Bernd Leitenbergers Blog

Es werde Licht

Schaut man in Jesco von Puttkamers Buch „Der erste Tag der neuen Welt“, so findet sich dort auch eine Prognose der Industrialisierung des Weltraums. Produktion von Gütern im Weltraum um das Fast-Vakuum und die Schwerelosigkeit zu nutzen. Riesige Kommunikationssatelliten, für Empfänger in der Armbanduhr, und auch Energiefarmen, die dann die Energie als Mikrowellen zur Erde schicken, wo sie riesige Antennenareale empfangen und wieder in Strom umwandeln. Wie wir alle wissen, kam das nie. Inzwischen haben wie so etwas wie eine Weltraumindustrie 2.0, also eine Vielzahl von kleinen Start-ups aber auch großen Unternehmungen für neue Projekte im Weltraum. Bisher decken diese aber noch die alten Anwendungsgebiete ab, nur meist kleiner. Erdbeobachtungssatelliten sind dann eben noch tonnenschwer sondern einige Kilo bis einige hundert Kilo schwer und dafür zahlreicher. Kommunikationssatelliten wie von OneWeb oder Teledisc wiegen nur einige Hundert Kilo und werden in Serie gebaut. Aber die Anwendungen sind die gleichen wie vor Jahrzehnten: Kommunikation und Erdbeobachtung.

Nun ist das japanische Unternehmen SpaceDawn angetreten ein neues Feld zu erschließen. Die Firma will erstmals die Energie im Weltraum nutzen, nur nicht so wie von Puttkamer prophezeit, sondern direkt, indem sie Ballungsräume beleuchtet. Das geht über riesige verspiegelte Flächen, die im geostationären Orbit stationiert wird. Ein Satellit dort hat mit Ausnahme von zwei kurzen Perioden um die Tag/Nachtgleiche um den 21.3. und 21.9 dauernd Sonnenlicht. Das wird mit dem Spiegel auf die Zone der Erde gelenkt, die man belichten will.

Die Firma hat schon eine Förderung von der JAXA bekommen und wird in zwei bis drei Jahren einen ersten Versuchssatelliten zusammen mit dem Astronomiesatelliten Astro-I (ein Satellit wird erst nach dem Start in Japan mit einem Namen versehen) starten. Neben dem kostenlosen Start bringt die JAXA ihre Expertise in Sonnensegeln ein. Die JAXA startete zusammen mit der Raumsonde Akatsuki auch das Sonnensegel Ikaros. Auf der Technologie der Sonnensegel soll auch der erste Satellit von SpaceDawn Dawn-1 basieren. Wie diese hat er ein entfaltbares Segel aus Mylarfolie, bedampft mi Aluminium als reflektierender Schicht. Ebenfalls von Ikaros übernommen wurden die Dünnfilmzellen im inneren Teil des Segels als Oberflächenschicht, die den Satelliten mit Strom versorgen. Neu wird vor allem die Größe sein: bei einer Startmasse von ungefähr 500 kg wird das Segel 200 kg wiegen. Das ist zehnmal mehr als bei Icaros. Dawn-1 hat die primäre Aufgabe die neu zu entwickelnden Stützverstrebungen zu erproben – bei den geplanten Größen kommt man nicht mit Peitschenauslegern wie Ikaros aus. Stattdessen sollen einzelne Segmente beim Entfalten einrasten und das muss problemlos überall erfolgen. Ebenso wird die Steuerung des Sonnensegels erprobt. Es soll sich vom LEO in den GEO heraufspiralen. Zur Bahnkorrektur sind Ionentriebwerke vorgesehen. Die Erde beleuchten wird Dawn-1 noch nicht.

Weitere drei bis vier Jahre später soll dann der erste operative Satellit Dawn-2 folgen. Er wiegt mit 3.000 bis 4.000 kg schon deutlich mehr, und das Segel macht nun schon 2/3 bis ¾ der Masse aus. Dawn-2 wird die Beleuchtung aus dem All erproben aber auch die Stabilisierung mit Sekundärsonnensegeln, die schräg zum Hauptsegel stehen und so das Hauptsegel drehen anstatt Ionentriebwerken.

Dawn 2 wird eine Fläche von rund 1000 km² beleuchten. Das ergibt sich vor allem daraus, das man nachts viel weniger Licht braucht als am Tage. Bei senkrechter Einstrahlung der Sonne erreicht man eine Helligkeit von 160.000 Lux. Ziel ist eine Helligkeit von 10 Lux, wie sie in vielen Ländern vorgeschrieben ist (in der EU aber nur für Verkehrsreiche Straßen). Durch den Faktor von 16.000 zwischen beiden Werten deckt die Fläche von Dawn-2, die dann wohl bei 0,1 km² liegen würde, eine viel größere Fläche auf der Erde ab. Zum Teil unvermeidlich, denn das Bündel spaltet sich auf dem Weg zur Erde auf – dazwischen liegen ja 36.000 km und ganz plan wird es auch nicht sein. Zum Teil resultiert das auch an der Tatsache das die meisten Ballungsgebiete nicht am Äquator, sondern nördlich oder südlich davon liegen. Zuletzt kann man den Satellit auch so drehen, das er ein Gebiet nicht senkrecht beleuchtet, sondern schräg und so eine größere Fläche abdeckt. Trotzdem rechnet die Firma noch nicht damit, mit Dawn-2 Gewinn einzufahren, er wird ebenfalls als „experimental“ beschrieben.

Die operativen Satelliten werden dann Dawn-3 und folgende sein. Sie sollen mehr als nur eine hochskalierte Version von Dawn-2 sein. Die Größe ist unbekannt. Ein Sprecher sagte, er setze auf neue Träger, die in der Entwicklung seien und die Satelliten von 30 bis 50 t Gewicht transportieren können. Die Herstellungskosten und Operationskosten wären durch den Zentralkörper, einem normalen Satelliten, bestimmt. Daher würden die Satelliten im Verhältnis zur Fläche billiger, wenn sie größer würden. Dawn 3 und folgende sollen auch die Fähigkeit haben Hotspots zu setzen, also bestimmte Gebiete stärker zu beleuchten. Damit dürften aber wohl keine Fußballstadien, sondern immer noch Gebiete von Hunderten bis Tauenden Quadratkilometern Größe gemeint sein. Wie das gehen soll, lies der Sprecher offen. Von ihnen erhofft man sich auch mehr Einnahmen, indem ein Satellit mehrere Zonen versorgt. Als Beispiel wurde die Kombination Japan und die US-Ostküste genannt. Ein zwischen beiden Zonen platzierter Satellit würde sich jeden Tag einmal drehen, da wenn es an der Ostküste Nacht ist, in Japan es Tag ist und umgekehrt, so kann de Satellit die doppelte Zeit genutzt werden. Wie das geschehen soll, ist offen. Eine Lösung wäre eine elliptische geostationäre Bahn, wie bei IUE – bei dieser bewegt sich ein Satellit in Form einer „8“ über die Regionen, die er beleuchten soll.

Erst diese Generation wird Geld einspielen, wobei das Modell langfristig orientiert ist. Erst nach 10 Jahren wird ein Satellit seien Herstellungskosten eingespielt haben. Danach wird er praktisch aber unbegrenzt betrieben werden können. Als erster Kunde hat sich die japanische Regierung gemeldet, die auch das Projekt finanziell unterstützt. Japan ist durch die dichte Besiedelung und den Ballungsraum Tokio ein ideales Startprojekt. Zudem steigen dort nach dem Beschluss aus der Atomkraft auszusteigen die Strompreise kräftig an. Ebenso wären potenzielle Kunden zahlreiche Entwicklungsländer, die zwar meist billigen Strom haben, aber kein flächendeckendes Netz der Straßenbeleuchtung. Das könnten sich diese sparen und dessen Kosten würden die eines Satelliten bei Weitem übersteigen. Zur Zeit unrentabel ist es in den USA und dem größtem Teil von Europa, weil außerhalb von Deutschlands die Strompreise meist zu gering sind und das Netz gut ausgebaut.

Interesse hat auch das US-Militär bekundet, das bereit ist, für die Spotlight-Technologie Fördergelder zu vertreten. Warum dürfte wohl offensichtlich sein – damit kann man auch bei Nacht Krieg führen oder den Gegner durch Schlafentzug zermürben. Ebenso sollen variable Geometrien erprobt werden – also die Anpassung des beleuchten Gebietes an die Besiedlung anstatt einem rechteckigen oder kreisrunden Spot.

Noch gibt es keine Gegner, wahrscheinlich nehmen die noch kleine Firma nicht ernst, aber für mich liegen einige Gegenargumente auf der Hand. Naturschützer, die sich schon heute über die Straßenlaternen als Insektenkiller wenden, dürften über den Plan nicht erfreut sein. Auch mancher Bewohner dürfte sich nicht drüber freuen, denn es gibt dann keine Unterscheidung mehr zwischen Hauptstraße, die viel Licht braucht und Wohngegend mit spärlicher Beleuchtung. Das ist mit dem Konzept nicht umsetzbar. Was aber nach einem Firmensprecher denkbar ist, ist eine Kombination beider Systeme: eine Flächenbeleuchtung durch den Satelliten mit niedriger Helligkeit und dann eben noch Straßenleuchten an Hauptverkehrsstraßen. Wenn der Satellit auch 1 Lux kann, das ist die Empfehlung für Wohngegenden in Deutschland und etwa viermal heller als der Vollmond, dann würde selbst der kleine Dawn-2 schon die zehnfache Fläche von Berlin beleuchten können. Das wäre dann auch lukrativer denn natürlich steigen die Einnahmen mit der Fläche.

Hobbyastronomen können ihrem Hobby in Ballungsräumen noch weniger nachgehen und selbst professionelle Astronomen die weitab der Ballungsräume ihre Sternwarten haben dürften zwar nicht durch die direkte Beleuchtung betroffen sein, aber durch die Tatsache, dass dann dort ein helles Objekt am Himmel ist. Dawn-2 wird auch bei schrägem Blick, sodass man nicht direkt angestrahlt wird, sehr hell strahlen und damit die Beobachtung alles, was um ihn herum sichtbar ist unmöglich machen. Dawn 3 und weitere Satelliten werden dann noch größer und heller sein. Da sie geostationär sind, sind so ganze Zonen des Himmels dauerhaft nicht mehr beobachtbar.

Ob das klappt, ist offen, aber immerhin es wäre die erste Firma, die ein neues Anwendungsgebiet für die kommerzielle Raumfahrt erschließt.

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