Bernd Leitenbergers Blog

Die 2021 SpaceX-Rückschau und die Wette für 2021

Vorab eine Bemerkung: ich schreibe den Artikel am 19.12., zu einem Zeitpunkt, bei dem noch der letzte Start von SpaceX aussteht, gehe aber davon aus, dass dieser noch dieses Jahr erfolgt und man so eine Bilanz ziehen kann. Es sind 25 Starts, erheblich mehr als letztes Jahr (13) und mehr als 2018, dem bisherigen Rekordjahr. Also alles in Butter? Nicht ganz, denn zumindest die Starts seitens Kunden, egal ob kommerzielle oder staatliche nimmt ab. 2018 waren alle Starts von zahlenden Kunden, 2019 waren trotz nur 13 Starts schon zwei für Starlink, das heißt, die Zahl der gebuchten Starts hat von 21 auf 11 abgenommen und dieses Jahr sind von den 25 Starts auch 14 für Starlink, also ebenfalls 11 kommerzielle Starts. Das scheint die dauerhafte Nachfrage zu sein, nachdem es die ersten Jahre immer mehr Starts gab, auch weil SpaceX in den Zeitplänen immer den eigenen Ankündigungen hinterherhinkte. Auch für dieses Jahr haben sie nur für Starlink 24 Starts prognostiziert. Ich habe dagegen gewettet mit maximal 17 Starts und denke ich habe erneut gewonnen.

Ansonsten können sie nun endlich die Crew-Flüge aufnehmen, nachdem ein Testflug erfolgreich war. Die erste Mannschaft ist auch schon oben. Einen Vorvertrag für einen reinen Flug mit Weltraumtouristen ist auch schon unterschrieben. Konkurrent Boeing hatte dagegen Probleme mit seinem Starship. Die hatte SpaceX letztes Jahr. So gesehen geben sich die beiden Firmen nichts. Die interessanteste Entwicklung ist natürlich die des Starships und da wurde einem echt was geboten:

Es folgten einige kleine Tests von 1, 20 und 150 m Höhe, bei denen sich das Starship seitwärts bewegte – sicher nicht geplant, aber SpaceX glaubten, das dies nur an einem Triebwerk liegen würde. Nicht unmöglich kann man ein Triebwerk auch starr einbauen, aber doch unwahrscheinlich, wenn es nur drei Triebwerke gibt und wie der letzte Test zeigte, bei dem die Triebwerke auch geschwenkt wurden, sind sie beweglich eingebaut, sonst könnte das Starship wohl auch kaum 90 Grad in einigen Sekunden drehen, wie es vor der Landung der Fall ist. Auch dieser Test war mit einem Triebwerksausfall kurz vor der Landung nicht ganz erfolgreich. Als wesentlichste Folgerung dürfte man mehr Treibstoff für die Landung mitführen, was die Nutzlast absenkt.

Aber eigentlich sollte ja dieses Jahr der erste orbitale Startversuch der BFR stattfinden, kein Hopser über 12,5 km. Immerhin scheint Musk nun realistischer zu sein und spricht nun von zwei Jahren bis zum ersten orbitalen Start, zusammen mit dem vergangenen Jahr also drei nicht eines und vier Jahren ab jetzt bis zum ersten bemannten Einsatz.

Die grundlegende Frage bei beiden Projekten ist ja, ob sie sich finanziell lohnen. Bei Starlink gebe ich gerne zu, fehlt mir das Wissen um es zu beurteilen. Aus allgemeiner Lebenserfahrung weiß ich aber das eine terrestrische Lösung immer billiger als eine Satellitenlösung ist und mit immer weiter steigenden Ausbau der terrestrischen Netze – auch für neue Mobilfunkanwendungen, Stichwort 5G, die Zahl der potenziellen Kunden kleiner wird. Zudem wird Internet über Satellit schon angeboten, zu kleineren Kosten, als sie von SpaceX bekannt sind und da ist der große Run bislang ausgeblieben. Daher sehe ich dem skeptisch entgegen, nicht nur bei SpaceX, sondern auch bei Oneweb.

Etwas mehr Fachkenntnis bilde ich mir beim BFR ein. Hier spielt zum einen die Nachfrage, zum anderen die Kosten eine Rolle. Die Nachfrage seitens externer Kunden sinkt, das beweisen die letzten Jahre, nach dem Hype auf einen konstanten Wert von etwa einem Dutzend Starts pro Jahr. Dann wird spekuliert, das SpaceX damit schneller sein Satellitennetz aufbauen kann, das ja zuerst 4.400, dann 12.000 und zuletzt 42.000 Satelliten umfassen sollte. Doch dann sollte die Firma ja schon jetzt das Interesse haben das Netz schneller auszubauen, was sie ja mit der Falcon Heavy machen könnte. Nimmt man die Startpreisinfos der SpaceX Website, wäre das sogar günstiger, denn bei dreifacher Nutzlast kostet diese 50 % mehr. Vor allem aber würden dreimal weniger Starts ausreichen, das heißt, SpaceX hätte dieses Jahr nicht rund 840, sondern 2.520 Satelliten im Orbit und damit das Netz zu mehr als der Hälfte in der ersten Stufe fertiggestellt. Das Zweite ist das Hoffen auf völlig neue Kunden, verspricht uns Musk doch seit Jahren eine drastische Kostenreduktion der Startpreise um den Faktor 100. Nur gibt es seit Jahren auch die Wiederverwendung der ersten Stufe der Falcon 9 und das hat sich bisher nur in einer 20%-Preisreduktion niedergeschlagen. Wie die Bilanz externer Aufträge zeigt, hat sich dies nicht in mehr Aufträgen niedergeschlagen. Und einen Bedarf für 100 t Nutzlast gibt es nicht, den gibt es nicht mal für die 70 t der Falcon Heavy, sonst würde die sicher öfters fliegen.

Die zweite Frage ist ob die BFR überhaupt so viel billiger wird. Auch wenn SpaceX keine Daten veröffentlicht, so ist eine größere Rakete mit der gleichen Technologie immer teurer. Die BFR wiegt mehr als das dreifache der Falcon heavy. Von der Falcon 9 kann man nach SpaceX eigenen Angaben rund 60 % der Kosten einsparen. 30 % mehr, wenn Oberstufe und Nutzlastverkleidung wiederverwendet werden. Das heißt bei vollständiger Wiederverwendung könnte man maximal nochmals die Hälfte der bisherigen Einsparungen hinzugewinnen. Demgegenüber haben wie eine dreimal schwerere Rakete, also entsprechend teurere Rakete mit wesentlich anspruchsvollerer Technologie, wie Hochdruck-Triebwerken mit gestaffelter Verbrennung, Wiedereintritt mit Orbitalgeschwindigkeit und die Erfordernis eines Hitzeschutzschildes, der schon beim Space Shuttle nicht so unproblematisch war. Das verteuert aber einen Träger. Dafür transportiert die BFR nur 30 % mehr Nutzlast als eine Falcon Heavy. Also unter diesen Umständen würde es mich wundern, wenn sie pro Start billiger als eine Falcon Heavy wäre und wie schon geschrieben, für diese gibt es keinen Markt.

Jenseits von Musk sieht man die Zukunft wohl etwas realistischer. Shotwell hat ja schon ins spiel gebracht, damit Weltraummüll zu beseitigen. Also wenn es schon keine Nutzlasten und Kunden gibt dann sucht man eben nach einer neuen Verwendungsmöglichkeit. Immerhin könnten sie so mal ihre Starlink-Satelliten deorbitieren. denn nur ein Teil der Konstellation wird so niedrige Höhen haben das sie bei einem Ausfall von alleine verglühen. Ein Teil wird in über 1000 km Höhe stationiert, einem Orbit der über Jahrhunderte bis Jahrtausende stabil ist. Und weniger als 1 Jahr nach dem Start der ersten Satelliten sind ja auch schon 2,5 % defekt.

Die Wette für 2021

Das leitet mich zu meiner jährlichen Wette über. Bisher habe ich immer eine Wette abgeschlossen die bis Jahresende begrenzt war. Das wird so langsam langweilig, daher habe ich eine längerfristige Wette abgeschlossen. Im April veröffentlichte SpaceX einen „Starship Users Guide“. Ich schreibe das in Klammern, weil die Informationen in dem Users Guide sich zu anderen Guides von ULA und Co genauso verhalten wie der Informationsgehalt der Bild Zeitung zu dem Brockhaus. Inzwischen ist er wieder vom Netz, vielleicht bis zur Veröffentlichung wieder in einer neuen Fassung online. Vielleicht muss man auch nach der gescheiterten Landung, die ja zeigt, dass man mehr Treibstoff für das Landen braucht, Treibstoff, der von der Nutzlast abgeht, die Nutzlast nach unten korrigieren. Ich habe ihn, weil es das schon mal bei der Falcon 9 gab, aber lokal gesichert. Daraus habe ich folgende Tabelle übernommen:

Ich glaube nun, dass die 21 t GTO Nutzlast nicht erreicht werden, zumindest nicht mit dem derzeitigen Starship (Wikipedia gibt an, dass es 120 t trocken wiegt, bei 1.200 t Treibstoff, die erste Stufe sollte 3.400 t Treibstoff haben, auch hier, weil die Angaben in der Zukunft sicher angepasst werden, die Version der Wikipedia von heute. Ich habe das mal für den Blog überschlagen. Mit 120 t Masse kann ein Starship, wenn es 100+ t Nutzlast hat, nie 21 t GTO erreichen, dazu müsste es erheblich leichter sein oder die 100+ t kann man auch als 150+t deuten und dann würde da auch 150+ t stehen. Diese Bemerkung muss sein, weil immer wieder SpassX-Fans bei denen Begeisterung und Wissen diametral entgegengesetzt oder umgekehrt proportional sind, immer wieder alte Wetten rausziehen, die sich auf andere Versionen der Falcon bezogen, um zu beweisen, dass ich unrecht habe – völlig ignorierend das die erste Version der Falcon 333 t beim Start wog und die heutige 549 t. Also offiziell die Wette:

Ich wette, das ein Starship, wenn es 120 t trocken wiegt, keine 21 t GTO Nutzlast hat.

Die ersten Starships sollen ja schwerer sein, aber man kann auch dann leicht ausrechnen wie viel GTO Nutzlast die hätten, das gleiche gilt, wenn es mal leichter als 120 t werden würde.

Zuletzt noch eine Bemerkung. Ich habe mir mal die Mühe gemacht auszurechnen, was die BFR ohne Wiederverwendung transportieren könnte. Das basiert auf den publizierten spezifischen Impulsen (3240 / 3719) und Schub (.2200 kN Boden, 2.500 kN Vakuum). Als Voll-/Leermasseverhältnis habe ich 20 angenommen, das ist eher zu „schlecht“ als zu gut. So was erreichte die S-IC mit relativ schweren F-1 Triebwerken, getrennten Tanks und Technologie der Sechziger Jahre. SpaceX reklamiert 30 für die Falcon 9 Erststufe, auch wenn das meiner Ansicht nach etwas hoch ist, aber 20 sind eher zu niedrig bei Hochdrucktriebwerken, Li-Al Legierungen. Ich halte 24 bis 25 für erreichbar, habe aber mit 20 gerechnet. Ich habe die zweiet Stufe auf 1.000 t Masse verringert und die erste Stufenmasse entsprechend um 200 t erhöht und zwei Triebwerke von dem Starship in die erste Stufe transferiert (30 / 4) anstatt (28 / 6). Diese Version kommt, selbst wenn ich berücksichtige, dass meine Simulation immer etwas optimierter als die Wirklichkeit ist, auf 220t Nutzlast in einen LEO, nicht 100 t. Also die Wiederverwendung kostet hier wirklich massiv an Nutzlast, in den GTO wären es 90t und auf eine Fluchtbahn 60t Nutzlast, das schafft eine wiederverwendbare BFR nur mit mehrfachem Auftanken. Es ändert aber nichts daran, das es auch für eine Rakete mit 200t Nutzlast keinen Markt gibt.

Edit 9.4.2024 – Wette gewonnen!

Inzwischen hat Elon Musk zugeben das das Starship das als ich die Wette abgab, der Stand der Entwicklung war keine 100 t Nutzlast in den LEO erreicht, sondern erst ein zukünftiges Starship V2:

„The engine improvements would support a “Starship 2” that also features a slightly longer booster and ship. That will be able to place more than 100 metric tons into orbit in a fully reusable configuration, Musk said“

Damit habe ich meine Wette gewonnen, denn Musk dürfte von einer LEO Nutzlast von 100 t redet, während die Angabe im Users Guide von 100+ t in den SSO ausgeht, der eine um rund 500 m/s höhere Geschwindigkeit erfordert und so ist es noch weiter vom Erreichen der 21 t GTO Nutzlast entfernt.

Link: Alle SpaceX Wetten

Rakete: Super Heavy / Starship ohne Wiederverwendung

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
5.020.000 240.000 7.831 421 4,78 160,00 200,00 200,00
Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
68.800 29 90 0 210 90 5 10 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 1 3.780.000 190.000 3.531 68800,0 74300,0 170,61 0,00
2 1 1.000.000 50.000 3.719 4400,0 5090,0 694,12 172,00

 

Simulationsvorgaben

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 28,8 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 5,0 s
Abbruch wenn ZielApo überschritten, Orbitsim wenn Kreisbahngeschwindigkeit erreicht
Perigäum Apogäum Sattelhöhe
Vorgabe 200 km 200 km 160 km
Real 197 km 271 km 160 km
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
27,5 Grad 334 km 262 km 240.000 kg 238.719 kg 866,0 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3
Zeitpunkt 100,0 s 250,0 s 781,4 s
Winkel 48,9 Grad 37,6 Grad -8,0 Grad

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Dist: v(x): v(y): v(z): v: Peri: Apo: a:
Start 0,0 s 0,01 km 0,0 km 408 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -6378 km -6378 km 3,9 m/s
Rollprogramm 5,0 s 0,04 km 0,0 km 406 m/s 26 m/s -24 m/s 408 m/s -6372 km -768 km 4,2 m/s
Winkelvorgabe 100,0 s 20,33 km 0,4 km 1034 m/s 808 m/s -469 m/s 1394 m/s -6323 km -708 km 15,3 m/s
Brennschluss 1 170,6 s 84,27 km 6,7 km 2735 m/s 2039 m/s -791 m/s 3502 m/s -6012 km -450 km 42,4 m/s
Zündung 2 172,0 s 86,32 km 7,0 km 2737 m/s 2029 m/s -797 m/s 3499 m/s -6011 km -449 km -9,5 m/s
Verkleidung 210,0 s 139,70 km 18,6 km 2840 m/s 1819 m/s -962 m/s 3507 m/s -5960 km -409 km -5,1 m/s
Winkelvorgabe 250,0 s 187,97 km 37,5 km 2954 m/s 1601 m/s -1130 m/s 3545 m/s -5900 km -373 km -4,7 m/s
Winkelvorgabe 781,4 s 278,87 km 1593,4 km 5629 m/s -1912 m/s -2878 m/s 6605 m/s -3884 km -184 km 3,6 m/s
Sim End 866,0 s 261,50 km 2337,4 km 6548 m/s -2730 m/s -3074 m/s 7732 m/s -3032 km 223 km 8,5 m/s
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