Bernd Leitenbergers Blog

Parallelstufung

Zeit einmal in einem Grundlagenartikel die Prinzipien der Stufung zu beleuchten. Ich will nicht bei Null anfangen und ich setze mal voraus, dass jeder weiß, das eine Rakete mehrere Stufen haben muss. Das ergibt sich aus der Ziolkowski Gleichung, nach der bei gegebener Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase die Endgeschwindigkeit nur von dem Logarithmus der Voll/Leermasseverhältnis abhängt. Da dieses technische Grenzen hat, ist man gezwungen mehrere Stufen einzusetzen, weil sich dann die Endgeschwindigkeiten jeder Stufe addieren. Zwar muss die untere Stufe dann die vollbetankte Oberstufe zum Leergewicht hinzuaddieren, aber aufgrund der Eigenschaft der Logarithmusfunktion nur langsam anzusteigen, ist dies trotzdem günstiger, als nur eine Stufe einzusetzen.

Es gibt nun für die Stufung zwei prinzipielle Verfahren sowie einige Zwischenlösungen, genannt Parallelstufung und Serienstufung.

Die Serienstufung ist das bei vielen älteren Trägern und fast allen militärischen Typen eingesetzte Prinzip: Eine Stufe zündet nach Ausbrennen der vorherigen. Die Saturn waren Serienstufenraketen, die meisten anderen nicht um Booster verstärkten Träger auch.

Das zweite Prinzip ist das der Parallelstufung: Zwei Stufen zünden gleichzeitig, eineSstufe ist eher als die andere ausgebrannt und wird dann abgetrennt, die zweite setzt ihren Flug fort. Die Semjorka ist eine solche Rakete, aber auch alle Träger die Zusatzbooster einsetzen, egal ob diese flüssige oder feste Treibstoffe einsetzen, wie die Ariane 5, Ariane 4, Delta 2. Hinweis: Früher verstand man unter Paralellstufung die parallele Anordnung von Stufen, die aber nacheinander gezündet wurden. Die einzige Rakete die nach diesem Prinzip funktionierte war die Titan 3+4 mit Boostern. In der mathematischen Betrachtung ist diese Bauweise identisch mit der Serienstufung, nur ist die Rakete kompakter aufgebaut und die Lasten wirken anders ein.

Beide Verfahren findet man bisher nur bei Erststufen, obwohl sie natürlich auch bei Oberstufen eingesetzt werden können. Rein theoretisch resultiert bei gleichen gegebenen technischen Daten (Voll/Leermasse, Schub, Brenndauer) das die Serienstufung etwas besser als die Parallelstufung abschneidet. Das liegt darin, dass wenn man die Stufen getrennt betrachtet, bei der Parallelstufung zum Zeitpunkt der Abtrennung der Booster schon Treibstoff verbraucht wurde. Daher würde nun ein kleinerer Tank für die verbliebene Treibstoffmenge ausreichen und dieser ist leichter. Wie groß der Nachteil ist, hängt von dem Treibstoff bei der Abtrennung ab. Der Effekt wird aber meist überschätzt, da zum einen der Einfluss der ersten Stufe nicht so hoch auf die Nutzlast ist und es als positiven Nebeneffekt natürlich eine höhere Startbeschleunigung durch das Zentraltriebwerk gibt, was die Verluste für die Erreichung der Orbithöhe reduziert. Koroljow hat dies für seine R-7 in einer frühen Phase (1951) durchgerechnet und folgende Konzepte untersucht:

Als erstes fällt auf, das die Unterschiede nicht sehr groß sind. 110 zu 128 t – das sind etwa 10 % Mehrgewicht. Den einen oder anderen wird auch auffallen, dass die R-7 Konfiguration günstiger als die mit Cross-Feeding oder nacheinander Zünden der Stufen ist. Das ist mehreren Faktoren geschuldet. Zum einen gegenüber der späteren Zündung der Zentralstufe den geringen Gravitationsverlusten. Bei der R-7 kommt dazu, dass es keine Oberstufe gab. Mit Cross-Feeding verkürzt sich die Betriebszeit der Außenblocks von 120 s auf 96 s. Der Zentralblock brennt weiterhin 300 s. Das führt zu einem sehr ungünstigen Stufenverhältnis zum sehr leichten ICBM Sprengkopf, dass den Vorteil der volleren Tanks wieder zunichte macht. Bei schweren Oberstufen wäre dieser Nachteil wohl nicht gegeben. Später musste die R-7 wegen größerer Sprengköpfe vergrößert werden, Koroljow blieb aber bei seinem Konzept.

Es gibt dann noch zwei weitere Möglichkeiten der Stufung. Die Abtrennung von Treibstofftanks und Triebwerken. Fangen wir mit dem ersteren. Es ist offensichtlich, das es von Vorteil ist einen Treibstofftank abzuwerfen, sobald er leer ist. Ansonsten wird der leere Tank weiter beschleunigt und reduziert die Nutzlast. Das Problem ist es nur, dies im Flug zu tun. Es gibt nur eine Stufe die es einsetzt, das ist die Breeze-M: Sie entstand aus der Breeze-KM einer Oberstufe für die Rockot. Beim Einsatz bei der Proton war die Stufe aber viel zu klein und so wurde ein ringförmiger Zusatztank um die Stufe platziert, der abgesprengt wird, sobald er leer ist, üblicherweise nach der ersten Brennperiode.

Etwas komplizierter ist es beim Absprengen von Triebwerken. Bei Erststufen ist es so, dass Schub wichtig ist. Je höher er ist, desto weniger Zeit benötigt die Rakete um die Geschwindigkeit in der Vertikalen aufzubauen die man benötigt, um eine Mindesthöhe für den Orbit zu erreichen. Das Abtrennen von Triebwerken mag zwar das Gewicht reduzieren, erhöht dann aber diese Verluste für die „Hebearbeit“. Es gibt nur eine Rakete, die Triebwerke im Flug abwirft, das war die Atlas bis zur Atlas III. Der Zeitpunkt ist je nach Modell und Oberstufe unterschiedlich und wird durch Beschleunigungssensoren bei einer Beschleunigung von 5,3 bis 5,7 g ausgelöst. Ich denke das wird eine Ausnahme bleiben, weil die Atlas eine extreme Leichtbauweise bei den Tanks einsetzte: bei der Atlas D wog der Triebwerksblock 3.050 kg, der Tank mit dem Zentraltriebwerk nur 2.350 kg. Im Normalfall ist der Tank weitaus schwerer als die Triebwerke und deren Abtrennung und der damit bewirkte Schubverlust bringt daher nur einen kleinen Gewinn.

Zuletzt noch etwas zu dem „Cross-Feeding“: Darunter versteht man das leiten des Treibstoffs von den Außentriebwerken zum Zentraltriebwerk. Es ist von der Theorie her die optimalste Umsetzung. Da es bei der Falcon Heavy eingesetzt wird, will ich es an diesem Beispiel erläutern: Drei Stufen zünden gleichzeitig, aber zuerst wird nur der Treibstoff der Außenblocks verbraucht. Nach dem Verbrauch dessen werden die Ventile geschlossen und die Stufen abgetrennt und die Zentralstufe verbraucht ihren eigenen Treibstoff. Der Vorteil sollte bei der Falcon Heavy offensichtlich sein, da alle drei Stufen gleiche Brennzeiten haben. Das Cross-Feeding entspricht in diesem Falle der Einführung einer neuen Stufe. Demgegenüber ist der Nutzlastgewinn klein – 53 t zu 45 t. Ich vermute dass es schon bei der normalen Falcon 9 Heavy eine Stufung gibt, z.b. indem in der Zentralstufe vorher Triebwerke abgeschaltet werden, um die Brenndauer zu verlängern und die Spitzenbeschleunigung zu reduzieren, analog wie dies bei der Delta IV Heavy mit der Schubreduzierung des Zentraltriebwerks geschieht.

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