Bernd Leitenbergers Blog

Ziolkowskigleichung für Dummies

In meiner kleinen Reihe „Raumfahrtgrundlagen ganz einfach (für Wirtschaftswissenschaftler und Geisteswissenschaftler)“ möchte ich mal erklären wie man zur Raketengrundgleichung oder Ziolkowskigleichung kommt. Damit alles einfacher wird, nehmen wir mal an wir betreiben die Rakete in der Schwerelosigkeit, also im freien Weltraum, so dass wir ohne Luftwiderstand und Gravitationskraft operieren können.

Wer Physik mal in der Oberstufe hatte, der wird sich vielleicht dunkel erinnern, dass die Geschwindigkeit das Integral der Beschleunigung über die Zeit ist und der Weg das Integral der Geschwindigkeit über die Zeit.

Wir brauchen noch die Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase. Das ist eine gegebene Materialgröße, aber sie hängt mit dem Schub zusammen. Es gilt vspez = Schub / Treibstoffverbrauch.

Beispiel: Die Rakete verbraucht 5 kg Treibstoff pro Sekunde um den Schub von 20 kN zu erzeugen, dann ist vspez = 20.000 N / 5 kg/s = 4000 m/s.

Wnne wir nun ein Auto hätten, bei dem sich die Masse kaum ändert, könnten wir für jeden beliebigen Zeitpunkt die Geschwindigkeit ausrechnen. (v = a * t).  Bei einer Rakete besteht diese aber zum größten Teil aus Treibstoff und so verringert sich die Masse laufend. Dadurch steigt die Beschleunigung laufend an und so auch die Geschwindigkeit und der zurückgelegte Weg ist nicht nach obiger Formel berechnbar. Im Übrigen: Aus dem gleichen Grund tanken Autos, die viel Treibstoff verbrauchen (Rennwagen) trotz Zeitverlustes während eines Rennens öfters, um das beförderte Gewicht zu minimieren. Das gleiche gilt auch für Flugzeuge, die bei längeren Flügen gerne Zwischenstopps einlegen.

So, nun nehmen wir das Lieblingsspielzeug aller derer, die von Physik nichts verstehen und selbst nicht rechnen können: Excel hervor und geben mal folgende Daten für eine Rakete ein:

Das folgende Sheet.

Man erhält zu Brennschluss eine Geschwindigkeit von 6969 m/s und eine zurückgelegte Strecke von 452 km. Mancher Laie macht es sich recht einfach und sagt sich „Im Mittel hat die Rakete ja das gleiche Gewicht, wie wenn der Treibstoff halb verbraucht wurde. Also kann ich doch auch linear rechnen, mit einer Masse von 55.000 kg„. Nach dieser Rechnung würde die mittlere Beschleunigung 24,5 m/s betragen. Die Endgeschwindigkeit läge dann bei 4909 m/s und der Weg 491 km. Beide Werte weichen beträchtlich von der Simulation ab. Der Weg ein wenig. Die Geschwindigkeit sehr stark.

Unsere Simulation ist übrigens auch noch nicht ganz exakt. Da wir die Beschleunigung erst nach Ende jeder Sekunde bestimmen erhalten wir einen zu hohen Wert, bei Bestimmung zu Beginn jeder Sekunde würde man einen zu niedrigen Wert bekommen. Abhilfe: Man bildet den Mittelwert beider Werte oder für Excel Spezialisten: Man verkleinert die Schrittweite. Bei weiterer Verfeinerung wird man irgendwann einmal auf den exakten Wert von 6907,55 m/s kommen. (Sie merken: Ich halte nicht viel von Excel).,

Die Arbeit kann man sich sparen, wenn man wie Herr Ziolkowski zwar kein Excel hat, aber eine Ahnung von Mathematik. Die Beschleunigung ist eine Funktion der Gewichtsabnahme der Rakete, die der Form 1/x gehorcht. Und was ist das Integral über 1/x? Wer jetzt in einem Mathebuch nachschlägt kommt auf den Term ln(x). Weiterhin ist die Beschleunigung abhängig vom Schub, der wiederum mit dem Treibstoffverbrauch und damit der Gewichtsabnahme über die Ausströmungsgeschwindigkeit vspez abhängt:

Und voila: Schon haben wir die Ziolkowski Gleichung in ihrer vollen Schönheit:

v = v spez * ln (Vollmasse/Leermasse)

Nun kommen wir zu dem was mir wichtig ist und was offensichtlich viele Leute nicht kapieren: In dieser Formel sind zwei Dinge relevant: Das Verhältnis Voll/Leermasse also den Treibstoffanteil der Rakete oder Stufe. Das ist ein Maß für den Leichtbau. Eine A-4 hatte ein Verhältnis von rund 4:1, große Stufen erreichen heute bis zu 15:1. Das zweite ist die Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase, im Wesentlichen ein Maß für den Energiegehalt des Treibstoffs, Wegen der mathematischen Funktion des Logarithmus (der Anstieg wird immer kleiner je größer x ist) bringt ein höheres Voll/Leermasseverhältnis weniger als eine Steigerung der Ausströmungsgeschwindigkeit. Nehmen wir an, der Zusammenhang wäre linear:

v = v spez * (Vollmasse/Leermasse)

Dann müsste Vollmasse/Leermasse = 15 und vspez= 3000 m/s das gleiche ergeben wie Voll/Leermasse = 10 und vspez= 4500 m/s.

In der Realität resultiert im ersten Fall eine Geschwindigkeit von 8124 m/s und im zweiten Fall eine von 10361 m/s, Also deutlich mehr. Das ist der Grund warum man so gerne Wasserstoff einsetzt – zumindest bei den oberen Stufen die einen Orbit erreichen

Alles klar oder?

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