Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX – das wird nix

… oder eine weitere Variante eines Satzes mit „X“. Ihr werdet wohl nicht sehr überrascht sein von mir zu hören, dass ich nicht wirklich an einen Start der Falcon 9 am Samstag geglaubt habe. Ich habe den Webcast eine Minute vor dem Abheben zugeschaltet um festzustellen ob bos dahin schon der Countdown abgebrochen war und war dann doch erstaunt, dass dies noch nicht der Fall. Aber SpaceX hat mich nicht enttäuscht – Abbruch direkt vor dem Abheben, tja niemand bekommt es so spannend und dilettantisch hin.

Nun warum war ich nicht überrascht? Nach einer kurzen Recherche meiner Aufzeichnungen gab es bei allen Starts bisher nur einen der ohne einen oder mehreren Countdownabbrüchen stattfand, das war der vierte Start einer Falcon 1. Von den Vorher üblich statischen Zündungen des Triebwerks (diese sind nichts außergewöhnliches, auch eine Ariane 5 EPC durchläuft einen solchen Test, dort übrigens ein bisschen länger als bei SpaceX) gab es bei den Falcon 9 Starts auch jedes Mal mehrere Versuche. Von den Falcon 1 Starts habe ich mir leider keine Aufzeichnungen gemacht, doch zumindest an den ersten Start kann ich mich erinnern, und da klappte es auch nicht mit der statischen Zündung.

Also bei sieben vorherigen Startversuchen und drei bekannten Testzündungen hat es einmal auf Anhieb geklappt – blieb eine Chance von 1:10 dass es diesmal klappt. Wie sieht es nun am 22.sten aus? Nun sehr oft hat es im zweiten Anlauf geklappt. Aaaaaber … immer beim gleichen Start. Was ich damit meine? Nun beim letzten Falcon 9 Start klappte sowohl die statische Zündung erst beim zweiten Anlauf wie auch der Start. Also wenn ich ein Problem habe und es dann bei der statischen Zündung (die ja ein Probecountdown bis T-0 ist) fixen kann, dann sollte der Start dann auf Anhieb klappen. Das tut er aber auch erst beim zweiten Anlauf. Wenn dem als Gesetzmäßigkeit so ist, dann bekommt SpaceX nie einen Flug zur ISS hin. Denn dort gibt es Startfenster von einigen Sekunden. Für Russland, Arianespace und JAXA aber auch die NASA kein Problem. Aber für SpaceX?

Es geht noch weiter: Die Fehlerursache (ein abweichender Druck in Triebwerk 5) war schon mindestens zweimal die Ursache für Abbrüche. SpaceX will nun die Computersoftware verändern, damit sie dann nicht abbricht, was mich an meine Reparaturversuche als Kind beim Fahrrad erinnert. Da waren nach dem Zusammenbau immer noch Schrauben, Muttern und Ringe übrig, aber das Fahrrad funktionierte trotzdem – irgendwie … Ich habe draus gelernt und lasse heute mein Fahrrad reparieren. SpaceX hat die Vorgehensweise einfach was anzupassen zum Paradigma erhoben. Ein Riss in der Düse? Ach trennen wir einfach den Teil der Düse ab, anstatt nach der Ursache zu suchen. Ein zu hoher Brennkammerdruck – ach passen wir einfach die Software an, wird schon nix passieren. Äh ja, und warum habt ihr dann vorher mit einem anderen Grenzwert gearbeitet?

So langsam beschleicht mich das Gefühl, das die so oft beschworene „Engine out capability“ kein Feature, sondern essentiell notwendig ist. Gedacht war das mal als Absicherung für den Fall, das ein gut getestetes Triebwerk unerwarteterweise doch ausfällt. So war es bei der Saturn I und V gedacht und hat dort auch funktioniert (das wurde übrigens nicht postuliert sondern getestet, ich weiß, das ist ein Fremdwort für SpaceX, aber woanders testet man wirklich die Sachen vorher….). Bei SpaceX scheint es eher so zu sein, dass die Kombination von vielen Triebwerken mit offenbar geringer Zuverlässigkeit oder stark schwankenden Betriebswerten einen Ausfall wahrscheinlich macht. So auch hier: Als man die Telemetrie durchschaute, war klar, dass es nicht mit einem Softwareupdate getan war, der Brennkammerdruck stiegvnach der Zündung über ein tolerierbares Maß an. Erinnern wir uns: Beim letzten Testflug fiel eines der Erststufentriebwerke aus. Bekannt wurde das erst bei einer Anhörung eines unabhängigen Sicherheitspanels. Schwankende Brennkammerdrücke haben nun den Start schon mehrmals verhindert. Das alles ist nicht gerade das was man sich von einem zuverlässigen Träger erwartet. Man mag sich nicht vorstellen was passiert wäre, wenn der Computer das Triebwerk bei T+00:00:001 abgeschaltet hätte – dann sinkt der Schub von 3.800 auf 3.377 kN, was bedeutet dass die beim Start rund 333 t schwere Rakete praktisch in der Luft stehen bleibt und das über dem Startisch. Die Engine-out capability gibt es nämlich  erst nach 75 Sekunden.

Interessante war die am Tag vorher stattfindende Pressekonferenz. Es gab zwar keine neuen Daten zu Dragon und Falcon, aber welche über die Finanzen. SpaceX hat bisher 1,2 Milliarden Dollar gekostet. Diese kamen von folgenden Quellen:

Also, die von Eugen Reichl so gern als „privat“ bezeichnete, Firma finanziert sich zu 18,3% aus Eigenmitteln, zu 56,7% durch Regierungsmitteln und zu 25% aus kommerziellen Aufträgen. Ich habe da irgendwie andere Vorstellungen von Privat. Es bestätigt aber meinen Verdacht des Schneeballsystems: wenn Kunden und NASA 500 Millionen für Flüge gezahlt haben, die noch nicht erfolgten (entsprechend sieben Falcon 9 und zwei Dragon Starts), das Geld aber schon weg ist (wir reden ja von den verbrauchten Finanzmitteln) woher kommen dann die Mittel für die dafür noch zu bauenden Trägerraketen und Kapseln? Der Börsengang ist übrigens (wie alles bei SpaceX) auch wieder verschoben worden. 2010 war noch von 2011 die Rede, nun redet man von 2013.

Nun ja SpaceX Kunden sind geduldig. Denn ebenfalls nach Shotwell finden dieses Jahr nur noch zwei CRS Flüge statt (August und November) – wenn man COTS 2+ bis zum 29.5 vom Boden wegkriegt. Die Bezeichnung COTS 2+ zeigt übrigens die letzte Änderung. Trotz mehrfacher Verzögerung traut die NASA SpaceX nicht zu, COTS und 3 durchführen zu können. Daher wird nun erst mal COTS 2 durchgeführt uns so viel von den Zielen von COTS 3. Den Rest soll dann CRS absolvieren, was aus diesem dann einen weiteren Testflug macht.

Jau, unser ATV hatte das nicht nötig und ist auch pünktlich gestartet. Er wäre sogar Jahre früher startbereit gewesen, aber weil sich durch den Verlust der Columbia der Zeitplan verschoben hat, machte ein Start keinen Sinn bevor diese Menge an Fracht auch benötigt wurde (und nach dem Bartervertrag auch erst mit dem Transport von Columbus zu erbringen ist). Dabei ist (das wird gerne übersehen), die Dragon nicht mal billiger: Sie kostet fast gleichviel (76.000 zu 79.800 Dollar pro Kilogramm). Wenn sie immer nur rund 500 kg transportiert, anstatt den vertragsgemäß ausgemachten 1.700 kg ist sie sogar dreimal teurer.

Immerhin, vor rund vier Jahren war ich der einzige SpaceX Kritiker, musste mir deswegen Verleumdungen und ähnliches gefallen lassen. Inzwischen scheint die Stimmung gekippt und die SpaceX Jünger in der Minderheit.

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