Bernd Leitenbergers Blog

Der Vocoder

Inspiriert vom schon etwas länger zurückliegenden Musiktipp „Mr. Roboto“ kommt heute mal wieder ein Blog über ein musikalisches Effektgerät. Der Vocoder (ein Kunstwort aus Voice Encoder) war ursprünglich gar nicht für die Musik bestimmt, sondern für kodierte Sprachübertragung und Reduktion der für die Übertragung nötigen Bandbreite. Die damit verfremdeten Stimmen lassen sich aber wunderbar als Effekt nutzen. Spätestens seit Kraftwerk hat der Vocoder breiten Einzug in die Popmusik gehalten.

 Wie funktioniert er nun? Das ist schwer zu erklären, ohne ein wenig Grundwissen über Frequenzen und Filter vorauszusetzen. Der Vocoder hat zwei Eingänge, einen für das Trägersignal und einen für das Modulatorsignal (meistens, aber nicht zwangsläufig Sprache). Vereinfacht gesagt wird dem Träger das Modulatorsignal „aufgeprägt“. Nimmt man beispielsweise eine Orgel als Träger, dann lässt man sozusagen die Orgel sprechen. Technisch besteht der Vocoder aus Analyse- und Synthesesektion. In der Analysesektion wird das Modulatorsignal mit einer Filterbank in Frequenzbänder aufgeteilt, gleichmäßig von Bässen bis zu den Höhen. Nach jedem Filter kommt ein sogenannter Envelope Follower, der ein Steuersignal erzeugt, das einfach den momentanen Lautstärkepegel in diesem Frequenzband widerspiegelt. In der Synthesesektion wird nun das Trägersignal genauso wie der Modulator in verschiedene Tonhöhenbereiche aufgeteilt. Die Ausgangslautstärke jedes Bereiches wird dabei durch das Steuersignal der Analysesektion geregelt. Sind im Modulator beispielsweise keine Bässe enthalten, werden somit auch die Bassanteile des Trägers herausgefiltert. Jede zeitliche Änderung der Frequenzanteile des Modulators bewirkt die gleiche Änderung im Trägersignal.

Damit man mit Sprache verständliche Ergebnisse bekommt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Man braucht genügend Frequenzbänder, üblicherweise im Bereich von 10-20, damit nicht zuviele Details des Modulators verloren gehen. Das Trägersignal sollte einen gleichmäßigen Lautstärkepegel haben und einen breiten Frequenzbereich abdecken, denn im Träger nicht enthaltene Frequenzen werden auch im Endergebnis nicht vorkommen.
Wie klingt das ganze denn nun? Ich habe zwei Beispiele erstellt mit einem zur Webseite passenden Sprachsample: Modulator

  1. Der erste Träger ist ein knarrender, einzelner Ton. Damit erzeugt man eine typische Roboterstimme Carrier 1. Und das Ergebnis: Vocoded 1
  2. Als zweites habe ich wechselnde Akkorde mit einem etwas sanfteren Klang als Trägersignal gewählt. Damit bekommt man ein harmonischeres Ergebnis, das sich dann auch gut in eine Melodie einbetten lässt oder als Ersatz für mehrstimmigen Gesang dienen kann Carrier 2. Das Ergebnis: Vocoded 2

Beide Varianten kommen in Styx‘ Mr. Roboto gleich am Anfang vor. Der Vocoder ist aber natürlich nicht auf Spracheffekte beschränkt. Durch die Kombination aus Träger und Modulator sind unzählige Varianten denkbar. Interessant klingt beispielsweise auch, eine Schlagzeugspur als Modulator zu verwenden.
Übrigens ist der Vococer genaugenommen nicht als Sprachsynthesizer zu bezeichnen, da er nur Signale verfremdet, Sprache aber nicht selbst erzeugt. Ein Sprachsynthesizer hat meist eine Sammlung gesampelter Konsonanten und Vokale in allen Variationen und setzt daraus Wörter und Sätze zusammen. Will man das als Effekt in der Musik einsetzen, ist häufig schlechtere Qualität von Vorteil. Eine Simulation eines sehr alten Gerätes, das eigentlich eher zum Lernen für Kinder gedacht war, findet man hier:
http://www.speaknspell.co.uk/speaknspell.html
Kraftwerkfans werden es sofort erkennen.

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