Bernd Leitenbergers Blog

Die Lösung für ein überflüssiges Problem – Wie nahe kann ein Sonnensegel an die Sonne?

Sonnensegel sind in den letzten Jahrzehnten als alternativer Antrieb etwas ins Hintertreffen geraten. Ionenantriebe werden dagegen verstärkt eingesetzt. Das hat durchaus Gründe. Zum einen wurden die Ionenantriebe durch Fortschritte in der Energieversorgung (durch Solarzellen) attraktiver. Zum anderen fehlt es an Projekten, die die sinnvolle Anwendung von Sonnensegeln zeigen.

Ein Vorteil haben Sonnensegel aber immer – sie verbrauchen keinen Treibstoff und ihr „Schub“ wird immer größer je näher man sich der Sonne nähert. So wären sie eine Alternative für Missionen ins innere Sonnensystem. Derzeit gibt es da ja drei – Solar Orbiter, Parker Solar Probe und BepiColombo. Daneben wäre denkbar. sich der Sonne sehr stark zu nähern und während des Entfernens weiter zu beschleunigen und so genügend Schub für einen Ausflug ins äußere Sonnensystem zu bekommen.

Doch wie stark kann man sich der Sonne nähern?

Jedem logisch nachvollziehbar ist, dass die Energie die auf das Segel fällt. immer größer wird je mehr man sich der Sonne nähert – denn die Fläche, auf die sich die konstante Strahlung der Sonnenoberfläche verteilt wird immer kleiner. So gibt es auf dem Merkur Temperaturen bis zu 425 °C.

Die Beziehung zwischen der Entfernung und aufgenommenen Energie ist relativ einfach:

Die Körper umgibt eine Kugelsphäre, auf die die gesamte Energie der Sonne fällt. Die Fläche dieser Kugel ist damit berechenbar nach:

F = 4 × Pi ×

F = Fläche

r: Radius = Abstand von der Sonnenoberfläche

σ: Stefan-Bolzmann Konstante

Vereinfacht: Die Energie pro Flächeneinheit steigt quadratisch an. Kennt man die Energie, die auf einen Quadratmeter bei einer bestimmten Distanz fällt, so kann man die Energie für jede Fläche und jede beliebige Distanz berechnen. In 149,6 Millionen km (mittlere Distanz der Erde zur Sonne) sind es 1355 W/m².

Nach dem Stefan-Bolzmann Gesetz kann man die Temperatur eines schwarzen Körpers berechnen:

T4 = P / σ × F

P : Energie

F: Fläche

T: Temperatur

Für die Erdentfernung gilt mit der Stefan-Bolzmann-Konstante σ = 5,67×10-8 W/m²/K4,. 1 m² Fläche (F) und 1355 W/m² (P) errechnet man so 393 K = 120 °C. Das ist erheblich mehr als die Erde selbst an Temperatur hat. Denn die obige Gesetzmäßigkeit gilt für einen idealen, schwarzen Körper, ein Körper, der sämtliche Strahlung aufnimmt, keine zurückwirft und sich solange aufheizt, bis ein Gleichgewicht zwischen abgegebener und aufgenommener Strahlung eintritt. Die Erde rotiert aber, das heißt die Strahlung verteilt sich auch auf die Rückseite, die nicht direkt angestrahlt wird, zudem ist sie eine Kugel, kein Kreis. Ein Kreis von der Erdgröße hat aber eine Fläche von pi × r², eine Kugelhälfte aber eine Fläche von 2 × pi × r². Die Atmosühäre heizt sich auch auf und trägt zur Verteilung bei, wirkt selbst aber auch als Wärmequelle und nicht zuletzt, der wichtigste Faktor: Die Erde nimmt nicht alle Strahlung auf, denn sonst wäre sie aus dem Weltall aus betrachtet nur ein schwarzer Kreis.

Man muss noch den Reflexionsgrad hinzunehmen. Er drückt sich darin aus das nur ein Teil der Energie aufgenommen wird. Der Rest wird wieder ins All reflektiert. Die Erde hat einen Reflexionsgrad von etwa 36 %, der Mond ist erheblich dunkler mit 12 % und daher ist es auf dem Mond auch heißer (neben anderen Faktoren wie der langsamen Rotation). Der höchste Reflexionsgrad natürlicher Oberflächen hat frisch gefallener Schnee, der bis zu 90 % erreichen kann. Jeder kennt das im Winter, wenn man bei strahlendem Sonnenschein von Schneeflächen geblendet wird. Es gibt sogar eine Krankheit, die Schneeblindheit.

Solarsegel bestehen meistens aus einer mit Aluminium beschichteten oder bedampften Kapton Folie. Kapton ist ein Kunststoff, von dem man sehr dünne Folien herstellen kann und der sich daher für diesen Einsatzzweck besonders eignet.

Es ist logisch, das man sich solange der Sonne nähern kann, bis die Temperatur des Segels so hoch wird, das die Materialen geschädigt werden. Aluminium verträgt problemlos 500 °C, Kapton als Kunststoff ist für einen Kunststoff auch beständig, genannt werden bis zu 400°C. Das sind aber Spitzenwerte für kurze Zeiten. Dauerhaft sind immerhin 260°C möglich. Das Aluminium als Beschichtung reflektiert den größten Teil der Strahlung, das ist erwünscht, denn dadurch erhöht sich der Schub (er verdoppelt sich bei Reflexionsgrad 1 gegenüber dem schwarzen Körper). Aluminium hat über einen breiten Wellenbereich einen Reflexionsgrad von 0,9.

Obige Formel, angewandt für einen Reflexionsgrad von 0,9, liefert eine Temperatur von 221 °C. Das sind schon mal 170 °C weniger als bei vollständiger Aufnahme der Strahlung. Format man um auf aufgenommene Strahlung so erhält man:

P = T4 × σ / (1-Reflexionsgrad)

Mit T = 523 K (260°C), Reflexionsgrad = 0,9 erhält man P = 45760 W/m²

Die Entfernung liefert uns der Vergleich mit der Einstrahlung in Erdentfernung und ziehen der Wurzel wegen des quadratischen Anstiegs der Strahlung:

r = 149,6 Millionen km / Wurzel (45760 / 1355)

r = 25,8 Millionen km

Das ist sehr nahe, etwas mehr als ein Drittel der mittleren Entfernung von Merkur zur Sonne und weniger als die Hälfte der Minimaldistanz. Wesentlich für den Schub ist die Energie und die ist 33-mal höher als in Erdnähe, die Beschleunigung also auch 33-mal höher.

Doch reicht es?

Es gibt zwei Fälle. Will man ins innere Sonnensystem so sind die Vorteile offensichtlich. Entweder man erreicht die Distanz durch zahlreiche Swing-Bys (sieben bei der Parker Solar Probe, sogar neun beim Solar Orbiter) oder durch Ionentriebwerke (BepiColombo). Auch Ionentriebwerke profitieren von sinkendem Sonnenabstand, da der Strom durch Solarzellen erzeugt wird, doch die verlieren an Leistung, wenn sie zu heiß´werden. Etwa die doppelte Leistung in Erdnähe sind möglich, dann muss man sie zunehmend schräger stellen, um eine Überhitzung zu vermeiden. Die 26 Millionen km Distanz erreicht ein Sonnensegel mit 50 % Nutzlastanteil und heutiger Technologie (Flächengewicht 14 g/m²m Streben: 120 g/m, quadratisches Segel) in 1 Jahr 244 Tagen. Startet man mit 3 km/s Überschuss – das macht bei der Startgeschwindigkeit von der Erde aus nur rund 400 m/s aus, so sind es nur 1 Jahr 4 Tage. Zum Vergleich: Bepi Colombo braucht um Merkur zu erreichen über 5 Jahre.

Anders sieht es beim Schwungholen aus, um ins äußere Sonnensystem zu gelangen. Nach meinen Simulationen steigt der Abstand so schnell an, dass die Annäherung an die Sonne die Reisedauer nicht auf erträgliche Werte verkürzt. Für diesen Fall benötigt man viel leichtere Segel als die, die bisher erprobt wurden. Theoretisch sollte eine radikale Gewichtsreduktion möglich sein, indem man die Kaptonfolie nach dem Auftragen des Aluminiums ablöst, z.B. durch Ätzen. Die hauchdünne Aluminiumschicht wiegt nur einen Bruchteil dessen, was das Segel mit Folie wiegt. Doch wie diese dünne Folie verpacken, falten und wieder entfalten ohne das sie reist? Das Problem muss erst noch gelöst werden.

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