Bernd Leitenbergers Blog

Die Lösung für ein überflüssiges Problem – das Space Shuttle mit Apollo-Hardware

Als 1969 die NASA die Industrie aufrief, Pläne für das kommende wiederverwendbare Trägersystem (die Bezeichnung Space Shuttle kam erst später) zu entwerfen, setzten viele Entwürfe auf die schon für das Apolloprogramm entwickelten Triebwerke J-2 und F-1. Das war folgerichtig. Keine Triebwerksgenration wurde wegen des bemannten Einsatzes so ausgiebig getastet, war so zuverlässig. Daneben waren sie die einzigen vorhandenen Triebwerke, die „man rated“ waren. Wie wir wissen, kam es letztlich anders.

Auf meine heutige Idee kam ich, als ich durch die Kommentare von „HansSpace“ erinnert wurde, dass das Space Shuttle ursprünglich ja ganz anders aussah. Das war kein riesiger Transporter mit großen Flügeln, das war ein kleiner Orbiter mit Stummelflügeln, in etwa so wie das X-37B heute. Es war gedacht, um eine Raumstation mit Astronauten und maximal 12 t Fracht pro Flug zu versorgen. Damit auch um den Faktor 3 leichter als das spätere Space Shuttle. Ironischerweise wurde dieses genau dann außer Dienst gestellt, als es eine Raumstation versorgen sollte, dafür wäre es die billigste Lösung gewesen, (na ja, wenn man die enormen Frachtmengen gebraucht hätte, die ein Space Shuttle transportieren kann).

Dadurch inspiriert habe ich mich dran gemacht, was herausgekommen wäre, wenn man das STS in der umgesetzten Form mit der Apollohardware gebaut hätte, also:

Da die NASA schon zu Apollozeiten Nachfolger für die Triebwerke entwickelt hat – das J-2S komplett, das F-1A hatte zumindest die Designphase durchlaufen, habe ich diese genommen. Neben besseren Leistungsdaten haben sie den Vorteil mehr Schub zu entwickeln. Damit braucht man weniger Triebwerke.

Fangen wir mit den SRB an. Jeder Booster hatte 11.800 kN Startschub. Ein F-1A hatten etwas über 8.000 kN. Es gibt nun die Möglichkeit zwei F-1 pro Booster einzusetzen oder eben nur eines. Ich habe Letzteres umgesetzt, aus mehreren Gründen:

Ich habe 500 t für einen Booster angesetzt, das Voll-/Leermasseverhältnis der S-1C habe ich übernommen. Dazu noch 17 % der Masse für Bergungssysteme addiert. Das führt dann zu einem Startgewicht von 506 t bei einem Leergewicht von 40 t.

Bei der Anzahl der J-2S, welche die drei SSME ersetzen ist es einfach. Fünf J-2S haben fast denselben Schub wie drei SSME. Also habe ich diese direkt ersetzt. Das führte mich zur ersten Konfiguration:

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
1.871.980 106.000 8.171 1.873 5,66 130,00 150,00

407,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
21.518 28 38 0 0 90 10

10

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 2 506.000 40.000 2.972 8009,0 8969,0

154,42

0,00

2 1 753.980 26.460 4.275 5500,0 6375,0

487,87

0,00

Als Referenzbahn habe ich eine Transferbahn zur ISS (150 x 407 km, 51,6 Grad Inklination) genommen. Ich berechne dabei nur die Bruttomasse aus Orbiter, Nutzlast und OMS-Treibstoff. Um die ISS zu erreichen, würde dann noch Treibstoff für die Bahnzirkulierung abgehen und die Nutzlast müsste man durch Abzug der Orbitermasse errechnen.

Ich erhalte beim originalen Space Shuttle 106 t für die Bahn und für die Option ebenfalls 106 t. Damit wäre ich eigentlich fertig. Aber nicht ganz. Zum einen wiegen die Triebwerke ja nicht gleich viel, das wäre zu berücksichtigen. Ein SSME wiegt 3.150 kg, drei Triebwerke also 9.450 kg. Ein J-2S dagegen 1.690 kg, fünf davon also 8.450 kg, mithin 1.000 kg weniger, die voll der Nutzlast zugute kämen. Mich störte aber etwas anderes: die niedrige Startbeschleunigung (nach Abzug der Erdgravitation) von 1,7 m/s. Die Saturn V startete zwar auch so langsam, üblich sind aber 1,25 g, also 2,5 m/s Überschuss. Um die Startbeschleunigung zu erhöhen, gibt es zwei Möglichkeiten.

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]

1.864.980

111.000

8.163

1.758

5,95

130,00

150,00

407,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]

22.618

28

39

0

0

90

10

10

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]

1

2

500.000

34.000

2.972

8009,0

8969,0

154,42

0,00

2

1

753.980

26.460

4.275

6600,0

7550,0

411,94

0,00

Das weitere J-2S senkt zudem die Gravitationsverluste, weil die Gesamtbrenndauer so auf 5/6 sinkt. Diese Option hat 111 t Bruttomasse, also 5 t mehr, die müsste man um die 1,7 t des J-2S reduzieren, könnte sie aber mit der 1 t geringeren Masse der bisherigen J-2S verrechnen, so das es effektiv etwa 4 t mehr sind.

Hinsichtlich Nutzlast gibt es also eine Antwort: Ja mit Apollo-Hardware gäbe es eine Lösung und sie liegt sogar noch 200 t weniger als das STS bei mehr Nutzlast. Das verdankt man dem hohen spezifischen Impuls der F-1A.

Aber es gibt andere Probleme. Ein Vorteil der SSME ist, das sie durch den hohen Brennkammerdruck sehr kompakt sind für ihren Schub. Dabei beherrschen sie schon das Heck des Orbiters, wie dieses Foto zeigt. Viel größer dürfen sie nicht werden, sollen sie beim Wiedereintritt nicht in den Plasmastrom gelangen. Bei sechs Triebwerken reden wir aber von doppelt so vielen Triebwerken, die auch mehr Platz benötigen. Zwar hat ein J-2S einen etwas kleineren Durchmesser als ein SSME (2,01 zu 2,30 m), aber keinen entscheidend kleinen Durchmesser. Ich fürchte sechs J-2S würde man nicht im Orbiterheck unterbringen, zumindest nicht in dem Heck der heutigen Form.

Eine Lösung wäre es drei Stück direkt am Tank anzubringen und diese würden so jedes Mal verloren gehen. Da die J-2S sowieso nicht für so viele Einsätze wie die SSME ausgelegt sind wäre die Lösung sogar nicht mal so schlecht, jedes Triebwerk würde dann genau zweimal eingesetzt werden (einmal am Orbiter, beim zweiten Einsatz dann am Tank). Ansonsten müsste man den Orbiter umkonstruieren, wahrscheinlich verkürzen und dafür dicker machen.

Auf der anderen Seite ist es offen, ob man Booster mit Flüssigkeitstriebwerken mit der damaligen Technologie so bergen kann, dass man sie wiederverwenden kann, ohne das der Aufwand zu hoch ist. GPS und leistungsfähige Computer gab es damals noch nicht und damit wäre eine Punktlandung auf einer Plattform wie bei SpaceX nicht möglich. Man würde sie wie bei den SRB durch Fallschirme abbremsen, vielleicht ergänzt durch Airbags, die zumindest das Eintauchen der Triebwerke ins Wasser verhindern. Aber ich habe meine Zweifel, ob sich rentiert. Man hat zwar mehrmals in der Raumfahrtgeschichte die Bergung einer mit flüssigen Treibstoffen angetriebenen Stufe durch Fallschirme untersucht, aber man hat es nie ausprobiert und sie vor allem danach nochmals gezündet, um zu sehen, ob sie es auch heil überstanden hat.

Fazit

Kurz zusammengefasst: Ja mit der Apollohardware wäre ein Shuttle System vergleichbar dem Space Shuttle möglich, aber die Wirtschaftlichkeit wäre noch fragwürdiger als beim Space Shuttle. Es wäre aber wahrscheinlich schneller verfügbar gewesen und die Entwicklungskosten wären wohl auch geringer gewesen.

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