Bernd Leitenbergers Blog

Photochemie

Weil ich es schon angesprochen habe, aber noch nicht so richtig erklärt, heute ein bisschen eine kleine Einführung in die Photochemie. Das Kunstwort besteht aus Photo=Licht und Chemie. Es ist die Lehre der Reaktionen, die durch Licht induziert werden. Wenn wir an chemische Reaktionen denken, dann meistens an aggressive Stoffe oder Erwärmung, wenige jedoch an Licht. Dabei ist Licht enorm energiereich. Das sichtbare Licht der Sonne (mit dem Strahlungsmaximum bei einer Wellenlänge von 550 nm) wurde von der Chromosphäre mit einer Temperatur von 5.500C ausgesandt. Entsprechend energiereich ist es. Albert Einstein hat seinen Nobelpreis nicht (wie manche meinen) für die Relativitätstheorie bekommen, sondern für die Erklärung des photoelektrischen Effekts. Bestrahlt man bestimmte Substanzen wie Silizium mit Licht so kann man einen Strom messen.. Was Einstein entdeckte, war dass zum Herausschlagen von Elektronen aus dem Halbleiter die Wellenlänge des Lichtes wesentlich war. Überschritt die Wellenlänge einen Grenzwert, so konnte man den Halbleiter mit beliebig viel Licht einer höheren Wellenlänge bestrahlen – man würde keinen Strom messen.

Wie wir heute wissen, korrespondiert mit jeder Wellenlänge eine bestimmte Energie. Trifft ein Lichtteilchen (Photon) auf ein Atom, so überträgt es die Energie. Reicht die Energie aus, so schlägt sie ein Elektron aus dem Atom – Strom fliest. Reicht die Energie nicht aus, so nutzen auch zig Lichtteilchen nichts – sie bringen das Atom bei jedem Treffer in einen angeregten Zustand, aus dem es jedoch schnell wieder zurückkehrt indem es Energie abgibt (auf diesem Prinzip beruht der Laser).

Dasselbe passiert auch bei chemischen Verbindungen. Das sichtbare Licht ist immerhin energiereich genug um zahlreiche Verbindungen zu spalten und Reaktionen zu induzieren, vor allem organische Bindungen in größeren Molekülen sind recht schwach. Jeder kennt das: Der Farbstoff von beschreibbaren CDs bleicht in der Sonne aus, Kunststoff wird hart und spröde oder verwittert. Andere Stoffe mit schwächeren Bindungen können durch Licht in Radikale gespaltet werden. Falls ein Lehrer hier mitliest: Mal im abgedunkelten Raum in einen Luftballon etwas Chlorgas und etwas Propan, Ethan oder Butan füllen und davon ein Foto mit Blitz machen… Der Effekt ist super. Ich empfehle aber einen Explosionskäfig bei dem Experiment einzusetzen. Was passiert? Das Licht eines Elektronenblitzes ist zwar nicht sehr intensiv, aber jedes Photon hat eine hohe Energie. Diese reicht aus einige Chlormoleküle in Chloratome zu spalten. Diese regieren mit dem Kohlenwasserstoff zu einem Kohlenwasserstoffradikal, das instabil ist und sich schnell ein zweites Chloratom aus einem Chlormolekül holt – ein neues Chloratom entsteht und die Kettenreaktion geht weiter.

Cl2 + Photon ? 2 Cl*

Cl* + H-Ch2-Ch2-H ? Ch2*-CH3 + HCl

Ch2*-CH3 + Cl2 ? Cl-Ch2-Ch3 + Cl*

Mit einem Stern ist jeweils das Radikal markiert. Die Radikale haben ein ungebundenes Elektron und sind so gierig nach einem zweiten. Radikale sind ungleich reaktiver als normale Verbindungen und sie sind viel unselektiver, Hauptsache ein Elektron kommt her. Das ist, wie wenn sie mit einer Frau einkaufen. Da mag sie stundenlang herumschauen und trotzdem nichts finden. Die Situation ändert sich wenn sie nackt ist. (Ihr also Kleidung fehlt) Sie können dann drauf wetten dass sie dann alles anzieht, sogar ein Herrenjacket. Die Rolle der Kleidung stellt hier die Bindung da. Hat ein Molekül eine stabile Bindung so wird es nur versuchen eine noch stabilere Bindung zu erhalten, außer man pumpt viel Energie in das Molekül herein. Fehlt die Kleidung (=Bindung), so wird das Atom jede andere Bindung akzeptieren um wieder einen stabilen Zustand zu erreichen.

Ein wesentlicher Unterschied bei der Photochemie ist dass die Ursache für die Reaktion ein Lichtteilchen ist. Bei den meisten anderen Reaktionen sind die Reaktionspartner energiereich, entweder durch Temperatur oder andere Mechanismen wird dann die Aktvieriungsenergie die man benötigt um eine bestehende Bindung aufzuspalten. Hier bringt diese Energie das Photon. Bei den meisten Molekülen führt das zur Bindungsspaltung (nur große Moleküle können insgesamt in einen angeregten Zustand gelangen). Diese Radikalreaktionen sind wie oben angesprochen unspezifisch und das macht es recht schwierig, das Ergebnis vorherzusagen. Im Prinzip sucht sich das Radikal den nächsten Reaktionspartner mit dem eine stabile Bindung möglich ist, auch wenn als Folge ein neues Radikal entsteht und das Ergebnis unter Normalbedingung nicht stabil ist.

Solare UV-Strahlen erzeugen aus Sauerstoff in der Stratosphäre Ozon. Ozon ist sehr reaktiv und auf der Erde nicht lange stabil, er zerfällt auch in der Stratosphäre, wird aber durch UV-Strahlung laufend neu erzeugt. Er absorbiert aber so die UV-Strahlen und sie gelangen meistens nicht auf die Erde. (Zumindest nicht die ganz energiereichen, die energiearmen reichen aber immer noch aus um zahlreiche Zellschäden hervorzurufen „Sonnenbrand“). Auf der anderen Seite passiert mit Chlorierten Kohlenwasserstoffen in unserer Atmosphäre folgendes:

Cl-Ch2-R + Photon ? Cl* + Ch2-R*

Cl* + O3 ? ClO* + O2

ClO* + O3 ? Cl* + 2 O2

Das Chlorradikal hat also zwei Ozonmoleküle zerstört und ist regeneriert worden – darauf beruht die zerstörende Wirkung von chlorierten Kohlenwasserstoffen die bis in die Stratosphäre gelangen. Das dies passiert, war keinem bewusst bis man es Ende der siebziger Jahre beobachtete. Der grundsätzliche Mechanismus von Photoreaktionen ist der gleiche wie bei normalen, nur nimmt die Selektivität ab. ein Radikal hat nur das Bestreben in einen neuen stabilen Zustand überzugehen, selbst wenn das entstehende Molekül selbst wieder leicht zerfällt. So entsteht Ozon folgendermaßen:

O2 + Photon ?; 2 O*

O* + O2 ? O3

Der Unterschied zum Chloroxid in der obigen Reaktion ist, das Ozon zwar unter innerer Spannung steht (Die Bindungswinkel sind von 109 auf 90 Grad verkürzt) und daher leicht wieder in O2 + O zerfällt, aber es ist kein Radikal mehr. Damit ist die Kette erst mal gestoppt. Das Chloroxid (ClO) ist dagegen immer noch ein Radikal (Das Chlor hat eine Bindung, der Sauerstoff zwei, also ist eine des Sauerstoffs noch frei) und es reagiert daher weiter. Den einzigen Vorteil den die Reaktion mit dem Ozon brachte ist die, das das Chloroxidradikal etwas stabiler als das Chlorradikal ist, weil das einzelne Elektron nun mehr Orbitale hat in denen es sich kurzzeitig aufhalten kann. Das Nachstellen im Labor ist recht schwierig, schließlich sind die Bedingungen in der Stratosphäre schwer simulierbar.

Das macht es natürlich auch schwierig, Reaktionen in den Atmosphären anderer Planeten zu beurteilen. Auf der Venus führt sie zur Bildung von Carbonylsulfid. Beim Titan führt sie zu Kondensationsreaktionen. Kohlenwasserstoffe haben eine gute Eigenschaften: Wird ein Kohlenwasserstoffradikal zu einem anderen Kohlenwasserstoffmolekül addiert, so ist das größere Molekül besser fähig den radikalischem Zustand zu ertragen. Das heißt im Trend werden die Moleküle immer größer. Irgendwann sind sie nicht mehr gasförmig sondern werden flüssig, bilden Aerosole und sinken nach unten. Sie bilden einen richtigen Schlamm aus polymeren Substanzen. Diese wurden auch von Huygens nachgewiesen und einige Formationen auf Cassini Radarbildern erklärt man sich so. Als Nebenreaktionen gibt es auch Reaktionen mit dem Stickstoff, doch diese führen nicht solch stabilen Radikalen, weshalb das häufigste HC3N 100 mal seltener vorkommt als das erste Kondensationsprodukt Ethan, obwohl es 50 mal mehr Stickstoff als Methan gibt. Weiterhin benötigt man um so weniger Energie für eine Photoreaktion je größer das Molekül ist. Um Methan zu spalten benötigt man z.B. UV-Strahlung mit einer Wellenlänge kleiner als 145 nm (optimal um die Lyman-Alpha Wellenlänge von 121,6 nm). Diese Prozesse laufen also nur in der äußersten Sicht ab. Denn sie absorbieren die extreme UV-Strahlung.

Auffällig in der Titanatmsophäre ist auch das Vorhandensein von zahlreichen ungesättigten Molekülen, wie Ethen. Eine Möglichkeit für einen Kohlenwasserstoff den Radikalcharakter loszuwerden ist es atomaren Wasserstoff abzugeben, der dann wegen seiner geringen Atommasse das Schwerefeld verlassen kann.

Auf der Erde wird für die Entstehung des Lebens postuliert, das die durch UV-Strahlung induzierten Reaktionen erst zur Bildung zahlreicher organischer Grundbausteine führten. (Neben Blitzen, nur ist die UV-Strahlung damals überall vorhanden gewesen Blitze nur regional). Allerdings spaltet das UV-Licht auch gebildete komplexe Moleküle wieder, weshalb die entstandenen Moleküle auch vor ihr geschützt werden müssen. Wie dies geschah das ist eines der vielen Rätsel bei der Entstehung des Lebens.

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