Bernd Leitenbergers Blog

Ariane 5 „light“

Ich habe vor den Aufsatz „Super Ariane“ neu zu schreiben, weil er ja schon ein paar Jahre alt ist und nicht mehr dem neuesten Stand entspricht. Ich will das mal im Blog schrittweise machen. Heute – das gehört noch nicht dazu – außer der Reihe Idden über eine „Ariane 5 Light“. Auf die Idee hat mich EADS gebracht das eine wiederverwendbare Ariane ohne Booster und mit nur 6 t Nutzlast vor etwas einem Jahr vorschug. Natürlich braucht man für diese neue Rakete ein neues Triebwerk, dass dann erst noch entwickelt werden muss – zumindest nach den Ideen von EADS ….

Geht’s nicht einfacher. Hier mal ein Vorschlag einer Alternative, nicht als Ersatz für die Ariane 5, sondern nur als Gedankenexperiment. Ziel : Wiederverwendung wo es möglich ist, aber trotzdem hohe GTO Nutzlast. Mein Ansatz: Verwendung von dem was schon existiert. Zuerst einmal – braucht man ein neues Triebwerk? Nein! Das Vulcain ist für 6000 Sekunden Betriebszeit qualifiziert, das sind 10 Zündungen. Damit kann man schon 90 % der Herstellungskosten sparen und ist längst in einem Bereich, wo die Wartung teurer ist als der prozentuale Herstellungsanteil pro Flug. Das von EADS geplante Triebwerk wäre schubstärker (2500 kN Klasse) und 25 mal wiederverwendbar – aber lohnen sich dafür die Investitionen? Wenn die Rakete dann billiger wird, wer profitiert davon – EADS oder der Steuerzahler, der die Rakete finanzierte?

Muss man die ganze Stufe wiederverwenden? Ich sage nein, denn welchen Sinn soll es machen, die Tanks wiederzuverwenden? Hier ist die Gefahr groß, das Haarrisse entstehen, die übersehen werden. Dazu kommt, dass diese leicht gebaut sind und bei einem Wiedereintritt dann deutlich steifer und damit schwerer sein müssen. Mein Vorschlag: Nur die Triebwerke werden geborgen. Dazu wird nach Brennschluss der Schubrahmen abgesprengt. An Ihm befindet sich ein Gleiter mit einer Dreiecksflügelform von rund 10 m Länge und 10 m Diameter. (50 m Fläche) Er soll nochmals so viel wiegen wie die Triebwerke. Die Triebwerke fliegen dann eine Kurve, landen nicht am Startplatz was sehr aufwendig ist, sondern in Brasilien, was relativ einfach ist, wenn man einen Teil der kinetischen Energie nutzt, um sich etwas quer zur Flugbahn zu bewegen, dann liegt Brasilien nur etwas südlich des Flugpflads. Grob geschätzt soll der Gleiter genauso viel wie die Triebwerke wiegen. Es kommt nicht auf jedes Kilo an, da es nur die erste von zwei Stufen ist.

Allerdings reicht ein Triebwerk nicht aus, um die EPC mit Oberstufe zu starten. Dazu müssen es mindestens drei Vulcain 2 sein. Bei einem Bodenschub von 961 kN und einer Anfangsbeschleunigung von 1.25 g können sie 234.8 t anheben. Bei einer schon 188.3 t schweren normalen EPC (ohne Gleiter und zwei weitere Vulcain Triebwerke lässt dies wenig Spielraum für eine große Oberstufe. Da diese nun den Hauptteil der Beschleunigung aufbringen muss, ist hier eine leistungsfähige und große Oberstufe gefordert. Basis können die Vinci Triebwerke sein. Da die Abtrennung bei niedriger Geschwindigkeit stattfindet, muss der Schub höher sein. Ich habe zwei Vinci angesetzt. Eine normale Oberstufe, nicht mit den strukturell verstärkten Tanks, die wegen der EAP Booster bei der Ariane 5 nötig sind, erreicht ein Treibstoff/Leergewicht Verhältnis von 1:10 (ohne Triebwerk), dazu kommen noch zwei Vinci Triebwerke. Insgesamt ist so bei 234.8 t Startmasse eine Oberstufe mit 36 t Startmasse und 4.6 t Leermasse möglich.

Bei einer VEB von 0.5 t Gewicht und einem Verlust von 1.700 m/s ist so eine Nutzlast von 5.5 t möglich:

Ariane 5L
Nutzlast: 5500 kg in einen GTO Orbit
Startmasse: 240.700 kg
Stufe 1
Triebwerke: 3 x Vulcain 2
Schub 3 x 961 kN Boden, 3 x 1350 kN Vakuum
Startmasse: 202.600 kg
Trockenmasse 28.300 kg
Ausströmgeschwindigkeit: 4256 m/s (Vakuum)
Brennzeit: 180 s
Stufe 2
Triebwerke: 2 x Vinci
Schub 2 x 180 kN Vakuum
Startmasse: 36.100 kg
Trockenmasse: 4.100 kg
Ausströmgeschwindigkeit: 4560 m/s
Brenndauer: 405 s
VEB 500 kg
Nutzlastverkleding 1750 kg (Ariane 5 kurz)

Diese Rakete wäre teilweise wiederverwendbar. Eigentlich nur die Triebwerke der ersten Stufe.  Ich glaube nicht, dass sie wirtschaftlich wäre, vor allem weil die Nutzlast klein ist. Große Satelliten scheiden aus. Ich habe daher weitere Alternativen untersucht. Die erste war der Einbau von vier Vulcain Triebwerken in der ersten Stufe. Das erlaubt es die Oberstufe zu vergrößern. Es geht nicht unbegrenzt: Aus der Erfahrung mit anderen Trägern sollte bei einer zweistufigen Rakete die Oberstufe noch eine Beschleunigung von mindestens 2/3 G aufweisen. Das sind bei 360 kN Schub von zwei Vincis maximal 56 t Gewicht. Zieht man die Nutzlast ab, so bleiben noch rund 49 t. Eine Simulation zeigt, dass eine so große Stufe gar nicht so stark die Nutzlast anhebt. Es wird ein Maximum von rund 5800 kg bei einer rund 45 t schweren Stufe erreicht. Diese rund 300 kg mehr lohnen den Aufwand nicht.

Die zweite von mir untersuchte Konfiguration ist der Einsatz der preiswerten und schubstarken Ariane 4 PAP Booster. Wenn vier dieser Booster an die erste Stufe montiert werden, resultieren eine Reihe von positiven Effekten:

Ariane 5L PAP
Nutzlast: 7300 kg in einen GTO Orbit
Startmasse: 310.500 kg
Nutzlasthülle 1.500 kg
Stufe 1
Triebwerke: 3 x Vulcain 2
Schub 3 x 961 kN Boden, 3 x 1350 kN Vakuum
Startmasse: 211.000 kg
Trockenmasse 29.000 kg
Ausströmgeschwindigkeit: 4256 m/s (Vakuum)
Brennzeit: 191 s
Stufe 2
Triebwerke: 2 x Vinci
Schub 2 x 180 kN Vakuum
Startmasse: 49.000 kg
Trockenmasse: 5.300 kg
Ausströmgeschwindigkeit: 4560 m/s
Brenndauer: 553 s
VEB 500 kg
Nutzlastverkleidung 1750 kg (Ariane 5 kurz)

Diese Rakete kann die derzeit größten Kommunikationssatelliten transportieren. Ich glaube dass die Doppelstartfähigkeit nicht mehr so wichtig ist wie noch zu Ariane 4 Zeiten. Verschiedene Äußerungen von Le Gall unterstreichen dies. Da es nun wesentlich weniger Nutzlasten gibt ist es schwieriger zwei Satelliten zu finden, die zum gleichen Startfenster (trotz Erhöhung der Startrate finden weniger Flüge als noch mit der Ariane 4 statt) verfügbar sind und auch versicherungstechnisch ist es ungünstig: Zwar ist Ariane 5 seit 5 Jahren ohne Fehlstart (im Gegensatz zu seinen Konkurrenten), aber durch den Transport von zwei Satelliten ist der möglich Schaden höher, so dass eine Ariane 5 nur wenige Prozentpunkte preiswerter als eine Proton ist. Das dürfte auch der Grund für die EADS Initiative gewesen sein.

Wie könnte es ablaufen? Die Ariane 5 Light startet normal zu einer GTO Bahn. Die vier PAP sind nach 42 Sekunden ausgebrannt, die zentrale Stufe arbeitet noch weiter bis die Rakete eine Geschwindigkeit von 4842 m/s erreicht. Danach werden zuerst die Triebwerke mit dem Schubrahmen und dem Gleiter abgetrennt und dann die Rest EPC von der Oberstufe, die dann einen Orbit erreicht. Aerodynamisch steuert der Gleiter mit Hilfe des Quer und Höhenruders dann einen Flugplatz in Brasilien an und landet dort – das ist kein Problem. Die Space Shuttles machen das seit 30 Jahren. Unterstützt könnte er werden indem man die Restgase im Schubrahmen (Druckgas für die Pneumatik, Helium für den Tankdruck) durch Düsen entlässt und so kleinere Kurskorrekturen durchführt. Dafür extra Treibstoff mitzuführen ist nicht nötig, das ist nur bei den Konzepten „Zurück zum Startort“ nötig, weil dafür praktisch die Vorwärtsbewegung Richtung Süd-Ost in eine Rückwärtsbewegung Richtung Nord-West umgedreht werden muss. Nach einer Inspektion wird dann ein neuer Tank anmontiert und das ganze geht von Vorne los.

Ob es billiger wird, das ist schwer zu beantworten. Denn das preiswerteste bei der Ariane 5 sind ja die großen Feststoffbooster. Auf der anderen Seite kostet ein Vulcain Triebwerk alleine auch rund 15 Millionen Euro in der Fertigung.

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