Ich denke jeder hat inzwischen davon gehört, das der Start der letzten Crew mit Sojus MS-10 zur ISS gestern in einer Notlandung geendet hat. Ich will das mal beleuchten, vor allem welche Folgen das hat.
Ich halte mich raus, was die Spekulationen angeht über die Ursachen. Der Abbruch scheint zeitgleich mit der Boosterabtrennung passiert zu sein. Das kann dann alles sein – von einem fehlerhaften Sensor, der die Abtrennung auslöste über einen nicht abgelösten Booster oder irgendeine Beschädigung der Zentralstufe bei der Abtrennung. Das ist auch egal, sofern man die Ursache findet.
Vielmehr geht es um die Auswirkungen. Die erste positive Auswirkung ist nämlich, dass die Crew gerettet wurde und das Rettungssystem ausgezeichnet funktioniert hat. So wünscht man sich das. Die unmittelbare Auswirkung wird sein, das man erst mal keine Sojus starten wird, bis die Ursache geklärt ist. Das bringt dann doch eine Reihe von Problemen mit sich. Die Offensichtlichste ist, das die ISS nun nur noch die Hälfte de Besatzung hat. Die hat nun mehr zu tun, wahrscheinlich wird man das wissenschaftliche Programm stark einschränken müssen, da man sowieso nicht so viel Arbeit für dieses hat und mehrere Personen nur für Housekeepingaufgaben der ISS braucht.
Relativ gut sieht es auch mit der Versorgung aus. Sicher fallen nun die Progress weg, doch es gibt ja noch Dragon und Cygnus. Da kommt bald auch noch der Dream Chaser hinzu. Zudem sind es nun auch nur noch die halbe Besatzung, die zu versorgen ist. Das halte ich für unkritisch. Problematisch ist nur, dass die Progress die einzigen Schiffe sind, die derzeit die Station anheben können. Doch die ISS ist so hoch das sie auch einige Monate ohne Anhebung auskommt.
Der kritische Punkt dürfte die begrenzte Lebensdauer der Sojus sein, die NASA meint, dass man noch einen Monat rausschinden kann, aber im Januar müsste die derzeitige Besatzung mit Alexander Gerst wieder zurück zur Erde. Dann wird’s problematisch. Gemäß der NASA Philosophie „You get no Bucks without Buck Rogers“ ist die ISS nicht für einen längeren Betrieb ohne Besatzung ausgerichtet. Ohne Besatzung können nicht mal die Versorgungsraumschiffe ankoppeln. HTV, Cygnus und Dragon koppeln alle an einem CBM an und diese Anschlüsse wurden für die Verbindung von Modulen entwickelt – sie stoppen kurz vor der Station und werden mit dem Arm eingefangen und von Hand an die Dockingstelle bugsiert.
Die beiden kommenden bemannten US-Raumschiffe koppeln an zwei IDA-Adapter an, die keine Unterstützung durch eine ISS-Besatzung erfordern. Nach einem Fehlstart von IDA-1 brachte eine Dragon inzwischen IDA-2 zur Station, IDA-3 sollte im Mai 2019 folgen. Damit könnte ein US-Raumschiff ankoppeln, auch wenn niemand an Bord ist. Doch wann stehen die zur Verfügung? Das CCDev Programm liegt chronisch hinter dem Zeitplan zurück. Eigentlich sollten die ersten Starts schon 2016 erfolgen, nun redet man von 2019 mit den ersten Testflügen, also noch keinen operationellen Einsätzen. Bis die anstehen, wird es meiner Ansicht noch 2020 werden. Das Gemini und Apollo Raumschiff hat man vier Jahren entwickelt, Starliner und Dragon brauchen 10 Jahre in der Entwicklung. Viel zu lange und das rächt sich jetzt.
Das heißt, es hängt nun davon ab, wie lange die Sojus nicht fliegen darf. Damit wie schnell man den Fehler findet und beseitigt. Als Außenstehender kann man über die beste Lösung nur spekulieren – ist es einfacher die Station im Dezember/Januar zu verlassen und dann mit einer Besatzung entweder durch die US-Raumschiffe oder eine Sojus zu besuchen? Oder wagt man es ein Sojus Raumschiff unbemannt hochzuschicken, sodass die derzeitige Besatzung länger an Bord bleiben kann. Dann käme man wenigstens mal in die Nähe der Zeit die eine Marsexpedition erfordert. Es wäre, wenn man die ISS nicht längere Zeit unbemannt lassen kann, die beste Lösung.
Am wenigsten Auswirkungen hat das auf das unbemannte Programm. Dort ist es normal, das es mal Fehlstarts gibt und die Sojus-Trägerrakete ist, wenn man die letzten 5 Jahre betrachtet im Durchschnitt: 5 Fehlschlage, davon zwei fehlerhafte Umlaufbahnen, die eine bemannte Sojus korrigieren könnte, bei 88 Starts. Das gilt auch für die Progressstarts. Sicher wäre es schlecht eine Progress zu verlieren, aber dann startet man eben eine neue.
Was mir dagegen Sorgen macht, ist das wir nun schon zwei Pannen mit der Sojus in Folge hatten. Zuerst die Undichtigkeit des Raumschiffs mit dem Gerst zur ISS kam, weil jemand ein Loch in die Wand gebohrt hat, (und dann notdürftig geflickt) nun dieser Fehlstart. Bei Einführung der neuesten Generation mit verbesserter Elektronik gab es schon Probleme wie eine harte Landung, nicht entfaltete Solarzellen und Verfärbung der Außenhülle. Russlands Weltraumprogramm ist nach meiner Ansicht nach in einer Krise und das nicht erst seit heute. Es fing mit dem Auseinanderfallen der Sowjetunion an und seitdem hat man sich davon nicht erholt. Es gibt seitdem fast keine Forschungsmissionen mehr und die einzigen beiden Planetensonden Mars 96 und Phobos Grunt scheiterten kläglich. Es gibt vor allem bei russischen Starts viel mehr Fehlstarts als früher, kommerzielle Starts wie durch ILS scheinen davon nicht betroffen zu sein, was für mich dafür spricht, dass die Raketen wohl anders produziert werden. Fehler wie falsch eingebaute Beschleunigungssensoren oder zu voll betankte Stufen lassen darauf schließen, dass man an den Endprüfungen spart, die wohl ILS und Arianespace bezahlen. Lange Zeit war das bemannte Programm von dem Trend ausgenommen, galt es doch as das Vorzeigestück. Doch nun scheint es auch das bemannte Programm zu erreichen. Erst zwei Totalverluste von Progress in den letzten Jahren nun die Vorkommnisse mit der Sojus. Von Nauka, das eigentlich seit 9 Jahren an der Raumstation sein sollte ganz zu schweigen. Dabei scheint Russland ja genügend Geld zu haben. Im Militär gibt es derzeit eine Modernisierung. Man hat einen neuen Panzer in Dienst gestellt, Flugzeuge modernisiert. Nur die Raumfahrt scheint anders als zu Sowjetzeiten kein Aushängeschild zu sein. Die Grafik unten mit der Erfolgsquote aller russischen Starts zeigt wie diese nach dem Zusammenbruch der SU deutlich abnahm.
Betroffen ist auch die NASA, indirekt auch ESA und JAXA. Doch sie ist selbst schuld. Während sie bei der Versorgung der ISS darauf achtete, dass diese nicht auf einem System beruht und das auch bei den Mannschaften tat (zwei US-Raumschiffe für vier Flüge pro Jahr) hat sie ansonsten geschlafen. Während man COTS mit dem Beschluss der Ausmusterung des Space Shuttles ins Leben rief und das, auch wenn es trotz Zeitverzögerungen seit 2012 funktioniert, hat die NASA sich mit CCDEV bis 2009 Zeit gelassen und Aufträge für die Entwicklung von Raumschiffen gibt es erst seit Mitte 2012, als die Space Shuttles schon längst flogen. Hätte man das wie COTS 2006 angegangen, so hätten die USA nun ein funktionierendes System und wären nicht von den Sojus abhängig.