Bernd Leitenbergers Blog

Raketennachlese

Vor wenigen Tagen hat die zweite SS-520 ihre erste Nutzlast in den Erdorbit gebracht. Der Rekord der Rutherford von vier Wochen ist damit sehr kurzlebig gewesen. Die SS-520 ist nun die kleinste Rakete und ich denke diesen Titel wird sie für lange Zeit behalten. Entstanden aus einer zweistufigen Höhenforschungsrakete, wie Japans erste Rakete Lambda, transportierte sie nur 3 kg in eine 180 x 1500 km Bahn. Bei einer bekannten Treibstoffzuladung von 78 kg in der letzten Stufe wiegt die trocken sicher über 10 kg, wodurch selbst in eine 180 km hohe Bahn dann die Nutzlast maximal 6 bis 7 kg beträgt. Wenig bei 2,6 t Startmasse. Mit Startkosten von 4,4 Millionen Dollar ist sie in jedem Falle pro Kilogramm Nutzlast die teuerste Trägerrakete. Die Rutherford kostet mit 4,9 Millionen Dollar nur wenig mehr und hat mehr als die zehnfache Nutzlast.

Kleine Trägerraketen sind nun en vogue. Neben den beiden gibt es ja noch die SPARK / Superstrypie die in dem Segment mitmischt, sowie rund 30 Projekte in den verschiedensten Ländern und Entwicklungsstadien. Das hat auch die ESA auf den Plan gerufen, die nun Klein-Trägerraketen fördert. Schon vorher wurde die Idee der Mini-Vega aufgegriffen. Die Mini-Vega ist eine Vega ohne erste Stufe. Das grundsätzliche Problem: Das AVUM, das letzte Modul, wiegt leer rund 500 kg. Wenn die erste Stufe weggelassen wird, sinkt die Nutzlast stark ab, das AVUM bleibt aber gleich schwer, sodass die Nutzlast minimal ist. Ich halte die Mini-Vega als einfachen Vega Nachbau für eine schlechte Idee. Man müsste sie gravierend modifizieren, entweder aus dem AVUM eine größere Stufe machen mit mehr Treibstofftanks oder eine weitere Stufe addieren. Das alles kostet aber Geld. Mit der Mini-Vega werde ich mich in meinem nächsten Blog genauer beschäftigen.

Der ESA reicht das aber noch nicht: Sie hat nun Studien in Auftrag gegeben für eine kleine Trägerrakete im Bereich der Rutherford also so um die 100-kg-Nutzlast. Mehrere europäische Firmen haben Kontakte bekommen. Die meisten offerieren sogar mehrere Raketentypen, MT Aerospace sogar vier. Ich halte das für überflüssig. Es würde vielmehr ausreichen, wenn man die Ressourcen ausschöpft, die man heute hat. Das sind Sekundärnutzlasten bei Sojus und Vega. Beide haben mehrfach zündbare Oberstufen. Die Vega hat schon demonstriert, wie sie mehrere Satelliten in verschiedenen Orbits aussetzen kann. Nur ist das derzeitige System eben für einer großen oder zwei mittelgroße Einzelnutzlasten ausgelegt. Ein System von mehreren Ringen um den konischen Nutzlastadapter könnte Cubesats aufnehmen. Für größere Satelliten müsste man was Neues entwickeln, am geschicktesten wohl eine Mittelsäule, auf der man oben den Hauptsatelliten anbringt und an der Seite dann die Mikrosatelliten. Das wäre viel sinnvoller als eine neue Trakete zu entwickeln, auch wenn man sich mal die bisherigen Starts der Vega betrachtet – die wenigsten haben die Nutzlast wirklich voll ausgenutzt. Dabei wird die Vega C ja noch leistungsfähiger. Genauso wäre es wichtig so was für die Ariane 6 zu entwickeln, hier wohl eher als ein System, das man am Nutzlastadapter anbringt – hier gibt es wegen der viel größeren Verkleidung auch mehr Platz für Sekundärnutzlasten. Die Ariane 62 wird zahlreiche Missionen in den SSO durchführen und könnte dabei immer Sekundärnutzlasten mitführen. Wir brunchen nicht wirklich einen eigenen Miniträger, zumal wie oben beschrieben es ja einige Systeme in der Entwicklung gibt und damit auch viel Konkurrenz. Zur Elektron und SPARK kommt bald noch LauncherOne von Virgin Galactics hinzu. Etwa 30 Systeme gibt es in den unterschiedlichen Stadien der Umsetzung. Selbst die OTRAG-Rakete ist als Neptun noch dabei.

Zuletzt gibt es natürlich noch den PR-Start des Monats, den der Falcon Heavy. Wer nun viel von mir über die Rakete erwartet den muss ich enttäuschen. Ich habe schon viel drüber geschrieben und will mich nicht wiederholen. Nur einige Dinge. Es war ein reiner PR-Start. Dazu gehört zuerst mal, die Erwartungen runterzuschrauben. Musk sprach von 50 bis 70 % Chance, dass er klappt. Das ist natürlich Blödsinn. Die Rakete basiert ja auf der schon im Einsatz befindlichen Falcon 9. Da erwartet man eine viel höhere Erfolgsquote. Vor allem würde diese Quote – sie entspricht dem Bayes-Kriterium für den ersten oder zweiten Start einer völlig unerprobten Rakete, bedeuten, dass der nächste Start dann auch nur zu 70-80% gelingt und der ist ja schon kommerziell. Raketen, die so niedrig eingeschätzt werden, haben oft etliche Teststarts, die Ariane 1 z.B. vier, das Space Shuttle sechs. Die Nutzlast hat bei mir einen Eintrag bekommen – als überflüssigste interplanetare Nutzlast. Den Rekord hielt der DESPATCH, mit Hayabusa 2 gestartet bisher. Das war ein Kunstwerk, aber immerhin noch eines mit einem Sender. Der Roadster ist eigentlich nur Ballast.

Worüber die Publicity hinwegtäuscht: Die Rakete ist zwar die größte, aber auch überflüssigste weltweit. Es gibt keine Nutzlasten für sie. Selbst wenn alle drei Booster geborgen werden und die Nutzlast dann stark absinkt ist sie inzwischen überflüssig. Mal gedacht als schwere Schwester der Falcon 9, ist diese durch Verbesserungen inzwischen leistungsfähig genug für alle kommerziellen Transporte. Übrig bleiben einige Regierungsnutzkasten – sehr schwere Satelliten oder Satelliten die in den GEO müssen. In den sinkt die Nutzlast der Falcon 9 durch die 4 t Leermasse der Oberstufe und die Bahnneigung der Startbahn von knapp 28 Grad stark ab. Doch selbst für die großen Regierungsnutzlasten ist sie nur bedingt geeignet. Aufgrund der Idee, aus der ursprünglichen Falcon 9, die nur 54 m lang war durch Verlängerung den heutigen 70 m Spargel zu designen, hat die Falcon Heavy wie die Falcon 9 nur eine 13 m lange Nutzlastverkleidung. Das reicht für einen Satelliten aber nicht für einen Doppelstart und sie ist zur kurz für die ganz großen Satelliten der NRO. So verzeichnet SpaceX selbst auch nur wenige Starts. Es gab auch keinen Zuwachs in den letzten Jahren, anders als bei der Falcon 9 die schon vor dem ersten kommerziellen Start genügend Kunden hatte.

Im Gegenteil: Es wird keine bemannten Starts mit der Falcon Heavy geben. Damit steht auch der bemannte Start, angeblich Ende dieses Jahres, auf der Kippe. Die sollen nun alle mit der BFR erfolgen. Dumm nur: die gibt es nur auf dem Papier. Sie wird aufgrund ihrer Größe um ein Vielfaches teurer als die Falcon Heavy sein und schon diese einfache Kopplung bestehender Stufen brauchte 5 Jahre mehr als geplant zur Umsetzung. Bei der BFR geht das natürlich alles viel schneller. Klar genauso schnell wie bei der Falcon 9: Versprochen am 5. April 2011 für einen Erststart Ende 2013… Meine Prognose. Die Falcon Heavy wird sich in zwei bis drei Jahren in die Reihe der abgebrochenen SpaceX-Projekte einreihen wie Falcon 1e, Falcon 5, Falcon 9 Block II, Falcon 9 Heavy, Red Dragon, Dragon-Landlandung …

Tesla hat die PR-Aktion nichts genutzt. Zwei Tage später musste die Firma erneut Verluste bekannt gegeben. Der Kurs ist am Freitag um 8,28 % eingebrochen. Die Firma hat eine Fremdkapitalquote von 85 % und Verbindlichkeiten die doppelt so hoch sind, wie der Jahresumsatz 2017. Wie bei der Falcon Heavy & BFR wird aber für die Zukunft Besserung versprochen. 2018 soll Gewinn gemacht werden. Wer die Bilanz von Tesla verfolgt weiß, warum Musk sich so beharrlich weigert, an die Börse zu gehen, dann würde bekannt, wie hoch Umsatz, Erlöse und Verbindlichkeiten von SpaceX sind.

Immerhin drei neue Rekorde hat die Falcon Heavy aufgestellt: den für die überflüssigste Nutzlast, für die überflüssigste Rakete und das meiste Medieninteresse 2018. Das ist für Musk wohl wichtiger als Finanzeller Erfolg.

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