Das Space Shuttle und das Starship

Als SpaceX seine Pläne für den Ausbau von Pad 39A vorlegte, wurde ich an das Space Shuttle erinnert, das ja auch von dort aus flog. Und da sehe ich einige Parallelen. Ich will sie mal kurz zusammenfassen. Es ist naturgemäß mehr über das Space Shuttle, schließlich ist es schon Geschichte und ein NASA-Projekt, das öffentlich ist. Die Informationslage ist damit um Größenordnungen besser als bei SpaceX Entwicklungen, die ziemlich geheim ablaufen, auch wenn der Chef andauernd neue Dinge verspricht. Seit Musk ist mir die Doppelbedeutung des Worts „Versprechen“ (einmal im Sinne von „Zusage“ und einmal im Sinne von „aus Versehen gesagt, ist nicht ernst gemeint, habe mich nur versprochen“ erst so richtig klar geworden.

Die Entwicklung

Beide Projekte haben eine durchaus wechselvolle Entwicklungsgeschichte hinter sich. Beim Starship kann man nur von der Designphase sprachen. Ich vermute wie beim Space-Shuttle warten bei der Entwicklung auch noch ein paar Überraschungen auf SpaceX. Die Explosion letzten Monat war da wohl ein Vorgeschmack.

Die NASA fasste den Beschluss für das Space Shuttle 1969 und brauchte drei Jahre um ein Konzept zu wählen. Dabei änderte sich die Konzeption total. Die ersten Entwürfe des US-Aerospacefirmen waren in beiden Stufen wiederverwendbare Gefährte – sie sahen unterschiedlich aus, hatten in beiden Stufen aber geflügelte Startstufe und waren beide bemannt. Die erste Stufe sollte in der Luft die Zweite ausklingen und dann zur Startbasis zurückfliegen. Teilweise wurde die Verwendung der F-1 und J-2 Triebwerke erwogen. Die NASA bekam jedoch keine Finanzierung für dieses Vehikel und so wandelte man das Konzept: Die erste Stufe wurde durch zwei Feststoffbooster ersetzt. Die zweite Änderung war, dass man um Hilfe im Kongress zu bekommen damit das Shuttle genehmigt wurde die Air Force ins Boot holte. Die letzten Entwürfe sahen einen kleinen Shuttle mit nur 12 t Nutzlast vor, mit Stummelflügeln, gerade groß genug um noch genügend Auftrieb zu geben. Ähnlich wie dem damals erprobten X-24 oder später der X-37 bzw. heute der Dreamchaser. Mit dem Eingehen auf die Luftwaffe wurde der Nutzlastraum riesig, die Nutzlast stieg auf fast 30 t und die Air Force wollte unbedingt ein Vehikel haben, das in einem Orbit starten, Nutzlast aussetzen und landen konnte, was eine hohe Querreichweite nötig machte, da die Erde in den 90 Minuten natürlich weiter rotiert. So kam das Space Shuttle zu den großen Flügeln.

Bei dem Starship/BFR ist das nicht so genau zu dokumentieren, doch 2016 als sie angekündigt wurde, damals noch als „ITS“ hatte sie 12 m Durchmesser, war 122 m hoch und brauchte 42 Raptor Triebwerke. Ein Jahr später schrumpfte der Durchmesser auf 9 m, die Höhe auf 118 m. Nun brauchte man nur noch 31 Raptor Triebwerke und die Nutzlast betrug 150 t. Als ich davon hörte, prognostizierte ich, dass sie bei der nächsten Revision wohl die Leistungsdaten der Falcon Heavy hätte und man dann einfach diese umbenennt. Inzwischen hieß sie auch nicht mehr ITS, sondern BFR.

Wieder ein Jahr später verkündete Musk eine neue Änderung. Grafiken zeigen auch leichte Designänderungen an der Rakete, vor allem dem oberen Teil, das nun Starship heißt. Die erste Stufe dann „Super Heavy“. Weil Kohlenfaserverbundwerkstoffe so teuer sind, wird man auf Edelstahl in vielen Teilen übergehen. Das sei auch thermisch belastbarer. Kann ich jetzt nicht so nachvollziehen, schließlich ist das ganze Gefährt ja voll wiederverwendbar, da lohnt sich die Mehrausgabe denn bei gleichen Materialeigenschaften sind CFK-Werkstiffe rund dreimal leichter als stahl. Bei einer „Wegwerfrakete“ würde ich Musk zustimmen. In der Luftfahrtbranche macht man ja gerade das Gegenteil und ersetzt Aluminium durch CFK, auch wenn es teurer ist, um Gewicht zu sparen. Die Nutzlast liegt nun nur noch bei 100 t in den LEO und 20 t in den GTO. Zum Mond kommt man ohne Auftanken dann sowieso nicht mehr.

Die Nutzlastabnahme

Beide Vehikel haben mit einer deutlichen Nutzlastabnahme zu kämpfen. Bei beiden begannen die Probleme schon in der Entwicklung. Beim Space Shuttle war das eigentlich wie bei jedem bemannten Raumfahrzeug der USA. Es wurde schwerer als geplant. Das war schon bei den vorherigen drei Projekten so. Der wichtige Unterschied. Als Raumtransporter mit einer maximalen Nutzlast von etwa einem Drittel der Startmasse (der Faktor scheint übrigens so eine Art Konstante zu sein. Auch bei den Versorgern der ISS kommt man auf diesen Faktor und bei Frachtflugzeugen liegt auch die Nutzlast bei etwa einem Drittel des Stadtgerichts). bedeutet jede Gewichtszunahme des Orbiters eine Abnahme der Nutzlast. Man konnte das schließlich um 10 t gestiegene Orbitergewicht dann noch abfedern. Die Triebwerke des Shuttles wurden auf 109 % Startschub gesteigert, der Tank nahm 30 t mehr Treibstoff auf. So blieb das Defizit auf 5 t beschränkt.

Bei dem Starship sehen wir etwas Ähnliches. Nun ist nicht mehr von 150 t Nutzlast (für die aktuelle Version, es waren mal 250 t bei der ersten Version) die Rede, sondern nur noch 100 t.

Die Beschränkung

Das Space Shuttle konnte nur einen niedrigen Erdorbit erreichen, ohne Nutzlast maximal einen 1.100 km hohen Kreisorbit oder eine elliptische Bahn mit einem Apogäum in 3.000 km Höhe. Relativ spät kümmerte man sich beim Space Shuttle um Oberstufen die Nutzlasten in den GTO, GEO oder zu den Planeten transportierte. Die schließlich gebaute Centaur erhielt dann nach Challenger Startverbot, was aber angesichts des Ausstiegs aus dem reinen Satellitentransport, auch für NASA und DoD dann nicht mehr so bedeutend war. Damit war aus dem universellen bemannten Transportvehikel ein bemanntes Transportvehikel mit der Fähigkeit zur Nutzlastmitnahme geworden.

Bei der BFR ist das ebenso. Mich wundert sogar das SpaceX eine GTO-Nutzlast angibt: 20 t. Ich habe versucht, die Rakete zu modellieren. Das Grundproblem: da die Geschwindigkeit für einen GTO rund 2500 m/s höher ist nimmt die Nutzlast ab. Bei Trägerraketen im Mittel um den Faktor 2,5 bis 3. Hier ist es war mehr, aber bei einer Stufe die 100 t in den Orbit befördert kann man davon ausgehen, dass sie selbst mehr wiegt als die 68 t die die Wikipedia angibt. Ich habe etwas gespielt und wenn man auf 20 t in den GTO ausgeht muss die oberste Stufe rund 140 t leer wiegen, wenn man der Erststufe wie bei der Falcon 9 große Treibstoffreserven für die Landung zugesteht. Dann kommt man aber in den Erdorbit auf nicht 100 t, sondern über 170 t. Da das so fast das doppelte von 100 t ist vermute ich ist die Angabe für den GTO mit Auftanken, also zwei Flügen. Beide Transporter wären so nicht in der Lage einen Erdorbit zu verlassen (hier ist die Bezeichnung „Space Shuttle“ durchaus ehrlicher als „Starship“).

Die Versprechen

Als das Space Shuttle angekündigt wurde, versprach die NASA folgendes:

  • Bis zu 60 Flüge im Jahr (mit fünf Orbiter)
  • Bis zu 24 Starts pro Startrampe/Jahr
  • Erstflug: Herbst 1979
  • Kosten von 10,5 Millionen Dollar (1972 Preisbasis) für den ganzen Nutzlastraum

Die Kosten pro Flug hatten sich vom Wechsel von dem voll wiederverwendbaren Orbiter zum teilweise erneut verwendbaren Entwurf schon verdoppelt. Damals versprach die NASA eine Reduktion der Transportkosten um den Faktor 10, so immerhin noch den Faktor 5. Auf heute umgerechnet wären das dann 60 Millionen Dollar pro Flug.

Heute verspricht und Elon Musk noch mehr. Suborbitaltourismus mit dem Starship zu Business-Class Preisen, zumindest soll die gesamte Kombination in der ersten Phase alle SpaceX Trägerraketen ersetzen. Selbst wenn ich das nicht glaube, ist doch für SpaceX eines beschlossene Sache: Das Starship ersetzt auch die Falcon 9 die für 50 Millionen Dollar bei Bergung der ersten Stufe angeboten wird. Das wäre dann wieder ein Nutzlastgewinn (bezogen auf den LEO, bei gleichen Kosten) zur Falcon 9 um den Faktor 5 wie beim Space Shuttle. Auch die bis zu 24 jährlichen Starts vom Pad 39A entsprechen den Shuttle Planungen.

Wie wir wissen, hielt das Space Shuttle nicht das, was die NASA versprach. Das grundlegende Problem war, das es bemannt war. Die dazu nötigen Aufschläge an Sicherheit führten zu langen Wartungsintervallen und geringer Flugrate. Das Space Shuttle Programm hatte am Schluss einen Fixkostenanteil von 2 Mrd. Dollar pro Jahr bei 3 bis 4 Mrd. Dollar Gesamtkosten. Jeder Flug kostete nur wenig, doch weil die Wartung so langwierig war, kam man auch nicht auf eine hohe Flugrate. Ich habe ja schon mehrfach geschrieben- wäre das Shuttle unbemannt einsetzbar gewesen, es würde heute noch fliegen. Ein Verlust eines Orbiters wäre zwar teuer, aber er wäre ersetzbar. Man hätte nur die Flüge bemannt durchgeführt die nötig gewesen wären und die anderen unbemannt durchgeführt, mit kleineren Anforderungen Sicherheit und höherer Flugrate. Doch das war wegen des Widerstands der Astronauten aber auch des JSC nicht zu machen.

Das Starship wird unbemannt ein, das ist ein Fortschritt. Ich vermute auch das es die NASA-Anforderungen für bemannten Transport in der ersten Generation nicht erfüllt, und daher zuerst mal Satelliten transportiert. Ob es die Versprechungen hinsichtlich Flugrate und Preis einhält, wird sich zeigen. Ich bin höchst skeptisch aus einfacher überschlägiger Berechnung: Wenn die Falcon 9 bei Wiederverwendung der ersten Stufe (je nach Quelle für 75 bis 80 % des Gesamtpreises der Rakete verantwortlich) von 62 auf 50 Millionen Dollar im Preis sinkt, dann bringt 75-80 % Wiederverwendung eine Kostenreduktion um 25 %. Da würde ich bei 100 % Wiederverwendung wie beim Starship auf 30 % Kostenreduktion tippen – allerdings ist es auch zehnmal größer als eine Falcon 9 bei der vierfachen GTO-Nutzlast (dem häufigsten Einsatz der Falcon 9). Es setzt 38 anstatt 10 Triebwerke ein, jedes mit dem doppelten Schub eines Merlin. Wie es unter diesen Randbedingungen billiger als eine Falcon 9 sein kann, ist mir ein Rätsel. Ebenso ein Rätsel ist, woher die vielen Starts herkommen sollen. Neben dem KSC wird auch von Brownsville aus gestartet. Das können, wenn die Frequenz dort ähnlich hoch wie bei 39A ist, dann 48 Starts sein, ich vermute aber weniger, da man dort wegen der Möglichkeit nach Süden zu starten wohl eher stärker geneigte Bahnen anfliegen wird. Space hat ja vor Jahren schon jedes Jahr doppelt so viele Starts der Flacon 9 prognostiziert, nun gab es letztes Jahr nur noch einen leichten Anstieg und dieses Jahr einen Abfall. Einfach weil SpaceX erst Aufträge bekam, die sie auch durch zwei Fehlstarts erstmal nicht erfüllen konnte. Aber der niedrige Trägerpreis hat keine Nachfrage generiert, die es schon vorher gab. Ich denke auch das Starship wird keine neue Nachfrage nach 100 t Nutzlast generieren. Im Gegenteil: Kommunikationssatelliten in den GTO werden leichter, Kleinsatelliten boomen und SpaceX eigenes Starlink Netzwerk besteht ja auch aus leichten Satelliten. So meine Prognose: wir werden die 24 Starts des Starships pro Jahr nicht sehen, zumindest nicht dieses Starship, das heute aktuell ist (SpaceX-Fans reden ja inzwischen vom „Juli Update, wie es in einigen Monaten aussieht, weiß wohl nicht mal Musk). Ich prognostiziere eher das es das Schicksal der Falcon Heavy teilt – es gibt außer einigen schweren Satelliten des US-Militärs einfach keine Nachfrage nach einer Rakete, die so hohe Nutzlasten hat. Hoffen wir mal das das starship nicht die gleiche Verzögerung der Falcon Heavy von fast 6 Jahren zwischen angekündigten und realem Jungfernflug hat. Für das Starship sind aktuell erste kommerzielle Starts ab 2021 vorgesehen. Ich denke davor wird es noch einige Testflüge geben. Das Space Shuttle flog eineinhalb Jahre später als geplant, ich glaube mit einer ähnlichen Frist wird man auch beim Starship rechnen müssen.

7 thoughts on “Das Space Shuttle und das Starship

  1. —So meine Prognose: wir werden die 24 Starts des Starships pro Jahr sehen, zumindest nicht dieses Starship, das heute aktuell ist—–

    Ich glaube du hast hier ein „nicht“ vergessen.^^

    Anfügen möchte ich noch, dass die „Alpha Version“ des „Starships“, soviel ich gelesen habe, weniger als 31 Triebwerke haben soll. (womit die Anfangsnutzlast wieder in den Sterben steht.)

    1. Vielen Dank für den Hinweis, das „nicht“ habe ich korrigiert. Den Hinweis auf die aktuelle Version musste ich bringen, weil SpaceX Fans gerne Blogs von 2011 rauskramen als die Falcon 9 V 1.0 (mit 330 t Startmasse) aktuell war um zu beweisen, das ich bei den Berechnungen unrecht habe.

      Und da sich die konfiguration dauernd ändert, derzeit wird ja von der „Juli Version“ gesprochen, muss man sich mittlerweile als Blogautor schon absichern. Das Datum des Blogs steht ja gottseidank in der URL und oben am Artikel.

      Ich bin auch gerade beim nächsten Blog wieder ins Schwimmen gekommen. 31 Triebwerke – 35 Triebwerke 7 oder 6 in der zweiten Stufe. SpaceX unterliegt offensichtlich der Muskchen Unschärferelation.

      1. „Muskchen Unschärferelation“

        Auch agile Produktentwicklung genannt. Manche Entwickler stecken ja noch im Wasserfallmodell fest (oder geben sich ganz den Segnungen der Cost+ Futtertröge hin)

        Gerade entstehen ja auch zwei Starships gleichzeitig – und nicht einmal diese sind Identisch. Ganz schöner Murks, den Musk da produziert 😉

  2. Tja, alternative Fakten halt.

    Wobei ich das aktuell auch in ein paar meiner älteren Raumfahrtbücher aus den 90ern merke.

    Bei Zubrin bin ich inzwischen 100%ig davon überzeugt, dass er (vor allem wenn es um die NASA geht) in seinem Mars Buch schlichtweg Sachen aus dem Kontext gerissen zurechgebogen hat, solange sie hübsch in sein Narrrativ passen.

    Bei Lewis (Mining the Sky/Dt. Unbegrenzte Zukunft) ist es ja imo. schon bewiesen. Dort behauptet er die Apolloblaupausen wären von Regierungsbürokraten „zerstört“ worden um einen Vergleich der mit der Zerstörung der chinesischen Entdeckerflotte der Ming Dynastie durch die kaiserlichen „Eunuchen“.

    Tja, nur ist das nicht wahr.

    https://space.stackexchange.com/questions/20302/were-the-saturn-v-construction-plans-destroyed

  3. Wobei man Fairerweise sagen muss das es bei dem Space Shuttle Nutzlast technisch auch ganz schnell hätte wieder nach oben gehen können. Da hast du ja auch vor nicht langer Zeit mal einen Blog drüber gemacht. Was allein die 5 Segment Feststoffboster an Nutzlast gebracht hätten. Wahrscheinlich hätte man die Module der ISS Dan nicht nur voll ausgestattet starten können sondern hätte noch zusätzlich Versorgungsgüter in ihnen n hochschicken können. Von einem Aufbeu mit einem unbemannt en Shuttle-C das noch mal 15 Tonnen mehr hätte Tronsportieren können (und wahrscheinlich auch größere Module) ganz zu schweigen.

    In der Hinsicht ist das Space Shuttle Spacex klar voraus. Die NASA hätte nur ein wenig investieren müssen und das Shuttle wäre weitaus Leistungsfähiger und flexibler gewesen. Dan hätte man was Nutzlast angeht die Versprechen spielend überbieten können.

    1. Beim Space Shuttle galt die Devise „You get no bucks without Buck Rogers“. Der Abschied vom bemannten Konzept hin zu einem Schwerlastshuttle bekam eben nie die Unterstützung.

      Das I-Tüpfelchen war ja, nachdem das shuttle inhärent instabil ist und nur durch den Computer gesteuert werden kann, sobald es die Atmosphäre verlassen hat, das man verhindert hat das es wie Buran automatisch landet indem der Hebel für das ausfahren des Fahrwerks nur manuell gezogen werden kann. Sonst wäre das Ding ja ohne Astronauten einsetzbar …

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