Ich habe kürzlich in einem Briefwechsel beklagt, dass das DLR kaum Informationen über alte Missionen bietet und wir mir mein Partner versicherte, gilt das wohl auch intern. Irgenwie scheint eine ganze Menge an Informationen verschütt gegangen sein. Vielleicht ist das auch eine Ausrichtung: Die Website ist ja nun geprägt von Blogs, bunten Flyern mit Basisinformationen die nicht sehr in die Tiefe gehen und anstatt dessen wird jede kleine Neuigkeit seitenweise ausgebreitet. Umgekehrt richtet sich die Kritik des Presssesprechers gegen meine Website und Bücher das dort nur Wissen vermittelt wird.
Ich habe mir gedacht, ich muss doch mal den Wünschen des DLR nach Informationen ohne Fakten nachkommen. Daher ein Blog der anderen Art:
A day on the ISS
Wir baten den aktuellen Astronauten Peter Schmidt über seinen Arbeitsalltag zu scheiben. (Peter Schmidt ist Reserveleutnant der Luftwaffe, trägt eine Armbanduhr von Junghans, erhielt seine Astronautenausbildung im European Astronaut Center in Köln-Pforz und ist seit 5 Jahren Mitarbeiter des DLR).
„Schon nachts musste ich dreimal raus. Jedes Mal ging es darum die Kartusche im Materialforschungsexperiment zu wechseln. Ich hasse das. Eigentlich passen ja vier Kartuschen in den Versuchsbehälter, aber das Kontrollzentrum will das wir jede nach dem Durchlaufen des Ofens kontrollieren und eine neue einsetzen, weil mehrmals der Beförderungsmechanismus blockierte. Das verhindert recht zuverlässig, dass man durchschlafen kann.
Nach dem Frühstück war erst mal zwei Stunden Packen angesagt: Die letzten Versorgunggüter aus dem ATV mussten in das PMM umgeladen werden. Das war eine Menge Arbeit, weil wir jedes Packet erst durch zwei russische Module und dann durch drei amerikanische Module transportieren müssen. Insbesondere die kleinen Luken bei den russischen Modulen verhindern, dass wir ein ganzes Rack auf einmal transportieren können, obwohl das Zeug ja kein Gewicht mehr hat. Ehrlich gesagt frage ich mich bei jedem Ein/Ausladen, ob sich irgend jemand bei der Konzeption der ISS mal Gedanken gemacht hat wie viel Zeit wir nur brauchen alles von A nach B umzuladen. Ein guter Teil unserer Arbeitszeit geht dafür drauf. Immerhin legen pro Jahr rund 12-14 Transporter an die ISS an.
Das Mittagessen war wie immer recht geschmacklos. Um Gewicht zu sparen bekommen wir alles in dehydrierter Form und setzen destilliertes Wasser zu. So langsam verstehe ich warum einige russische Besatzungen auf der MIR nach einem halben Jahr anfingen zu rebellieren: Das Essen geht einem schnell auf den Geist. Gottseidank bleibt keiner von uns länger als 180 Tage an Bord. Länger ist das nicht auszuhalten. Frische Ware ist nach dem Ausmustern der Space Shuttles noch seltener dabei, weil der Transport zu teuer ist.
Nachmittags stand dann eine Aufzeichnung für die „Sendung für die Maus“ an. Mit im ATV war auch eine Kuschelmaus, die wir Schweben und rotieren ließen und dazu einiges über die Schwerelosigkeit erklären. Diese P&R Aktionen werden immer häufiger und machen immer mehr Arbeit. Als unsere US-Kollegen beim letzten Mal zeigen sollten wie sich Waser zu Kugeln formt und das Lagereglungssystem der ISS gerade zu diesem Zeitpunkt aktiv wurde, landete das ganze Wasser auf der Wand und wir mussten fast eine Stunde lang das Destiny Labor trocken wischen. Das Herunterfahren und Hochfahren der Experimente, wegen der Kurzschlussgefahr dauerte noch länger. Doch Besserung ist nicht in Sicht: Im Gegenteil: Wir europäischen Astronauten haben viel häufiger Interviews mit Politikern oder Verantwortlichend er ESA oder nationalen Raumfahrtagenturen führen. Auch für nächste Woche ist wieder eines mit Merkel geplant. Das DLR hat mich schon vorgewarnt die Kanzlerin nicht zu korrigieren. Offensichtlich glaubt sie wirklich, dass die Weltraumfahrt den CD-Spieler möglich machte. Aber ohne P&R und Angeben fehlt der politische Rückhalt für die ISS. Meine kollegen haben mich schon vorgwarnt: zurück auf der Erde wird es auch nicht besser.
Insgesamt zwei Stunden habe ich heute Experimente abgelesen, bestückt, ein/ausgeschaltet oder Proben geborgen. Damit liege ich inzwischen schon 30% über dem Soll und nur 11% unter dem Rekord an der ISS. Ich hatte mir ja vorgenommen die Kosten pro Stunde Experimentierzeit auf unter 6 Millionen Dollar zu drücken. Das scheint zu klappen. Abends habe ich dann noch mit meiner Familie geskypt und einen Blogeintrag für die ESA verfasst. Damit ging erneut ein 10 Stunden Arbeitstag an Bord der ISS zu Ende und ich bin hundemüde in den Schlafsack zwischen dem ESR und DLR-Rack geschlüpft – dort habe ich meinen Schlafsack aufgebaut. Die von Kollegen vorgeschlagene Alternative die viel leiseren ATV zu benutzen habe ich auch überlegt, aber da ist der Weg zum Rack viel länger und sie wissen ja – man muss dreimal nachts raus um die Kartuschen zu wechseln….