Eigentlich ist es nicht meine Sache zu spekulieren, aber in diesem Falle geht es nicht anders. Das hat aber den Vorteil, das sich jede Blogleser mit eigenen Spekulationen beteiligen kann, solange diese mit den Tatsachen übereinstimmen. Wie der Titel schon aussagt will ich mal die Explosion der SuperHeavy nach der Abtrennung beim zweiten Testflug (ITF-2: integrated Test flight) am 18.11.2023 . Ich will den Blog aber auch nutzen, um etwas Wissen zu vermitteln und damit fange ich an, nämlich der kurzen Geschichte der Bergung bei SpaceX
Es ging an mit der Falcon 1. Geplant bei ihr war, dass durch ein Fallschirmsystem die Stufe abgebremst wird und sie durch ihre leeren Treibstofftanks dann im Ozean schwimmt. Mit Stroboskoplampen und einem GPS-Empfänger, der die Position übermittelt, sollte sie gefunden werden. Der erste Start scheiterte ja nach kurzer Zeit, sodass es gar nicht zur Bergung kam. Beim zweiten Start wurde eine Bergung versucht, doch der GPS-Empfänger war schon vor dem Start defekt. Es wurde ohne ihn gestartet, doch das Bergungsschiff konnte im Zielgebiet keine Stufe finden. Beim dritten Start kollidierte nach der Stufentrennung die erste mit der zweiten Stufe, dabei wurde das Fallschirmsystem beschädigt und so scheiterte auch dieses Mal die Bergung. Bei den beiden folgenden Flügen wurde nicht verlautbart, ob man überhaupt eine Bergung versuchte, in jedem Falle wurde keine stufe geborgen.
Bei der Falcon 9 setzte man anfangs auf dasselbe System, also Fallschirme. Beim ersten Testflug wurde offensichtlich, dass dies nicht funktionierte. Es zerlegte die Stufe schon bevor die Fallschirme überhaupt ausgelöst wurden. Es kam im Meer nur eine Trümmerwolke an. Beim zweiten Start war eine Bergung vorgesehen, doch das Wetter war zu stürmisch, sodass das Bergungsschiff im Hafen blieb. Danach wurde nichts mehr über Versuche der Bergung publiziert bis zum neunten Start mit CRS-3.
Inzwischen war die nächste Version der Falcon 9 im Einsatz mit Merlin 1D Triebwerken und verlängerten Stufen. Sie war nun auf eine Bergung ausgelebt. Das betraf zwei Änderungen: Zum einen musste die Stufen strukturell verstärkt werden. Die Stufen, die den Belastungen beim Start standhielten, hielten nicht die wesentlich höheren Belastungen bei der Landung aus. Das alleine reichte aber nicht. Dei Stufe bremst bevor sie die Stratosphäre erreicht ab. Das dauert 20 bis 30 Sekunden bei einer Seebergung. Dabei verbrennt die Stufe so viel Treibstoff ,wie sie selbst wiegt.
Nach etlichen Versuchen klappt diese Bergung seit mehreren Jahren zuverlässig. Bei der SuperHeeavy wird dieselbe Vorgehensweise eingesetzt, aber angepasst. Sie ähnelt der Landlandung der Falcon 9, mit dem Flug zurück zum Startplatz. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, das genaue Vorgehen zu untersuchen. Bei einer Falcon 9 und einer Seebergung geht dies so: Nach der Stufentrennung folgt die Stufe einer Wurfparabel. Bei einem willkürlich herausgesuchten Start (die genauen Daten hängen von dem Aufstiegsprofil ab, erfolgte nach 154 Sekunden die Trennung bei einer Geschwindigkeit von 8.100 km/h in 72 km Höhe. Die Stufe steigt noch auf bis zu 123 km Höhe und verlangsamt sich durch die Gravitation auf 7200 km/h. Da dies die Geschwindigkeit relativ zu einer Bodenstation ist und die Rakete auch eine horizontale Geschwindigkeit hat, sinkt sie nie auf Null. In 61 km Höhe bei 8200 km/h findet dann die Abbremsung statt. Dies ist nach 6 Minuten 26 Sekunden der Fall. Sie stoppt 20 Sekunden in 42 km Höhe bei 5.900 km/h. Die Stufe wurde also um 2300 km/h verlangsamt. Die Geschwindigkeit steigt dann nur noch langsam auf 6000 km/h, dann wird die Stufe durch die immer dicker werdende Luft abgebremst. Kurz vor der Landung ist sie noch 800 km/h schnell, das ist in etwa die maximale Geschwindigkeit, die ein nicht besonders aerodynamischer Körper beim Fall in der Troposphäre erreicht. Diese Restgeschwindigkeit wird dann bei dem zweiten, Landungsburn vernichtet. Nach 8 Minuten 32 Sekunden landet sie auf dem Droneschiff.
Bei einem Rückkehren zum Startplatz Return to Lauch Site: (RTLS) sieht es dagegen so aus: Die Stufentrennung findet nach 144 Sekunden, erneut in 72 km Höhe statt, aber bei 6000 km/h, also über 2000 km/h langsamer. (Bei gleicher Höhe kann man davon ausgehen, dass die horizontale Geschwindigkeit um 2000 km/ höher ist). Direkt danach dreht sich die Erststufe und zündet erneut ihre Triebwerke, nun aber gegen die Flugrichtung. Dieses Brennen dauert bis 3 Minuten 26 Sekunden, also über 60 Sekunden und verlangsamt die Stufe auf 1.900 km/h während sie auf 122 km Höhe steigt. Die Gravitation bremst sie nun auf 1.290 km/h ab, die in 129 km Höhe erreicht werden. Diese Zündung hat die horiontale Geschwindigkeit umgedreht, also im Falle eines Starts von der Ostküste aus von einer ostwärts in eine westwärts gerichtete Bewegung umgewandelt. Auch hier ist eine weitere Abbremsung in 60 km Höhe bei 4500 km/h nötig und zum Schluss die Vernichtung der letzten Geschwindigkeit.
Die Nutzlasteinbuße ist aber schon bei der ersten Ziffer erkennbar: In einem Falle war die Stufe 8100 km/h schnell, im anderen 6000 km/h, das sind rund 600 m/s Unterschied (wobei für einen korrekten Vergleich beide Nutzlasten gleich schwer sein müssten). Aussagefähig ist auch das der Brennschluss der ersten Stufe 10 Sekunden früher stattfindet. In 10 Sekunden verbrennt eine Falcon 9 über 27 t Treibstoff. Das ist mehr als die Stufe selbst wiegt.
Dieses RTLS muss so früh wie möglich erfolgen. Das wird auch ohne Rechnung einfach durch Nachdenken klar. Die Rakete hat zwei Geschwindigkeitskomponenten: eine horizontale und eine vertikale Komponente. An der vertikalen Komponente wird nicht gerührt. Sei führt dazu, dass die Spitzenhöhe gleich hoch ist. Die Zeit dafür ist leicht berechenbar. In dieser Zeit muss sie wieder am Startplatz ankommen. Sie befindet sich aber zu dem Zeitpunkt östlich davon und entfernt sich nach Osten. Je früher sie also umdreht, desto geringer ist der Geschwindigkeitsaufwand.
Die SuperHeavy fliegt nun genau dieses RTLS-Profil, etwas abgeändert. Daraus ergeben sich auch die Einschränkungen, so ist die Abtrenngeschwindigkeit niedrig – beim letzten Flug waren es 5.600 km/h, was zu den 6.000 km/h bei einer RTLS der Falcon 9 passt und rund 2.400 km/h niedriger ist als bei der Falcon 9 bei einer Seelandung (ohne Landung wäre der Unterschied noch größer). Das hat auch einen großen Anteil an dem großen Unterschied der Nutzlast des Gespanns, wenn es wiederverwendet wird (100-150 t) und nicht wiederverwendet wird (250 t). Doch das kennt man auch schon von der Falcon 9 (6,5 t in GTO ohne Wiederverwendung, 5,5 t mit Seelandung und 3,5 t mit Landlandung).
Die folgende Tabelle habe ich nach dem offiziellen Startvideo des Teststarts angefertigt, dabei stütze ich mich nur auf die unteren Balken. Alle Zeitangaben sind auf etwa 1 Sekunde genau.
Ereignis | Zeit | Geschwindigkeit | Höhe |
---|---|---|---|
MECO | 2:40 | 5662 km/h | 67 km |
3 Triebwerke öaufen weiter | 2:41 | 5662 km/h | 68 km |
Stufentrennung | 2:44 | 5668 km/h | 70 km |
Triebwerke laufen wieder an | 2:49 | 5566 km/h | 74 km |
Maximalzahl an laufenden Triebwerken erreicht (12) | 2:51 | 5599 km/h | 75 km |
Drehung vollzogen, ein Triebwerk aus | 2:55 | 5599 km/h | 78 km |
Zweites Triebwerke geht aus | 2;56 | 5520 km/h | 78 km |
Drittes Triebwerk geht aus | 2:57 | 5414 km/h | 79 km |
Viertes Triebwerk geht aus | 3:11 | 4.176 km/h | 87 km |
Fünftes Triebwerk geht aus | 3:14 | 3.989 km/h | 89 km |
Sechstes Triebwerk geht aus | 3:15 | 3.939 km/h | 89 km |
Alle Triebwerke bis auf eines gehen aus | 3:17 | 3.838 km/h | 90 km |
Kein Triebwerk mehr an | 3:18 | 3.819 km/h | 90 km |
Explosion | 3:21 | 3.818 km/h | 90 km |
So, nun die Schlüsse, alles Spekulation, aber im Gegensatz zu anderen Spekulationen fundiert.
Das Ziel ist relativ klar. Die Superheavy hat wie die Falcon 9 Erststufe bei einer Landlandung die Geschwindigkeit umzudrehen, nochmal zur Erinnerung – die angezeigte Geschwindigkeit ist die relativ zu einer Radarstation, sie setzt sich aus einer horizontalen und vertikalen Komponente zusammen und die vertikale wird durch die Drehung nicht beeinflusst. Das hat sie zum Teil erreicht, nimmt man aber die Daten einer Falcon 9 Stufe dann müsste sie auf unter 1600 km/h kommen.
Der offensichtlichste Grund ist, dass die Triebwerke nacheinander ausfielen. Schon beim Start war eines aus. 13 Triebwerke sollten es sein, nur 12 gingen an. Sobald die Rakete gedreht wurde gehen drei Triebwerke aus, die restlichen folgen 15 Sekunden später in kurzem Abstand. Dies ist mit Sicherheit nicht geplant. Damit dieses Brennmanöver möglichst wenig Treibstoff verbraucht muss es möglichst kurz sein, also so viele Triebwerke wie möglich sollten einsetzt werden (das es nicht alle 33 sind, dürfte daran liegen, dass die Rakete nun viel leichter ist und sonst die Beschleunigung zu hoch wird und die strukturelle Integrität überfordert).
Weiterhin auffällig ist, das es ein Muster gibt. Es fallen zuerst die oberen Triebwerke aus. Schaut man sich die Lage der SuperHeavy sowohl in der Grafik wie im Video an, so fällt auf, dass sie nahezu horizontal liegt, im Video sogar nach unten zeigt, aber das kann ein perspektivischer Fehler sein. Zu dem Zeitpunkt dürften die Tanks zu 90+ % leer sein. Das die Triebwerke während der ganzen Zeit nie aus gingen (mindestens drei im Zentrum waren nach MECO immer aktiv) hängt damit zusammen, denn ohne Schub herrscht Schwerelosigkeit und der Resttreibstoff formt sich zu einer Kugel und gelangt so nicht zu den Öffnungen am unteren Ende, wo die Leitungen für die Triebwerke liegen.
Bei genügend Schub wird der Resttreibstoff am Boden gesammelt und zwar, wenn die Beschleunigung hoch genug ist, auch wenn die Rakete horizontal fliegt. Das Ausgehen der Triebwerke von oben nach unten deutet nun darauf hin, das sie keinen Treibstoff mehr bekommen, entweder weil der Schub zu gering ist – das würde ich bei 12 Triebwerken die über 25.000 kN Schub haben und einer weitgehend leeren Stufe ausschließen – oder meine Vermutung – der Treibstoff ausgeht.
Mich wunderte schon die lange Brennzeit von 159 s für die erste Stufe. Beim offiziellen Schub des Raptors 2 (230 t) und spezifischen Impuls (3207 m/s Sealevel) werden in den offiziell 159 Sekunden über 3.690 t Treibstoff verbraucht. Da die Tanks nach bisheriger Verlautbarung nur 3400 bis 3500 t aufnehmen, ist das schon merkwürdig. Es kann aber sein, das die Triebwerke am Schluss gedrosselt wurden, was den Treibstoffverbauch senkt. Ein guter Kommentator würde dies mitteilen, aber das ist bei SpaceX leider nicht der Fall. Zudem gibt es einen Antrag bei der FAA der von 3.700 t Zuladung spricht, ob diese verlängerte Version schon im Einsatz ist, ist offen.
In jedem falle müsste SpaceX genügend Treibstoff in den Tanks lassen, um die Stufe zurückzubringen. Das wären, wenn man die Falcon 9 als Vergleich nimmt bei einer Masse von bekannten 200 t etwa 450 bis 500 t, die Landung mit eingeschlossen. Also entweder ging der Treibstoff aus, oder bei dieser extremen Schräglage gelangte er zuerst nicht an die oberen Triebwerke, diese gingen aus, die Beschleunigung sank und so bekamen auch die darunter liegenden Triebwerke keinen Treibstoff und gingen aus – eine Kettenreaktion. Als Folge initiierte dann wohl das Selbstzerstörungssystem die Sprengung.
Die räumliche Lage der Stufe ist mir ein Rätsel. Leider gibt es ja diesmal – anders als beim ersten Testflug – keine Kamera in der Superheavy. So hätte man ihre räumliche Lage relativ zur Erde sehen können. Bei der Falcon 9 dreht zwar die Stufe, aber sie behält ihre Orientierung, das Ende mit den Triebwerken schaut also immer zur Erde. Nach der Abbildung und dem Video war dies bei der SuperHeavy nicht so. Das kann Zufall sein, doch da ich dies mit ursächlich für den Vorfall halte, denke ich ist es dies nicht. Die Stufe wurde meiner Ansicht nach bei der Abtrennung „Flip-Manöver“ zu stark gedreht, in dieser Position riss der Treibstofffluss ab und die Triebwerke gingen aus.
Eine andere Erklärung könnte sein, das die Triebwerke auch so Probleme hatten. Schon beim Start sollten es 13 sein, es gingen aber nur 12 an. Ausgefallene Triebwerke kamen ja schon beim ersten Testflug und bei den Probezündungen vor. Ebenso wurde auch das Starship gesprengt, nachdem alle Triebwerke abgeschaltet wurden. Ich halte das aber bei allen 12 Triebwerken für nicht wahrscheinlich.
Treibstoffprognose
Man kann den Resttreibstoff erahnen, wenn man die beiden Balken unten auswertet. Wie schon beim Fehlen einer Grafik an der man erkennen kann ob die Rakete auf Kurs ist, ist der Balken als Indikator suboptimal, erinnert mich irgendwie an das Computerspiel „Elite“ aus den Achtzigern.
Ich habe das mal zu drei Zeitpunkten mithilfe des Bildschirmlineals der Powertoys gemacht und zwar nur für den Treibstoff im Unterschuss (immer LOX):
Zeitpunkt | Resttreibstoff % |
---|---|
MECO SuperHeavy | 11 % |
SuperHeavy vor der Explosion | 7,2 % |
Starship vor der Explosion | 5,4 % LOX 7 % CH4 |
Nachdem ich mal bei einem Falcon 9 Start nachschaute, ob die Geschwindigkeit bei SpaceX mit oder ohne Erdumdrehung ist und sich herausstellte, dass sie ohne Erdumdrehung ist fehlen dem Starship noch 1083 m/s für einen Orbit. Es gehen 1200 t Treibstoff in die Tanks des Starships, davon sind noch 5,4 % und 7 % übrig also 69 t. Bei einer Leermasse von 120 t und keiner Zuladung und einem gemittelten spezifischen Impuls von 3644 m/s (Vakuum und Bodentriebwerke arbeiten gleichzeitig) läge die Endmasse im 200 km Orbit bei 140 t, davon wären aber, aber wenn die Abnahme so bleibt, nur 5 t nutzbar. Nicht sehr viel und das ist ohne Nutzlast gerechnet und mit den Wunsch-SP (sowohl das DLR wie ich kommen bei Einsatz von Simulationstools wie CEA2 / RPA) darauf das diese Impulse physikalisch nicht erreichbar sind).
Ebenso hat die SuperHeavy 3,8 Prozent des Treibtsoff zwiscxhen MECO und Abschalten der Triebwerke verbraucht um die Geschwindigkeit von 5662 auf 3818 km/h zu reduzieren. Nimmt man an, dass sie 1.600 km/h erreichen muss, so müsste der Resttreibstoff auf 2,7 Prozent sinken – reichlich wenig, denn da steht noch ein Abbremsungs- und Landeburn an.
So wie ich das sehe, haben die Triebwerke mehr Treibstoff verbraucht als geplant, was kein Wunder ist, wenn man physikalisch nicht erreichbare spezifische Impulse als Basis für die eigenen Berechnungen nimmt. Die Vakuumimpulse kann SpaceX nicht bestimmen, da es dafür keinen Teststand für diesen Schub auch nicht bei der NASA gibt.
Was ich auch sehr seltsam finde, ist der Unterschied beim Starship zwischen LOX und Methan. Es ist normal, das ein Treibstoff im Überschuss vorhanden ist und dies ist logischerweise das Methan, da wenn der Sauerstoff ausgeht und dann nur noch Methan durch das Fördersystem und die Brennkammer gepumpt wird reduktive Bedingungen herrschen, während bei LOX es oxidative Bedienungen sind, bei denen z.B. die Brennkammer mit ihren hohen Temperaturen verbrennen würde. Aber kurz vor Brennschluss 1,6 Prozent unverbrauchter Sauerstoff? Das sind, wenn diese Menge bis zjm Schluss übrig bleibt 15 t und entsprechend sinkt die Nutzlast ab.
Rückblende Teststart 1
Schon beim ersten Teststart klappte ja das Flip-Manöver nicht. Damals drehte das Gespann ohne das sich das Starship bei dem kombinierten Drehen/Stufentrennung löste Loopings. An diesem Manöver wird SpaceX noch arbeiten müssen. Ebenso viel auch dabei auf, dass sich LOX schneller verbrauchte als das Methan.