Bernd Leitenbergers Blog

„Das steht alles im Internet“

Eine Frage, dieh ich mir nach einem Kommentar gestellt habe: braucht man noch Bücher? Noch Nachrichtensendungen und Magazine? Kann man sich nicht im Internet viel einfacher mit Informationen versorgen? Nun ja. Zum einen gibt es nicht alles im Internet. Die Wissenschaft hat vor schon vor dem Internet ein System aufgebaut wie Artikel, Forschungsberichte etc. publiziert und auch die Information verkauft wird. Bis heute kosten Artikel von Nature, Scientific American oder den zahllosen anderen spezialisierten Zeitschriften nur gegen bares.

Die Frage ist aber auch ob die andere Aussage stimmt. Auf den ersten Blick ja, ja es geht sogar noch weiter als die obige Aussage suggeriert. Im Internet steht nicht nur alles was man in einer Fernsehsendung erfährt, nicht nur alle Nachrichten aus der Tagesschau sondern sogar noch die von Hinterdupfing. Nein, es gibt zig verschiedene Meldungen, Webseiten etc. Wer heute bei Google News „Osama bin Laden“ eingibt erfährt, dass es rund 5.000 Nachrichtenartikel zum Tod des Terroristen gibt.

Das Problem des Internets liegt in zwei Dingen: das eine ist die Fülle und das zweite ist die demokratische Natur. Die Fülle bedeutet, dass ich sehr viele Webseiten zu einem Suchbegriff bekomme. Wenn es etwas spezieller ist, sind es weniger, aber die Anzahl der Webseiten ist nicht unbedingt eine Gewährleistung dafür, dass ich auch das finde was sich suche. Nur mal als Beispiel: Sehr großen Aufwand für mein letztes Buch war es, die technischen Basisdaten der ESC-B zu bekommen. EADS antwortete nicht, die ESA hatte angeblich keine und das DLR dürfte sie nicht geben, da sie geistiges Eigentum von EADS wären. Also bleibt nur noch das Internet. Der Suchbegriff „Ariane 5 ESC-B dry mass“ um nur mal die Trockenmasse zu bekommen, listet zwar zig Webseiten auf, aber alle Angaben dort betreffen andere Stufen. Selbst wenn man nicht auf Google angewiesen ist, sondern direkt auf Verzeichnisse zugreifen kann wie den Technical Reports Server der NASA (schade, dass so etwas nicht auch bei anderen Raumfahrtagenturen verfügbar ist), der muss dort die Schätze von den vielen Nieten trennen. Denn auch diese Suchmaschinen listen alles – jedes Memorandum, jede Projektstudie, jedes Details einer Entwicklung das selbst für den Raumfahrtinteressierten, sofern er nicht selbst an der Entwicklung beteiligt ist zu speziell ist. Das alles macht es zeitintensiv Informationen zu suchen.

Das zweite ist die demokratische Natur des Internets. Jeder kann eine Website aufsetzen. Doch ist auch korrekt was dort steht? Von wo hat er die Informationen? sind sie korrekt wiedergegeben? Selbst in Wikipedia findet man Fehler und zwar um so mehr, je weniger über das Thema Bescheid wissen. Eines kann mit Sicherheit das Internet nicht ersetzen: Fachbücher. Denn die Natur des elektronischen Mediums ist es, dass es ausgelegt ist für das Lesen auf dem Bildschirm, nicht für das vertiefende Lesen oder Studieren, wo man nicht nur konsumiert, sondern auch anstreicht, Bemerkungen macht oder ganz ordnungsliebende kleine Bepper an den Seitenrändern um wichtige Fundstellen schneller parat zu haben. Vielleicht wird das mal von ebooks verdrängt, doch auch wenn als Vorsilbe „e“ davor steht, sind es eben doch Bücher – längere abgeschlossene Werke, die man wohl nicht durch Scrollen am Bildschirm in einem Stück durchliest sondern eher mit einem portablen ebook Reader.

Was das Internet bedeutet ist Segen und Fluch. Segen, weil es einem neue Welten eröffnet. Ich muss nur zurückdenken, was ich vor 20 Jahren vielleicht an Informationen über Trägeraketen und Raumsonden hatte. Das wäre zusammengefasst vielleicht auf 100 Seiten unterzubringen. Ich habe noch einige alte Worddokumente aus den Achtzigern als ich mir aus den Zeitschriften in der Uni-Bibliothek die Informationen zusammengesucht und zusammengefasst habe. Was da steht ist verschwindend gering mit dem was ich heute an Informationen habe. Es gibt einen direkten Zugang – nicht mehr gefiltert durch eine Fachzeitschrift oder eine Nachrichtenagentur sondern die Möglichkeit sich die Presseinformationen direkt anzusehen und bei vielen Missionen auch Hintergrundinformationen einzusehen. Der Fluch ist, dass es so viel geworden ist. Es gibt so viele Nachrichten, Pressemitteilungen etc. Vieles ist unwichtig oder in ein paar Tagen nicht mehr wichtig. Was bleibt in ein paar Monaten Erinnerungswertes vom letzten Flug der Endeavour? Das es einige Startverzögerungen gab, die nun gerade aktuell in den entsprechenden Portalen die Headlines bilden oder das die Fähre das AMS 02 zur ISS bringt?

Das ist das Problem des Internets. Es fehlt die ordnende Hand, was Fernsehsendungen, Zeitungen und Bücher im besten Falle leisten, ist es Informationen zu konzentrieren auf das wesentliche eindampfen. Dies muss nun der Nutzer erledigen. Daher denke ich werden die klassischen Medien noch lange wichtig sein.

Vielleicht wird in einigen Jahren aber auch diese Sichtweise völlig out sein – ich gehöre ja noch zum Relikt der „Web 1.0 Generation“. Die meisten benutzen das Web ja als „Social Network“. Um sich zu vernetzen, Kontakte zu pflegen, chatten, skypen etc. Das Web 2.0 soll an der Verbreitung der Revolutionen in den nordafrikanischen Ländern verantwortlich sein. An mir ist das alles vorbei gegangen. Ich brauche nach wie vor das Internet nur zur Recherche. Die Abhängigkeit ist aber auch nicht so groß. Vor einigen Tagen kam bei „nano“ als Experiment, dass eine Familie eine Woche ohne Internet, Handy und Fernsehen auskommen musste. Vor allem die Teenager hatten nun Probleme ihre Zeit selbst zu organisieren. Ich wage zu behaupten, dass es mir nicht so gehen würde, auch weil ich im Urlaub kein Internet habe, Handy sowieso nicht und auf den Fernseher könnte ich wohl auch verzichten. Eine derartige Abhängigkeit verursacht aber nur fehlende Kommunikation, nicht der fehlende Zugang zu Informationen.

Die mobile Version verlassen