Bernd Leitenbergers Blog

Nachlese zum Falcon 9 Jungfernflug

Eigentlich hatte ich erwartet, nach dem Jungfernflug gäbe es nun etwas mehr Informationen über die Falcon 9 und den Flug. Aber erst heute taucht ein Statement im typischen SpaceX Stil auf. Dieser SpaceX Stil – keinerlei Daten, gemischt mit falschen oder fragwürdigen Vergleichen, meistens auf Basis falscher Daten finde ich nervig. Kein Wort davon, dass der Orbit falsche Parameter aufweis, kein Wort von dem starken Rollen zum Ende des Betriebs der zweiten Stufe und das gefährliche Rollmanöver direkt nach dem Start.

Eigentlich hätte ich mehr Jubel, stolzes Präsentieren von Performancewerten wie der Nutzlast oder Orbitparametern erwartet. Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Bei Arianespace kann jeder bei den Übertragungen in Realzeit den Plot der Aufstiegsbahn sehen, auch wenn es keine Onboardkamera gibt, was sicher auch da interessant wäre.

Mich macht so was stutzig. Vielleicht ist einiges mehr nicht nach Vorschrift gelaufen. Vielleicht deutet das fehlende Eingehen der Kommentatoren auf die Anormalien darauf hin, dass sie bekannt waren – und man im Zeitdruck startete um wenigstens etwas vorweisen zu können. Elon Musk als Finanzier fällt ja aus. Er ist ja nun pleite und die Firma ist darauf angewiesen dass sie möglichst bald weitere Gelder von der NASA bekommt. (Was ja so gern bei der Diskussion um „private“ Firma vergessen wird: Die Firma hat nach Angaben von Elon Musk bisher 350-400 Millionen Dollar in die Entwicklung der Falcon 1+9 gesteckt. Von der NASA bekam sie bisher 349 Millionen Dollar. Dazu kommen noch die beiden von der Air Force finanzierten ersten beiden Starts der Falcon 9 in Höhe von 14 Millionen Dollar. Investoren haben also den kleinsten Teil der Summe aufgebracht (Elon Musk, der wahrscheinlich den größten Teil beisteuerte, steht für 100 Millionen Dollar. Nur: das ist eine Vorfinanzierung. Dem müssen nun auch Flüge folgen. Es gilt also recht schnell im Zeitplan vorranzukommen. Diese Zahlungen sind auch die Ursache für die drei letzten Jahre mit positiver Bilanz. Man sollte vielleicht als Vergleich mal den Konkurrenten OSC benühen, der vond er NASA weniger Geld für die Taurus II bekommt und nicht so hochgejubelt wird).

Die NASA hat schon einen COTS Flug erlassen wenn die anderen beiden mit geänderten Zielen durchgeführt werden. Vertrauen in die Firma? Angesichts überschrittener Zeitpläne und Bankrott des Hauptfinanziers wohl kaum. Wahrscheinlich ist SpaceX nun abhängiger von NASA Zahlungen als jede andere US Raumfahrtfirma und die NASA verzichtet lieber auf einen Fkug als gar nichts mehr für ihre Millionen zu bekommen.

Auch wenn der Jungfernflug wieder so viele neue widersprüchliche Zahlen brachte (so passen Treibstoffangaben z.B. nicht zu dem Startgewicht, außer die Falcon 9 hat einen strukturellen Anteil von 14,1 %, doch dann würde sie kaum Nutzlast transportieren). Eines ist klar: Die Nutzlast wird nach unten korrigiert werden. Beim letzten Test der Oberstufe vor dem Start gab SpaceX die Brenndauer der zweiten Stufe mit 329 s an. Sie brannte 333 s und erreichte einen zu niedrigen Orbit. Alleine der höhere Treibstoffverbrauch bewirkt einen Nutzlastverlust von rund 500 kg. Den gleichen Effekt gab es bei der ersten Stufe, da ist er aber schwerer berechenbar.

Mal sehen wie es weitergeht. Ich hoffe dass der nächste Flug bald kommt und das ist der erste COTS Flug. Ich glaube die NASA duldet solche Geheimniskrämerei bei ihren Missionen nicht. Die Presskit bei anderen Missionen enthalten normalerweise detaillierte Angaben über den Träger. so hoffe ich kann man bald ein vernünftiges Datenblatt erstellen. Bisher geht es ja nur durch Rückrechnen, was wegen verwirrender Zahlenangaben (Schub der zweiten Stufe z.B. mit 411, 427 und 445 kN angegeben, Brennzeit mit 329, 345 und 354 s) auch nicht möglich ist. Da war es ja früher einfach die Daten russischer Raketen zu rekonstruieren, denn die waren wenigstens konsistent.

Auch sonst ist diese Informationspolitik ja der von Russland zu vergleichen: Keine Daten, dafür Propaganda. Weitgehend staatlich finanziert sind sie ja schon. Vielleicht benennen sie sich ja bald um in „Rkk SpaceX“ oder „KB SpaceX“…..

Okay, da es von SpaceX keine Erklärung gibt für die Dinge die nicht normal sind:

Direktes drehen nach dem Start um 90 – ist definitiv nicht eine kleine Anomalie sondern eine gravierende Fehlfunktion. Alle Träger fliegen absolut senkrecht nach oben um eine Kollision mit dem Startturm zu vermeiden. Erst danach gibt es ein Rollmanöver, meistens um die Kommunikationsantenne in eine ideale Position zu drehen (bezüglich der aerodynamischen Belastung ist das Rollmanöver ja invariant). Ich denke das freut auch nicht die Range Safety, die ja am Schluss den Start aufgehalten hat.

Die Brenndauer der ersten Stufe habe ich nach Ausmessen des Videos auf 182,08 s nach dem Abheben (Countdownuhr und Sprecher hinken hinterher) bestimmt. Auch das ist 4 s länger als nach den SpaceX Angaben. Die der zweiten (leider wegen Bildausfall nur am Kommentator festgemacht) zu 332,76 s ermittelt. Auch das ist länger als angegeben – beides zusammen spricht für einen deutlich zu hohen Treibstoffverbrauch. Mal sehen wie es sich auf die Nutzlast auswirkt.

Die schwerwiegendste Anomalie ist das die zweite Stufe zum Ende der Brennzeit praktisch ungesteuert flog. Sie rollte nicht nur, sie taumelt um die anderen Achsen (erkennbar dafür das immer mehr der Erde ins Blickfeld kommt. Ob der Brennschluss da geplant war oder durch abreißenden Treibstofffluss oder den Bordcomputer ausgelöst, weil keine Steuerungsmöglichkeit mehr besteht, kann man nur mutmaßen. Da ein zu niedriger Orbit erreicht wurde (237 x 273 km nach NORTAD Radarvermessungen – übrigens auch eine Differenz zu SpaceX die von 99,8 x 101 % reden – seit wann spricht man bei Orbits von Prozenten – bezogen auf den Radius gemessen vom Erdmittelpunkt sind übrigens 1 % 66 km. -0.3 % eines GTO Transferorbits führen übrigens beim ersten Durchlauf zum Verglühen….) vermute ich eher das letzte. Über die durch das Taumeln induzierten Kräfte kann man nur spekulieren.

Und die erste Stufe konnte nicht geborgen werden. Man fand nur ein Trümmerfeld – letzteres lässt auf eine Desintegration schließen. Nur der Aufprall auf das Wasser kann das nicht verursachen (es sind schon nur verbeulte Tanks der Delta Stufe aus dem Orbit zurückgekommen. Treibstofftanks sind voluminös und treffen mit niedriger Geschwindigkeit auf das Wasser auf – sie sollten vielleicht verbeulen oder Löcher bekommen, aber sich nicht zerlegen). Ob allerdings eine Stufe aus Aluminium (Schmelzpunkt 660°C) ohne funktionierenden Thermalschild den Wiedereintritt mit >3000 m/s übersteht könnte bezweifelt werden. Das beeinflusst zwar nicht die Performance, aber sicherlich die Kalkulation, stecken in der ersten Stufe z.B. 9/10 aller Triebwerke….

Da wird SpaceX einiges nachzubessern haben.

Was sagt der erste Testflug aus? Eigentlich recht wenig. Es ist eben nur ein Flug. Zumindest bei den Betreibern von Kommunikationssatelliten zählen Erfolgsstatistiken über eine größere Flugzahl. Irgendwelche Vergleiche mit Jungfernflügen anderer Träger sind da nicht sehr sinnvoll – am wenigsten der mit Ariane 5, der so gerne genommen wird – bei beiden fehlgeschlagenen Flügen hatte Arianespace noch Modelle verfügbar, die einspringen konnten wenn nachgebessert werden musste. Das hat SpaceX nicht. Und die Firma ist neu. Auch Ariane brauchte einige Flüge bis die ersten Satelliten von nicht ESA Staaten kamen, das wird gerne vergessen. Nicht umsonst warten bisher alle potentiellen Interessenten ab oder die bisherigen Aufträge kommen erst nach den Flügen zur ISS so dass sie noch gekündigt werden können (hat ja schon der erste Kunde getan). Doch auch für die NASA ist es recht risikoarm, wenn man von dem schon vorher bezahlten Geldern mal absieht. Wenn ein Flug nicht klappt, ist es nicht ihr Problem. Sie zahlt für 20 t zur ISS und wenn SpaceX eben anstatt 12 nun mehr Flüge für diese Frachtmenge braucht  muss sie das nicht jucken.

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