Bernd Leitenbergers Blog

Die Raketenentwicklung in den USA von 1945 bis 1965 – Teil 1

Als im Mai 1945 der zweite Krieg zu Ende ging, wechselten die meisten deutschen Raketenentwickler in die USA. Es schlossen ich zwei Jahrzehnte eine rasanten Raketenentwicklung an, um die es in diesem Artikel geht.

Aber ich beginne mit der Vorgeschichte. Die NASA hat ein ganzes Zentrum nach Robert Goddard benannt, das Goddard Space Flight Center (GSFC) und Goddard gilt als einer der Pioniere der Raumfahrt. Wie konnte Deutschland da die USA überholen?

Die USA hatten bis Kriegsende nur kleine Feststoffraketen entwickelt, wie sie als Starthilfe für überladene Transportflugzeuge oder für die Bazooka benötigt wurden. Ein Triebwerk, das flüssigen Treibstoff nutzte, gab es nicht. Robert Goddard arbeitet dabei schon früher, in den zwanziger und dreißiger Jahren an Raketen mit flüssigen Treibstoffen. Sein Einfluss auf die Raketenentwicklung war gleich Null. Goddard war ein schwieriger Charakter, eigenbrötlerisch, heute würde man sagen, „nicht teamfähig“.

Goddard tüftelte alleine und veröffentlichte nach anfänglicher Kritik an seinen Schriften nichts mehr über seine Ergebnisse. Derartige völlig unberechtigte Fundamentalkritik gab es überall, auch in Deutschland. Viele „Experten“ waren, obwohl die Newtonschen gesetzte ja schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hatten, der Meinung eine Rakete könnte im Weltraum nicht funktionieren, weil sei sich an der Luft „abstößt“.

Goddard meldete lieber alle Entdeckungen beim Patentamt an. Die NASA zahlte später der Guggenheim Foundation, welche die Arbeit Goddards finanziert hatte und die Rechte an den Patenten hielt, 1 Million Dollar. Für die viel umfangreicheren Reichspatente, die bis heute in jeder Trägerrakete der Welt stecken hat die NASA übrigens nie auch nur einen Pfennig gezahlt. Während des Kriegs arbeitete Goddard in relativ unbedeutender Stellung an Feststoff-Starthilfsraketen für Flugzeuge. Als die deutschen Raketenspezialisten 1945 von einer US-Spezialeinheit übernommen wurden, die den Auftrag hatte, sie zu finden, und zu „überführen“, witzelte einer „Wozu braucht ihr uns, ihr habt doch Prof. Goddard?“. Aber keiner der US-Spezialisten für Raketentechnik kannte Robert Goddard.

Das man in Deutschland sehr bald alle anderen Nationen in der Raketentechnik überholte, hatte natürlich mit der militärischen Förderung zu tun. Schon während der Weimarer Republik finanzierte die Reichswehr die Raketenforschung, weil diese Waffe im Vertrag von Versailles nicht vorkam. Unter Hitler nahm dies noch zu, und wurde seltsamerweise auch nicht beendet als 1940/41 eigentlich Deutschland keine Rakete als Waffe mehr benötigte. Aber das war nur ein Aspekt. Deutschland war damals „raketenverrückt“. Nicht nur das Militär forschte, sondern es gab überall Vereine, Gruppen, Tüftler, die mit Raketen experimentierten. Schon 1938 stellte Fritz von Opel (Automobilbauer) mit dem raketenbetriebenen Fahrzeug „Rak2“ einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf der AVUS auf. Bastler bauten Raketen in Flugzeugmodelle und experimentieren mit Raketen um Segelflugzuge zu starten.

Es gingen 1945 nicht nur rund 100 Spezialisten für Raketentechnik in die USA, sondern auch mehrere Tonnen an Konstruktionsunterlagen, die vorher von Peenemünde auf Lastwagen verladen und in einen versteckten Stollen gebracht wurden, die dann der US-Army übergeben wurden. Weiterhin erreichte die US-Army die Produktionsstätten mit ihren KZ zuerst und verlud alles was irgendwie fertig war bevor sie das Gebiet räumen und an die rote Armee übergeben musste.

In den USA bestand die Aufgabe der „Deutschen“ die US-Industrie mit der Rakete vertraut zu machen. Konstruktionspläne sind wichtig, aber sie verraten nicht, warum man jedes Detail genauso so konstruiert hatte – in der A-4 steckten mehrere Jahre Erfahrungen, in denen vieles probiert und verworfen wurde. Es gipfelte darin, dass die erbeuteten A-4 gestartet wurden, zuerst alleine, dann mit US-Feststoffraketen als Oberstufen.

Doch das war es dann auch. Die Starts liefen schon nach wenigen Jahren aus. Die Deutschen blieben weiterhin in White Sands interniert, waren aber weitestgehend arbeitslos. Ein Teil wechselte in die US-Industrie, wo sie nun Triebwerke oder andere Teile für Raketen entwickelten. Wernher von Braun war frustriert, er veröffentlichte in dieser Zeit viel in US-Medien und arbeitete zeitweise auch mit Walt Disney zusammen um seine Vision zu verbreiten.

Aus militärischer Sicht war der Verzicht auf eine Großrakete logisch. Eine Rakete war nur einmal einsetzbar. Damals auch noch nicht sehr zuverlässig. Die Zuverlässigkeit konnte man durch viele Teststarts steigern, in denen nach und nach alle Fehler oder Nachlässigkeiten auftraten doch das machte das Waffensystem in der Entwicklung noch teurer. Das Militär machte eine Kosten-Nutzenrechnung und die sah schlecht aus. Selbst mit einem Atomsprengkopf war sie nur bedingt nützlich. Eine Atombombe benötigt in ihrem Kern eine kritische Maße, in der Neutronen genügend U-235 Atome zum Spalten finden, dass sie eine Kettenreaktion zumindest kurze Zeit aufrecht erhalten können. Dazu werden kleinere Uranmengen, jeder Teil unterkritisch zusammengebracht. Bei der Hiroshima Bombe waren es zwei Teile. Je mehr Teile es sind, desto größer ist die Sprengkraft. Mit dem Zusammenpressen durch Sprengkopf kann die Sprengkraft weiter erhöht werden, doch auch dieser Vorgehensweise sind Grenzen gesetzt. Die größten je getesteten Atombomben hatten rund 500 kT Sprengkraft. Die Hiroshima Bombe mit 20 t Sprengkraft hatte einen totalen Zerstörungsradius von 0,5 km. Damals war es aber nicht möglich so genau eine Rakete in das Zielgebiet zu bringen, die A-4 hatte eine Abweichung von mehreren Kilometern. Dann war aber selbst die Wirkung auf ungeschützte Soldaten klein. Schon leichte Schutzmaßnahmen wie Gräben erhöhten die Überlebensrate deutlich, das testeten de USA sogar bei Atombombentests selbst. Erst recht waren Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen oder in Bunkern vor der Hitze und Druckwelle geschützt (nicht vor der Strahlung, doch die wirkte sich erst nach Tagen bis Wochen aus, was dem Militär wohl dann egal war). Solange die Treffgenauigkeit nicht entscheidend verbessert wurde, war eine Rakete als Waffe militärisch weitestgehend sinnlos.

Dazu kam das die USA die größte und modernste Bomberflotte hatten. Im Koreakrieg konnte diese weitestgehend ohne eigene Verluste mehr Bomben auf Nordkorea abwerfen, als im ganzen zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen. Man entwickelte erste Langstreckenbomber die auch interkontinentale Distanzen überwinden konnten und die man in der Luft auftanken konnte, sodass sie atomar bestückt, als Dauerbedrohung ständig in der Luft bleiben konnten.

Mehrere Ereignisse änderten diese Einschätzung. Zuerst zündete 1949 aus Russland die erste eigene Atombombe. Damit war man nicht mehr im alleinigen Besitz dieser Waffe. Dann kam der Koreakrieg, bei die USA geführten UN-Streitkräfte an den Rand der Niederlage gerieten. Atomwaffen auf dem Gefechtsfeld wollte Präsident Truman nicht einsetzen. Das löste eine enorme Steigerung des Militärbudgets aus. In 2009-er Dollars betrug es 1937 rund 51 Milliarden Dollar, 1953 waren es 443 Milliarden Dollar. Nun dachte man auch wieder an eine Rakete,hatte auch das Geld dafür, zumal die USA die Wasserstoffbombe entwickelten, mit viel größerer Sprengkraft, sodass eine größer Abweichung vom Zielpunkt tolerierbar war.

Daneben wurden nach dem Krieg natürlich auch andere Raketen entwickelt für das Abfangen von Flugzeugen oder andere militärische Zwecke. Diese waren aber klein und mit festen Treibstoffen angetrieben. Es entstanden nur wenige mit flüssigen Treibstoffen angetriebene Raketen, so die Viking als verkleinerte A-4 und die Aerobee. Beides waren Höhenforschungsraketen. Die A-4 blieben immer noch die größten in den USA hergestellten Raketen.

1950 begann die Entwicklung der Redstone. Die Redstone ist in den USA das was die R-2 in Russland ist: es ist eine weiterentwickelte A-4. Das Triebwerk basiert auf dem der A-4 und wurde nur leicht im Schub gesteigert, die Treibstoffmischung (Alkohol/LOX) ist sogar die gleiche. Wie bei der A-4 wurden Strahlruder zur Schubvektorsteuerung und Wasserstoffperoxid als separates Gasgeneratorgas eingesetzt. Die Redstone hatte neben der militärischen Funktion auch die Aufgabe, als Brückenglied zu fungieren, von dem Studieren von Plänen der A-4 zu einer eigenen selbst konstruierten Rakete.

Die Redstone war eine Kurzstreckenrakete für das Gefechtsfeld mit einer Reichweite (je nach Gewicht des Sprengkopfs) von 370 bis 800 km. Die Performance des Raketenantriebs musste daher nicht so viel höher als bei der A-4 sein. Die bedeutendste Steigerung gab es es in der Steuer- und Lenktechnik. Die Redstone erreichte eine Treffgenauigkeit von 300 m, ein Wert um Größenordnungen besser als bei der A-4 durch verbesserte Inertialsteuerung die viel stärker gegenüber den Umwelteinflüssen abgeschirmt war. Wenn ich hier von „Treffgenauigkeit“ rede, dann ist das ein statistisches Kriterium: Es gibt den Radius an, in dem statistisch etwa 50 Prozent aller Raketen einschlagen.

Die Entwicklung der Redstone begann 1950, die technische Entwicklung war schon 1952 abgeschlossen, es war ja ein evolutionärer Entwurf. Viel länger dauerte es und viele Starts erforderte es die Rakete zu perfektionieren, denn dabei wurden die wirklichen Erfahrungen gewonnen. So wurde die Redstone erst 1958 stationiert und 1964 außer Dienst gestellt. Gebaut wurden 128 Stück, davon 85 Produktionsexemplare. Gestartet wurden 38 Stück.

So, nun zu etwas anderem, das ich mir von der Wissenschafts-Sendung oder Show „Mai Think X“ abgeschaut habe. Ich muss mich ja an das allgemein sinkende geistige Niveau in Zeiten des Googels und Handynutzens gewöhnen. Ich meine ja, das jeder Leser meine Grundlagensektion studiert haben sollte um hier nicht mit dummen Kommentaren oder noch dümmeren Fragen auzufallen. Also lieber Leser nehme jetzt mal deine Hand hoch und für jede Frage die Du ehrlich mit „Nein“ beantwortest einen Finger runter:

Also wenn Du nun drei oder mehr Finger runter genommen hast, dann solltest Du unbedingt die gesamte Grundlagensektion der Website durcharbeiten. Viel Spaß, wir sehen und dann in einigen Wochen wieder….

Morgen geht es dann mit Teil 2 weiter.

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