Bernd Leitenbergers Blog

Ein „vernünftiges“, bemanntes Mondprogramm, Teil 2

Auch heute weider ein Gastblog von Thomas, der offensichtlich mit dem Korrekturlesen meines fünften Buches nicht voll ausgelastet ist. Ich will schon jetzt ankündigen, dass am Monatg eine weiterer Gastblog kommen wird, der sich mir erneuerbaren Energien beschäftigt. (Bald muss ich gar nichts mehr schreiben, und da mir so langsam die themen ausgehen ist das nicht mal so schlecht. Also ich bitte nun um ihre Geschätzte Aufmerksamkeit für den Blog von Thomas Jakaitis:
Im ersten Blogeintrag zu diesem Thema bin ich auf die Leitsätze und Grundüberlegungen zu meinem Vorschlag eingegangen:

In diesem Teil 2 will ich nun auf die Transport-Architektur eingehen

Dabei ist zu berücksichtigen, dass in meinen Vorstellungen die bemannten Flüge aus finanziellen Gründen erst nach einer längeren Phase unbemannter Missionen mit den folgenden Aufgabenstellungen stattfinden würden:

Es würde also bis zum ersten bemannten Flug noch einige Zeit dauern; Bis dahin könnten sich einige Rahmenbedingungen ändern. Demzufolge könnte sich dann auch die Transport-Architektur ändern.
Sie müsste demzufolge bis zu ihrer Implementation periodisch überprüft und allenfalls an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.
Als eine Arbeitshypothese zur Erarbeitung einer Vision gehe ich aber einfach mal von den heutigen oder den in naher Zukunft liegenden Umständen aus.
Das Weltraumsegment der Transport-Architektur besteht aus den unten beschriebenen Komponenten. Diese Komponenten sind für Trägerraketen mit einer Nutzlast von ca. 25 t in einen niedrigen Erdorbit dimensioniert (==> Delta IV Heavy, Atlas V Heavy, Ariane 5 ECB, Angara 5E, CZ5).
elektrische Transferstufe
Die elektrische Transferstufe ist eine Hochleistungsstufe.
Sie wird mit Xenon (oder Quecksilber usw.) als Treibstoff von Ionentriebwerken mit einem spezifischen Impuls von ca. 40000 m/s solar-elektrisch oder nuklear-elektrisch angetrieben.
Sie wiegt betankt 12,5 t und ist in der Lage, eine Nutzlast von weiteren 12,5 t aus einem niedrigen Erdorbit in einen Mondorbit zu transportieren. Die Reisezeit dafür beträgt ca. 2 Jahre.
Mondlander
Der Mondlander ist von der Landestufe des Apollo Mondlanders abgeleitet. Im Unterschied zu diesem ist er aber in der Lage, unbemannt auf dem Mond zu landen und dabei eine Nutzlast mit der Masse der Aufstiegsstufe des Apollo Mondlanders auf die Mondoberfläche zu transportieren.
(Dies entspricht einem Konzept, welches von der NASA in den Sechzigern verfolgt wurde, aber aus finanziellen Gründen nie zur Anwendung gelangte.)
Die Masse des betankten Mondlanders beträgt ca. 10 t. (Die Landestufe des Apollo 11 LM wog 10149 kg.)
Die Nutzlast des Mondlanders beträgt ca. 4,5 t. (Die Aufstiegsstufe des Apollo 11 LM wog 4547 kg.)
Lunar Orbit Shelter
(engl. shelter = Zuflucht, Schuppen, Schutz)
Der LOS ist eine Raumstation in einer Mondumlaufbahn.
Er ist aus Modulen zusammengesetzt, welche von der elektrischen Transferstufe in die Mondumlaufbahn transportiert werden können (d.h. <= 12,5 t, d.h. Columbus-Klasse).
Der LOS erfüllt die folgenden Aufgaben:
  • Transportknoten in der Mondumlaufbahn und Umsteige-Bahnhof für die Astronauten
  • Tankstelle
  • Zwischenlager für Güter
  • Notfall-Habitat mit Strahlenbunker
  • Lageregelung aller in der Mondumlaufbahn befindlichen Komponenten (alle sind während ihrer Wartezeiten an ihn angedockt)
Seine Lageregelung wird durch die angedockten, elektrischen Transferstufen gewährleistet, welche zu diesem Zweck ihre nicht benötigten Treibstoffreserven restlos aufbrauchen, nachdem sie ihre Nachschubmission erfüllt haben.
(Dieses Problem muss wegen der Bahnstörungen in Mondumlaufbahnen gelöst werden. ==> Mascons usw.)
Crewed Lunar Vehicle
Die Astronauten reisen mit dem CLV in die Mondumlaufbahn und zurück zur Erde.
Das CLV ist von den Sojus- und Zond-Raumschiffen abgeleitet und besteht aus den folgenden Teilen:
  • modifizierte, für 2 Personen ausgelegte Sojus-/Zond-Rückkehrkapsel
  • Kopplungsadapter (anstelle des Sojus Orbitalmoduls)
  • Service-Modul (Aufgabenstellung wie bei Apollo Service Modul)
Das CLV wiegt leer ca. 5 t und betankt ca. 10 t. Es wird von lagerfähigen Treibstoffen mit einem spezifischen Impuls von ca. 3200 m/s angetrieben.
Wie die Sojus ist auch das CLV in der Lage, seine Mission unbemannt auszuführen.
chemische Transferstufe Die chemische Transferstufe wird bei bemannten Mondflügen dafür verwendet, das CLV in eine Flugbahn zum Mond schießen (TLI Trans Lunar Injection). Falls eine Ariane 5 ECB dies täte, würde somit die ESC-B Stufe der chemischen Transferstufe entsprechen.
bemannte Aufstiegsstufe
Die bemannte Aufstiegsstufe ist von derjenigen des Apollo Mondlanders abgeleitet. Im Unterschied zu dieser ist sie aber wiederverwendbar.
Sie wird mit 2 Personen an Bord vom Mondlander als dessen Nutzlast auf die Mondoberfläche transportiert. Dieser Stack ist somit praktisch eine Kopie des Apollo Mondlanders (Apollo LM).
Sie befindet sich während ihrer „Dienstzeit“ jeweils entweder beim LOS (angedockt) oder auf der Mondoberfläche.
Die Gesamtmasse der betankten, bemannten Aufstiegsstufe beträgt ca. 4,5 t. (Die Aufstiegsstufe des Apollo 11 LM wog betankt 4547 kg.)
Die Treibstoffzuladung der bemannten Aufstiegsstufe beträgt wie bei Apollo 11 ca. 2358 kg oder aufgrund des technischen Fortschritts wahrscheinlich eher weniger.
DIE DREI MISSIONSTYPEN
1. Unbemannter Nachschubflug in die Mondumlaufbahn (Nutzlasten: LOS-Module, bemannte Aufstiegsstufen, sonstiger Nachschub)
Eine Trägerrakete der 25 t – Klasse bringt eine elektrische Transferstufe und die Nutzlast (ca. 12,5 t) in eine ausreichend hohe Erdumlaufbahn (==> Luftwiderstand der Restatmosphäre).
Die elektrische Transferstufe bringt die Nutzlast zum LOS. Die Flugzeit wird für maximale Nutzlast optimiert (durchaus z.B. 2 Jahre oder mehr).
Allfällige Treibstoffreserven der Transferstufe werden nach Ablieferung der Nutzlast für die Lageregelung des LOS verwendet.
Danach wird die elektrische Transferstufe „ausgeschlachtet“ (z.B. die Solar Panels anderswo verwendet usw.), falls dies von Vorteil und praktikabel ist. Der Rest der Transferstufe wird vom LOS abgekoppelt und seinem Schicksal überlassen.
2. Unbemannter Nachschubflug zur Mondoberfläche
Eine Trägerrakete der 28 t – Klasse (z.B. die Angara 5E) bringt eine elektrische Transferstufe, einen Mondlander und die Nutzlast (ca. 4,5 t) in eine ausreichend hohe Erdumlaufbahn (==> Luftwiderstand der Restatmosphäre).
Die elektrische Transferstufe bringt den Mondlander und die Nutzlast in eine möglichst niedrige Mondumlaufbahn. Die Flugzeit wird für maximale Nutzlast optimiert (durchaus z.B. 2 Jahre oder mehr).
Der Mondlander bringt die Nutzlast zur Mondoberfläche.
3. Bemannter Mondflug
Dieser Missionstyp ist in 2 Starts von der Erde gesplittet.
Der erste Flug entspricht einem unbemannten Nachschubflug in die Mondumlaufbahn (Missionstyp 1, siehe oben).
Dieser Flug bringt nach ca. 2 Jahren Reisezeit eine Nutzlast von ca. 12,5 t zum LOS: Einen Mondlander plus ca. 2,4 t Treibstoff für die Aufstiegsstufe. (Die wiederverwendbare Aufstiegsstufe befindet sich ja bereits unbetankt beim LOS.)
Nach einem erfolgreichen Remote Checkout des Mondlandesystems von der Erde aus wird grünes Licht für den zweiten, dieses Mal bemannten Flug gegeben.
Eine geeignete Rakete (z.B. die Ariane 5 ECB, die Angara 5E usw.) bringt das CLV wie bei Apollo mit 2 Astronauten an Bord zum LOS. Dort erledigen diese alles, was zu erledigen ist:
Dann landen sie wie bei Apollo auf der Mondoberfläche und verbringen wahrscheinlich bis zu 1 Jahr in der Mondbasis. Ihr CLV bleibt während dieser Zeit am LOS angedockt.
Nach Abschluss ihres Mondaufenthalts kehren sie wie bei Apollo mit der Aufstiegsstufe zum LOS zurück. Dort erledigen sie wieder alles, was zu erledigen ist:
Danach kehren sie mit ihrem CLV wie bei Apollo oder Zond endlich wieder zur Erde zurück.
ABORTVERFAHREN
Die Astronauten verfügen über zwei „Safe Havens“: Einerseits den LOS und andererseits die Mondbasis.
Sofern dies nötig wird, müssen sie dort ausharren, bis ein unbemanntes Ersatzraumschiff bei ihnen eintrifft (dasjenige, welches jeweils eigentlich für ihre Nachfolgemission vorgesehen war). Deshalb werden beide „Safe Havens“ mit der entsprechenden Menge an Vorräten ausgestattet.
KRITISCHE TECHNOLOGIEN
1) Die hier beschriebene Transport-Architektur steht und fällt mit der Performance der elektrischen Transferstufe, bzw. ihres Ionentriebwerks.
Meine Annahme, dass eine solche 12,5 t schwere Stufe ca. 12,5 t Nutzlast zum LOS zu bringen vermag, ist genau das: Eine Annahme.
==> Es sollten entsprechende Technologie-Validierungsmissionen durchgeführt werden.
2) Es ist offensichtlich, dass die hier erwähnten Trägerraketen ihre Aufgabenstellungen höchstens mit Ach und Krach erfüllen könnten.
==> Größere Nutzlastkapazitäten (z.B. 30 bis 35 t für LEO) wären von Vorteil.
FAZIT
Was wäre nun unter Anwendung der hier beschriebenen Transport-Architektur mit der in Teil 1 beschriebenen Trägerkapazität machbar ?
Ich habe in Teil 1 ja mal einfach so darüber fantasiert, dass jeder Partner im bemannten Mondprogramm pro Jahr 1 Exemplar seines „dicksten Brummers“ fliegen lässt.
In der unten stehenden Tabelle habe ich bei kleineren Raketen der Einfachheit halber die Nutzlast proportional herunter gerechnet.

Partner

Trägersystem

LEO Nutzlast in t

Transport von …….

USA Delta 4 Heavy 23 2 Personen in einem CLV zum LOS
Europa Ariane 5 > 21 Mondlander plus Treibstoff für die bemannte Aufstiegsstufe zum LOS
Indien GSLV 10 unbemannte Nutzlast von 5 t zum LOS
Russland Angara 5E > 28 unbemannte Nutzlast von 4,5 t zur Mondoberfläche
China CZ5 25 unbemannte Nutzlast von 4 t zur Mondoberfläche
Japan H2B > 16 unbemannte Nutzlast von 2,6 t zur Mondoberfläche
Ukraine Zenit 3SL 15 unbemannte Nutzlast von 2,4 t zur Mondoberfläche
In diesem Fantasiebeispiel würden die Programmpartner also bei absolut tragbaren Kosten für jeden einzelnen jedes Jahr wieder von neuem die folgenden Leistungen zustande bringen:
Die mobile Version verlassen