich sehr spekulativ. Aber im Prinzip gibt es bei zwei Firmen natürlich zwei Verantwortungsbereiche. Dazu muss man nur ansehen, wie das normalerweise abläuft. Der Adapter wird unten fest auf der Rakete verschraubt. Oben wird der Satellit angebracht. Er wird durch Spannbänder fixiert, die fest angezogenen Bänder halten ihn in der Position. Am Boden des Adapters sind Federn angebracht und die werden durch das Gewicht des Satelliten zusammengedrückt.

Bei der Abtrennung geschieht Folgendes: Die Stufe übermittelt an den Adapter ein elektrisches Signal, das meist simpel nur dazu genutzt wird, pyrotechnische Ladungen elektrisch zu zünden. Sie treiben Schneidmesser an, welche die Spannbänder durchtrennen. Dadurch ist der Satellit frei und die Federn am Boden drücken ihn weg. Da kann natürlich etwas schiefgehen. Für unseren Fall wären zwei Dinge wahrscheinlich. Es kann sein, dass die Sprengbolzen nicht zünden, dann bleibt der Satellit verbunden. Es kann aber auch sein, das die Rakete das Signal zum Ablösen gar nicht erst überträgt oder es nicht ankommt, z. b. durch falsche Verkabelung (Erfahrene fühlen sich an die Fehlstarts F7 und F8 der Europa erinnert, als zwischen Französischer und deutscher Stufe falsch war und dadurch das Selbstzerstörungssystem bei der Stufentrennung ausgelöst wurde).

Wenn das Pentagon nach den Kommentaren SpaceX für verantwortlich hält, dann weist das mehr auf die zweite Ursache hin.

Unabhängig davon, ist aber mehr schiefgelaufen. Denn es ist ja nicht so, als das man die Abtrennung nicht bemerkt. Bisher hat SpaceX immer Kameras mitgeführt. Das ist heute Standard. Selbst ESA-Satelliten haben, die an Bord, die mechanische Vorgänge aufnehmen wie Entfaltung von Solarpaneelen oder Abtrennung von Hüllen. Warum sollte SpaceX bei diesem Start darauf verzichten. Da wäre dann sofort zu sehen, ob der Satellit abgetrennt wird. Selbst wenn nicht und es keinerlei Verbindung zwischen Satellit und Rakete gibt, dann gibt es doch Messwerte. Jede Rakete hat Beschleunigungssensoren und eine Inertialeinheit an Bord. Die Auslösung der Sprengbolzen führt zur Schwingungen. Danach werden die Federn aktiv. Sie beschleunigen nicht nur den Satelliten. Sie bremsen nach Aktio = Reaktio auch die Stufe ab. So was wird registriert und mit der Telemetrie übertragen.

Was machte aber die Oberstufe? Sie führte danach ein starres Programm aus, dass zwei Stunden nach erreichen des Orbits das Deorbitieren vorsah. Die Absetzung der Nutzlast wird wahrscheinlich direkt nach Erreichen des Orbits erfolgen. Zwei Stunden Zeit das Programm zu stoppen. Das hat SpaceX nicht getan. Danach wären Oberstufe und Zuma zumindest im stabilen Orbit gewesen. Man hätte versuchen können Zuma noch frei zu bekommen. Wahrscheinlich ohne Erfolg. Aber selbst wenn nicht, dann hätte die USAF versuchen können die Mission trotzdem durchführen. Zugegeben, mit einer 4 t schweren Oberstufe wie ein Klotz am Bein (den Treibstoff hätte man ablassen müssen, doch das geht auch ohne die Stufe zu deorbitieren). Wahrscheinlich hätte das die Mission von Zuma stark verkürzt, vielleicht wäre es auch nicht gegangen. Zumindest hätte man aber weitere Tests durchführen können und so das Problem einkreisen können. Damit gibt es die Chance einen ähnlichen Vorfall in Zukunft zu vermeiden.

Was aber macht SpaceX? Nichts. Satellit im Orbit. Mission erledigt. Erinnert mich an das Sprichwort „Operation erfolgreich, Patient tot“. Oder an den Fall des DHL-Mitarbeiters, der ein Päckchen auslieferte, niemanden antraf und eine Paketkarte hinterlies „Päckchen ist in der Mülltonne“. Die wurde an dem Tag geleert …

Ich vermute, das Pentagon sieht es so wie ich: Eine Mission einer Rakete ist erfolgreich und beendet, wenn die Nutzlast im Orbit ist. SpaceX kann sich hier nicht zurückziehen auf den Standpunkt, dass der Nutzlastadapter nicht von ihnen stammt. Sie hätte dann prüfen müssen, ob alles an diesem Adapter mit ihnen kompatibel ist oder es Probleme geben könnte. Vielleicht vertrauen sie, wenn nicht genau klärbar ist, woran es liegt, auch einfach eher Northrop-Grumman, die seit fast 60 Jahren im Geschäft sind als dem Newcomer SpaceX.

In jedem Falle hat der letzte Start einen Milliardenteueren Satelliten im Ozean versenkt. Es ist der erste Auftrag dieser Höhe an SpaceX. Direkt vom Pentagon gab es bisher nur Starts für nicht so wertvolle Satelliten wie die GPS, die in Serie gebaut werden. Wenn da einer verloren geht, dann wird ein neuer gebaut. Direkt von der Air Force gab es keine Aufträge für richtig teuere Nutzlasten. Aber die USAF spart auch und hat seit einigen Jahren die Politik, dass sie nicht mehr Satellit kauft und dann einen Start separat ausschreibt, sondern Nutzlast schlüsselfertig im Orbit als Auftrag vergibt und über die so beauftragten Firmen bekommt dann SpaceX die Startaufträge, so auch hier.

Das Shotwell so kategorisch die Verantwortung von sich weist halte ich nicht für einen Beweis ihrer Unschuld. SpaceX hat eigentlich nur etwas zugegeben, wenn es offensichtlich war. Mal ein paar Erinnerungen:

In all diesen Fällen war von 100 % Erfolg die Rede. Es war niemals ein Fehlstart, aber auch kein 100%-Erfolg, wenn nicht alle Missionsziele erreicht wurden. In allen Fällen leugnete SpaceX Abweichungen, solange es nur ging. Warum sollte es diesmal anders sein?

Es geht ja noch weiter. Der aktuelle Report des unabhängigen Sicherheitspaneels ASAP empfiehlt die Falcon 9 nicht zu zertifizieren, bevor SpaceX das Versagen der Druckfrische richtig versteht.

Wie sieht es bei den Folgen für kommerzielle Flüge aus. Zuerst einmal relativ positiv: Für Versicherungsprämien maßgeblich sind die gemeldeten Verluste. Das waren bisher nur drei: Der Orbcomm der beim CRS-2 mitflog war versichert. Daneben einige Cubesats die beim Fehlstart 2015 verloren gingen und natürlich der Amos, der es nicht mal bis zum Start schaffte. Das ist bei drei Totalverlusten günstig. Auf der anderen Seite kann man nach nunmehr 38 Startversuchen Bilanz ziehen: 3 Totalverluste entsprechen einer Zuverlässigkeit von 1:16. Nicht sehr hoch. Kleiner als die Designauslegung der Ariane 1, die zu einer anderen Zeit und nicht von einer Raumfahrtnation gebaut wurde die schon 20 Jahre lang erfolgreich Trägerraketen im Einsatz hatte. Die aktuellen Träger der USA, aber auch Europas liegen deutlich höher und haben eine Designauslegung von mindestens 1 Fehlstart auf 50 Starts. Natürlich geht auch ein solches Konzept aus – nimmt man 4 % höhere Versicherungsprämien als unmittelbare Folge an, so ist das bei einem typischen Preis von 200 bis 250 Millionen Dollar für einen Satelliten bis zur Inbetriebnahme immer noch ein Gewinn, wenn der Start mehr als 8-10 Millionen Dollar billiger als bei der Konkurrenz ist und ist die Mission kritisch kann man dann ja immer noch zu Arianespace wechseln.

Bald soll ja die Falcon Heavy starten. Musk hat schon im Vorfeld die Erwartungen heruntergeschraubt und spricht von einem „High Risc“ Flug. Ich teile das nicht. Denn wäre es ein Hochrisikoflug so bräuchte SpaceX mindestens zwei Testflüge, für den Fall das die Rakete verloren geht, das man beim zweiten Flug dann nachbessern kann und mindestens eine Rakete den Orbit erreicht, so wie damals bei den Testflügen von Ariane 1+5 (was die ESA allerdings auch nicht davon abhielt, die Cluster Satelliten beim 501 mitzuführen).

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