Bernd Leitenbergers Blog

Der Brief der Woche an Rogozin und Putin

Lieber Wladimir Putin, ich schreibe Dir einen Brief, damit Du dich freust und ich Dir bei einem kleineren Problem helfen kann.

Wer die letzten Jahre die russische Raumfahrt verfolgt, hat bemerkt ein zunehmendes Paradoxon. Während die Arbeiten am neuen Kosmodrom Wostotschny und der neuen Trägerrakete nur langsam vor sich gehen – von wissenschaftlichen Missionen mal ganz zu schweigen, wird alle paar Jahre eine neue Raketen-Sau durch den Kreml getrieben. Neben der Konkurrenzentwicklung zur Angara, die Sojus 5, wird alle paar Jahre mal von einer neuen Mondrakete gesprochen. Nun heißt sie gerade Jenisei. Zeit mich mal wieder bei den Bloglesern unbeliebt zu machen, die mir meine Verbesserungsvorschläge für NASA und ESA übel nehmen. Doch ich habe mich nicht umsonst Jahre mit der Raumfahrt beschäftigt und Monate in meine Computerprogramme gesteckt, um auch alles nachberechnen zu können.

Heute – ganz kostenlos für Putin – ein Konzept für eine Mondrakete. (Er kann ja hervorragend Deutsch, falls er das liest, kann er sich ja mit ein paar Gazprom Aktien revanchieren). Fangen wir mit den Möglichkeiten an, die Russland hat.

Die Proton ist zu klein, zudem verwendet sie Treibstoffe, die umweltbelastend sind. Die Angara ist leider auch zu klein, weil sie auch den Bereich der mittelgroßen Nutzlasten abdecken muss. Die Dnepr und Sojus sind noch kleiner, die Dnepr zudem ein Auslaufmodell. Bleibt nur noch ein Träger übrig, wenn man nichts neu entwickeln will: die Zenit. Ignorieren wir mal fürs Erste, dass die Zenit dahingehend problematisch ist, dass sie in der Ukraine gefertigt wird.

Ich habe zuerst mal die Zenit nur geclustert, also eine Zenit als Zentralstufe mit sechs weiteren umgeben, die als erste Stufen fungieren. Um das Zünden in Schwerelosigkeit zu verhindern, wird wie bei anderen russischen Typen üblich, die zentrale Stufe eine Sekunde vor Brennschluss der äußeren zu zünden. Ich errechne 21 t für eine 180 x 450.000 km Bahn, eine typische Rückkehrbahn, wenn man nicht in eine Mondumlaufbahn einschwenkt, wieder zur Erde zurückführt. Das ist angesichts einer Startmasse von 2511 t wenig. Nimmt man noch Block DM hinzu, dann steigt sie leicht auf 24 t an. Das ist wenig. Es gäbe für eine Mondmission mehrere Lösungen. In jedem Falle benötigt man mehrere Starts für eine Mondlandung.

Trotzdem ist die Lösung mit der heißen Nadel gestrickt. Im Allgemeinen sind solche Aufspaltungen einer Mission in mehrere Missionen ungünstig. Eine CSM-Kombination hat eben eine bestimmte Startmasse und wenn ich diese Mindestmasse nicht mit einem Start erreiche, brauche ich zwei. Daneben habe ich immer Verluste durch Treibstoff der verdampft, die Kopplungsadapter addieren Gewicht und die Manöver zum Ankoppeln auch. Zudem kann ich nicht immer die günstigsten Bahnen wählen.

Eine stärkere Rakete wäre also notwendig. Der Schlüssel ist dazu, dass Russland ja die Zenit sowieso neu konstruieren muss. Die Rakete hat zwei Nachteile. Der Offensichtlichste: Die Triebwerke stammen von Energomasch, also Russland. Nun hat eine russische Firma die Hardware von Sealaunch aufgekauft, könnte also wieder aus geografisch günstiger Lage starten. Die Renovierung würde sich also aus diesem Grunde lohnen. Der zweite Nachteil für unser Projekt sind die russisch typischen hohen Start-/Trockenmassefaktoren. Erste und zweite Stufe haben einen Strukturfaktor (Startmasse / Leermasse) von 10,3 bzw. 10,7. Block DM sogar einen von nur 5,2. Das ist ebenfalls paradox. Russland baut die besten LOX/Kerosintriebwerke weltweit und verschenkt dann Leistung, dann wieder durch Totmasse, die man mit den Orbit mittransportiert. Ich will gar nicht mal von so niedrigen Strukturfaktoren wie sie SpaceX reklamiert (30 für erste Stufe, 25 für Oberstufe) reden, aber die erste Stufe sollte den Strukturfaktor der alten Atlas, Titan oder Saturn V Erststufen erreichen, etwa 17 bis 18. Die Oberstufe bei in etwa gleicher Masse wie eine Thor deren Strukturfaktor von 15. Block DM von der Masse einer Titan Zweitstufe dann 11. Das wäre technisch keine Hexerei, das sind Werte von Raketen die 50, 60 Jahre alt sind. Wenn dich Rogozin mal fragt, „“Wie?“, lieber Putin dann werfe mal die Schlagworte „Integraltank“, „Alumniumlegierung 2195“ und „variable Wandstärkendicke“ in den Raum. Ich glaube das könnt ihr auch: für die Angara-Erststufe kommt man je nach Quelle auf Strukturfaktoren von 14,4 bis 16,6 und die Antares Erststufe, die auch von dem Hersteller der Zenit stammt, kommt auch schon auf 14.

Mit solchen Vorgaben für die Strukturfaktoren kommt man dann schon auf 35 t zum Mond, was ein komfortables Polster für eine Doppelmission ist, die aber immer noch notwendig ist.

Der nächste Schritt wäre, wenn man sowieso dabei ist, die Zenit umzukonstruieren, eine Verlängerung der Erststufe. Diese Erststufe war ja mal als Booster für die Energija gedacht und das diktierte ihren hohen Schubüberschuss. Für eine Trägerrakete reicht aber eine Startbeschleunigung von 12,5 m/s² und verlängert man so die Erststufe, so kann man die Startmasse von 346 auf 462 t erhöhen. Das erhöht dann die Nutzlast für den Mond auf 39 t. Wenn man die Mission stark herunterstrippt, wie es im originalen Mondlandeprogramm mit der N-1 der Fall war also nur zwei Kosmonauten und nur einer landet auf dem Mond, dann kämmt ihr bei 39 t Nutzlast mit einer Mondrakete aus, doch beeindrucken werden ihr damit niemanden können.

Auf die bei Apollo benötigten 45 bis 50 t käme man nur durch eine Neukonstruktion. Man könnte z.B. die zentrale Stufe mit zwei RD-171 ausstatten und den Durchmesser erhöhen. Wird er doppelt so groß, so kann man bei gleicher Länge viermal mehr Treibstoff zuladen und die Zentralstufe auch am Boden zünden – das gibt mehr Sicherheit. Dann hätten aber auch anstatt sechs neun Zeniterststufen (unverändert) Platz um die 1840 t schwere Zentralstufe, die dann doppelt so lange brennt (doppelte Triebwerkszahl aber vierfach Treibstoffzuladung). Das ergibt meiner Rechnung nach rund 52 t zum Mond, also 3,4 t mehr als die schwersten Apollomissionen wogen, was für eine Mondlandung mit nur einer Rakete ausreichen würde. Es ist so wenig, weil nun die zweite Stufe zu klein ist. Doch würde man die auch umbauen (z.B. das RD-191 Triebwerk, wie in der Angara verwenden) dann geht das noch mehr in Richtung neue Rakete und das wollte ich ja vermeiden.

Den Hauptvorteil sehe ich aber beim Einsatz auf der Sealaunch Plattform. Denn die auf 462 t Startmasse bei der Erststufe verlängerte Zenit könnte 11,8 t in einen GTO transportieren – das erlaubt Doppelstarts. Ohne verlängerte Erststufe wären es zumindest noch 9,6 t, was zumindest bei zwei kleineren Satelliten Doppelstarts erlaubt. Alternativ lasst ihr die dritte Stufe Block-DM weg, das reduziert die Nutzlast auf den Wert der alten Zenit, rund 6,7 t ist dann aber, weil eine Stufe weniger benötigt wird, billiger.

Bei Sealaunch gibt es ja noch die Problematik zu berücksichtigen, dass man die Zenit deswegen aussuchte, weil sie ihren Startschub so schnell erreicht und dann auch schnell abheben kann. Das ist primär nicht an die Startmasse gekoppelt, doch ausschließen will ich das nicht. Das solltet ihr prüfen, bevor ihr über eine Verlängerung nachdenkt.

Viele Grüße,

Bernd Leitenberger

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