Bernd Leitenbergers Blog

Alternative Fakten zum „Sitzplatzpreis“ bei SpaceX und Boeing

Was die wie immer gut uninformierten deutschen Medien wiedergaben war auch, das mit dem SpaceX Demo-2 Start eine Neunjahresperiode endete in der die USA von russischen Sojus Starts abhängig waren. Dabei wurde auch betont, das die Kosten für einen „Sitzplatz“ laufend ansteigen, zuletzt auf 81,6 Millionen Dollar. Das sollte nun preiswerter werden.

So viel von unseren gewohnt inkompetenten Medien. Man hat nur ein paar Details vergessen. So das die Verzögerung des Jungfernflugs um 2,5 bis 3 Jahre (die NASA plante ihn für 2017) dazu führte das die NASA weitere Sitzplätze kaufen musste und zwar nicht nur einmal.

Vor allem wird’s nicht billiger. Ich zitiere aus dem Report des Office of Inspector General, eine Art Bundesrechnungshof in den USA, der die Geldverschwendung von Behörden anprangert:

„Assuming four astronauts per flight and using publicly available information, the estimated average cost

per seat is approximately $90 million for Boeing and approximately $55 million for SpaceX“

Klingt erst mal gut, Boeing ist etwas teurer als die Sojus, SpaceX deutlich billiger. Aber bitte genau lesen. Dort steht: „four astronauts per flight“. Bei den Russen flogen im Mittel 1,5 Astronauten pro Sojus (6 von 12 jährlich transportierten Astronauten, dazu 4-5 rußen und 1-2 Astronauten von ESA, JAXA, CSA). Die jährlichen Kosten betragen also:

Man hat also vier Sojus Flüge durch zwei US-Flüge ersetzt. Die kosten aber 580 anstatt 490 Millionen Dollar, sind mithin also teurer. Der springende Punkt ist eben das man die höheren Startkosten durch mehr Astronauten pro Flug teilt, aber jeder Start ist teurer.

Die volle Zahl an Astronuten – beide Raumschiffe haben Platz für sieben Sitze wird man aus anderen Gründen nicht ausnützen können. Denn die Astronauten brauchen Versorgungsgüter. Hier eine Liste der Starts 2019 von Versorgungsraumschiffen zur ISS:

Transporter Startdatum Fracht Anteil
Progress MS-11 4.4.2019 3.400 kg, davon 900 kg Treibstoff
Progress MS-12 31.7.2019 3.424 kg, davon 850 kg Treibstoff
Progress MS-13 8.12.2019 2.480 kg, davon 650 kg Treibstoff 32 %
Dragon CRS-17 4.5.2019 2.482 kg
Dragon CRS-18 25.7.2019 2.290 kg
Dragon CRS-19 5.12.2019 2.617 kg 25,3 %
Cygnus NG-11 17.4.2019 3.436 kg
Cygnus NG-12 2.11.2019 3.705 kg 24,5 %
HTV-8 24.9.2019 5.300 kg 18,2 %
Gesamt 2019 29.134 kg, davon 2.400 kg Treibstoff

Die 2.400 kg Treibstoff werden immer benötigt um die Bahn der ISS aufrechtzuerhalten, das war 2019 sogar relativ wenig, im Mittel rechnet die NASA mit 3,800 kg pro Jahr. Der Rest, 26.734 kg, ist in irgendeiner Weise an die Astronauten gekoppelt. Sei es Wasser oder Gase, Essen oder Ausrüstung.

Würde man bei jedem Flug nun alle verfügbaren Sitze, also sieben einsetzen, dann würde das wahrscheinlich den Start der Dragon und des Starliners kaum verteuern. Dann hätte die ISS dauerhaft drei Astronauten mehr, wenn die Russen ihre drei Sojussitze ausnutzen, sogar vier (sie würden dann natürlich nur noch zweimal pro Jahr wie die USA starten, es wären dann permanent drei Kosmonauten und sieben Astronauten an Bord). Die Frachtgüter müssen nun nach Beteiligung an der ISS aufgebracht werden. Das geschieht ohne Bezahlung über Güter. So entsprechen die 5,3 t des HTV Japans Beteiligung von 12,3 % am westlichen Teil der ISS (ohne Russland). Europa baut dafür das Servicemodul für die Orion, vorher transportierten fünf ATV Fracht zur ISS. Gehen wir von bisher (im Schnitt) drei US-Astronauten aus, so würde das US-Frachtaufkommen das passend dazu 49,8 % ausmacht um den Faktor 7/3 steigen. Es wären also anstatt fünf Flügen elf bis zwölf nötig. Und das wird teuer. Die NASA hat ja nur die Preise pro Mission für CRS-1 veröffentlicht, man kennt aber die Summe über alle CRS-2 Missionen: 6310 Millionen $ für 87.900 kg.

Nun ein einfacher Dreisatz:

und das jedes Jahr…

In der Praxis könnte es etwas besser werden, wenn man die beiden größeren internationalen Partner ESA und JAXA für mehr Engagement im Tausch gegen einen Astronautensitz überreden könnte, aber ich denke nicht, dass dies zumindest bei der ESA klappt. Das ISS-Budget war bei den letzten Ministerratstagungen immer in der Diskussion. So wird es bei einem Astronauten mehr bleiben, bei moderaten Zusatzaufwendungen für die Fracht.

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