Bernd Leitenbergers Blog

By Bye Quarks & Co

In der Anfangszeit meines Internets habe ich mal die Seite „Wissenschaft im Fernsehen“ verfasst. Das war so 1999. Von den Sendungen, die dort stehen, gibt es etliche nicht mehr und viele sehe ich nicht mehr. Zum einen gab es den Bruch durch mein zweites Studium, als die Zeit dann knapp wurde. Zum anderen hat sich mein Sehverhalten geändert und ich informiere mich heute mehr im Internet. Übrig geblieben ist von den sogenannten „Wissenschaftsendungen“ eigentlich nur eine Sendung: Quarks & Co. Der bin ich auch treu geblieben, selbst als der WDR das Sendekonzept geändert hat. Zuerst mit Quarks und Caspars, dann mit „Street Science“, das sie auch schnell wieder eingestellt haben. Das war im Prinzip das Befragen von Leuten in der Fußgängerzone und dann Vorführen von Experimenten, die natürlich bei dieser Umgebung auf dem Niveau von Schulversuchen bleiben. Schulunterricht als „Science“ zu verkaufen, das klappte wohl nicht.

Das Aushängeschild der Sendung war die Moderation von Ranga Yogeshwar. Auch wenn er nur stellvertretend für eine ganze Redeaktion stand, nahm man ihm ab, dass er was von dem Thema versteht und sich darin eingearbeitet hat. Nun hat Quarks & Co eine neue Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim. Ich habe mir einige Sendungen angeschaut und danach steht für mich fest, dass ich diese letzte Wissenschaftsendung nicht mehr ansehen werde. Es sind zwei wesentliche Gründe. Das eine ist, das sich die neue Moderatorin viel mehr in den Vordergrund stellt. In einer Sendung über Landwirtschaft extrem hat sie viele Hintergrundmoderationen, die sonst nur als Ansagen aus dem „Off“ kamen selbst gemacht und sich damit zum Experten über alles erklärt. Mai Thi Nguyen-Kim weiß alles. Über jede Pflanze, jede Witterung, jeden Boden. Das finde ich schon nervig. Aber wenn sie sich eingelesen hat, noch vertretbar, denn natürlich deckt Quarks & Co alles ab, nicht nur Chemie, das sollte sie als Chemikerin beherrschen. Aber zu diesem Stilwechsel kommt eben, das damit offensichtlich die Genauigkeit, die man bisher gewohnt war, verloren gegangen ist. Mir kamen schon erste Zweifel als in der Sendung parallel zur Berichterstattung über den extremen Sommer 2018 sie einen medizinischen Hanf aufgezogen. Okay, selbst sich als Laie weiß, dass man in Deutschland nur THC-freien Hanf als Nutzhanf mit einer Ausnahmegenehmigung anpflanzen darf, auch wenn man wie bei Quarks dann die Pflanze vernichtet. Schon das Aufziehen ist strafbar. Medizinischer Hanf soll dazu kommen, doch das Genehmigungsverfahren für Firmen die sich darum bewerben, läuft noch. Die ersten Genehmigungen wurden erst nach dem Sommer ab Ende September vergeben. Das bedeutet dass diese Aktion von Quarks illegal war, sie es aber als Legal verkauft haben.

Dann kamen aber die Äußerungen der „Ich weiß alles“-Expertin Mai Thi Nguyen-Kim. Demnach sollte man, wenn man drei Wochen lang täglich 300 g Möhren isst, durch das aufgenommene β-Catorin eine gelb-orange Einlagerung in die Haut bekommen, die vor Sonnenstrahlen schützt. Meines Wissens nach ist dem nicht so, und das fällt in ein Gebiet von dem Ich was verstehe. Die Aufnahme von Beta-Carotin ist gering und sie hängt eng mit dem Vitamin-A Vorräten im Körper ab, sinkt also, wenn diese gefüllt sind. Aber ich bin ja auch Wissenschaftler. Also machen wir ein Experiment, oder wie Quarks es nennen würde „Street Science“. Ich habe drei Wochen lang Möhren gegessen, insgesamt 8 kg, das sind 381 g/Tag, also mehr als die Vorgabe von 300 g. Ich habe alles getan, was ich aufgrund meiner Ausbildung als Lebensmittelchemiker über die Resorption von Beta-Carotin weiß, um die Aufnahme zu erhöhen, das heißt, die Möhren zerkleinert – größere Oberfläche, gekocht (Aufschluss der Zellwände) und zu fetthaltigen Mahlzeiten gegessen – ohne Fett keine Aufnahme des fettlöslichen Farbstoffs. Das Ergebnis: keinerlei Farbveränderung der Haut.

Also Falschbehauptung zwei.

Dann kam letzten Dienstag eine Sendung über Brot, oder soll ich sagen eine Lobeshymne über Brot. Bei Ranga Yogeshwar wäre bestimmt auch einiges über die Dinge gekommen, die nicht so positiv sind. Wie die Verbreitung von Allergien bei Bäckern aufgrund (vermutet) Enzymen aus Schimmelpilzen in den Mischungen. Allgemein war das Thema Zusatzstoffe in industriell hergestelltem Brot kein Thema und die inzwischen dort gängige Praxis, Brot zu färben wurde nur in einem Satz mal kurz erwähnt. Stattdessen neue Fehler. Das man für Roggenmehl Sauerteig benötigt erklärt Mai Thi Nguyen-Kim damit, das Roggen mehr Stärke spaltende Enzyme hat, die durch den sauren pH gehemmt werden und sonst durch den Abbau der Stärke den Teig glitschig machen würden. Aha. Das deckt sich aber nicht mit meinem Erkenntnisstand. Ich habe dann in im Belitz Grosch, der aktuellen Ausgabe, nicht der, die ich noch vom Studium habe, (es könnte sich ja tatsächlich was geändert haben), nachgeschaut und siehe da: da steht das Gleiche drin, wie das was ich noch in Erinnerung habe. Roggen hat weniger Glutene als Weizen und diese haben eine andere Zusammensetzung. Die Glutene geben dem Teig die Elastizität, ohne diese kann er die Gasblasen, welche die Hefen bei der Gärung freisetzen nicht halten und er sinkt zusammen. Der Sauerteig hat die Aufgabe, bestimmte Kohlenhydrate, die eine ähnliche, aber schwächere Fähigkeit haben, zu aktivieren, denn bei neutralem pH-Wert liefern sie keine Elastizität. Die Aussage ist also ebenfalls falsch. Mehr noch. Es gibt tatsächlich Backfehler, durch zu aktive Amylose. Dann wird aber der Teig nicht glitschig, sondern es bilden sich große Hohlräume. Ab und an erwische ich beim Einkauf auch Brötchen mit dem Fehler.

Damit hat für mich Quarks & Co die Glaubwürdigkeit verloren. Das waren drei Punkte in zwei Sendungen, die ich nachprüfen konnte. Bei anderen Themen, von denen ich nichts verstehe, kann ich das nicht. Bei Brot kann ich auch beurteilen, was die Sendung nicht erwähnt hat. Man kann ja auch die Unwahrheit sagen indem man Fakten gezielt weglässt. Die letzte Sendung von Quarks war für mich nun auch endgültig die allerletzte.

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