Bernd Leitenbergers Blog

So wird das nichts!

Die ESA hat das ATV entwickelt. Von allen Transportern ist es der vielseitigste, aber dadurch auch komplexeste und teuerste. Das japanische HTV, das sowohl weniger verschiedene Typen an Fracht transportiert, wie auch weniger ambitioniert hinsichtlich automatischem Andocken ist, kam sowohl in den Entwicklungskosten wie auch den Transportkosten erheblich billiger.

Die ESA hat dies immer gerechtfertigt, dass dies auch Investitionen für ein neues Vehikel wäre, das auch Fracht zurück zur Erde bringt (heute ARV genannt). Durch das modulare Design des ATV könnte dies dann preiswerter entwickelt werden, so könnte man den vorderen Frachtbehälter einfach durch eine Kapsel ersetzen. In einem zweiten Schritt könnte diese sogar bemannt sein.

Nun lese ich, dass die ESA das tatsächlich vorhat. Also alles Paletti?

Nein, wer den Bericht genauer liest merkt, dass von dem Versprechen nichts übrig bleibt. Zahlreiche Subsysteme müssen ersetzt werden, so bekommt es einen neuen Kopplungsadapter. Das Servicemodul muss in vielen Teilen upgraded werden, so soll die Stromversorgung verstärkt werden, eine aktive Kühlung eingebaut usw. Besonders lustig fand ich die Passage: „need improved power generation systems and newer avionics to replace obsolete equipment on the ATV.“ – Lustig deswegen weil die gleiche Avionik Hardware der neue Bordcomputer der Ariane 5 und Vega sein wird, also für diese Träger gerade erst neu eingeführt wird.

Schon alleine die Summe – 150 Millionen Euro für Phase B, die meisten Kosten fallen eigentlich erst in Phase C+D an, zeigt dass es nicht billig werden wird.

Vor allem aber sehe ich keinen Nutzen. Aus zwei Gründen. Zum einen stellt sich die Frage der Notwendigkeit. Die ESA selbst bezifferte den gesamten Bedarf an Gütern die zur Erde zurück gebracht werden soll auf 1.000 bis 1.500 kg pro Jahr. Es gibt schon ein System dass fähig ist Fracht zur Erde zurückzubringen – die Dragon Kapsel von SpaceX die viermal pro Jahr starten soll und jedes Mal (da schwanken die SpaceX Angaben zwischen 1.200 und 3.000 kg zur Erde zurückbringen kann). Der Bedarf für ein zweites System existiert also nicht.

Man investiert also nochmals neue Entwicklungskosten in ein System das nicht benötigt wird und das man auch nicht bezahlt bekommt – es gibt nur eine Vertragliche Verpflichtung einen festgesetzten Frachtanteil zu liefern. Es wird nicht festgelegt dafür ein Technikwunder zu bauen, sondern wenn die ESA einen unnötig teuren und komplexen Transporter baut, dann ist das ihr Bier. Und hier wird das ARV die Nutzlast deutlich senken: Auf 2000 kg zur Station und 1.500 kg zurück. Selbst wenn dann noch Reboosttreibstoff dazukommt ist das deutlich weniger als beim ATV – ist auch klar. Die massive Kapsel kostet Nutzlast.

Vor allem aber: Es kommt zu spät! Nach dem Bericht soll es 2017 fliegen – drei Jahre vor Stationsende. Was soll das? Dann werden vielleicht 2-3 Stück gebaut und dafür wird wieder viel Geld ausgegeben (Schätzungen für das ARV beliefen sich auf weitere 800 – 1000 Millionen Euro Entwicklungskosten). Es würde vielleicht noch Sinn machen, wenn man 2006, als die Entwicklungsarbeiten am ATV abgeschlossen wurden dann an das ARV gegangen wäre. Dann wäre es 2013 zur Verfügung gestanden und eine größere Zahl wären bis 2020, dem derzeit geplanten Betriebsende der Station eingesetzt worden. Aber die damals unsichere Zukunft sprach gegen diese Idee und die gleichen Argumente zogen auch 2008, als bei der letzten Ministerratskonferenz nur 21 Millionen Euro für die Phase B Studie bewilligt wurden. Deutschland wollte erheblich mehr, in etwa ie Größenordnung um die es jetzt geht.

Die Zeit ist verloren und kann nicht kompensiert werden. Daran ist die ESA nicht schuld, das lag an der damaligen Politik der USA. Aber dann wäre es in meinen Augen konsequenter wenn die ESA nun zur Industrie sagen würde: Wir brauchen noch vier bis fünf ATV, wir nehmen die euch ab. Seht zu dass ihr sie billiger produzieren könnt oder sie noch etwas leistungsfähiger und flexibler sind. Also graduelle Verbesserungen die finanzierbar sind. Mehr zum Thema ATV Evolution in meinem Aufsatz über das Thema.

Ansonsten: Hätte nicht gedacht das Kevins Rätsel so schwierig ist. Vielleicht hätte er fragen sollen, was am 21.7.1969 passierte, das ist ja noch viel schwieriger… Huuh ist das schlimm wenn man mal selbst ein Rätsel stellen muss und dazu ein paar Sätze als Erklärung, wenn man richtig auflöst. Da am besten nicht antworten. Menschen wollen wohl nicht auffallen. Das war in der Schule so, beim Studium war ich auch einer der wenigen der sich freiwillig meldete und bei meinen Studenten beobachte ich dasselbe. Aber beim Blog? Hier sind doch alle mit Vornamen oder Pseudonyme unterwegs. Es gibt sicher einige Tausend „Hans“, „Arne“ und „Alexander“ in dieser Republik. Also wovor habt ihr Angst? Was soll ich da erst dagegen sagen, wenn ich (fast) jeden Tag einen Blog unter meinem Realnamen verfasse?

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