Bernd Leitenbergers Blog

Ach ja, SpaceX

Eigentlich wollte ich CRS1 nicht mehr groß kommentieren, außer es gäbe was wirklich weltbewegendes zu vermelden. Ansonsten ist der Flug relativ unbedeutend, er transportiert ja nicht einmal ein Zehntel der Frachtmenge eines ATV oder HTV zur ISS. Interessant war für mich nur zu erfahren, dass die CRS Verträge den Transport mit Verpackung vorsehen, dazu gehören auch Befestigungen in der Dragon und so die Bruttofracht die bezahlt wird doppelt so groß ist. Beim ATV werden die Racks dagegen nicht mitgezählt, soweit ich informiert bin aber die viel leichteren Umverpackungen. Wieder einmal beschleicht mich das Gefühl, dass die NASA andere Nationen bei der ISS ungleich behandelt.

Wie ihr sicher schon mitbekommen hat gab es beim Start eine „Anomalie“. Wörtliches Zitat:

„Falcon 9 detected an anomaly on one of the nine engines and shut it down,“ Musk wrote in an email to Spaceflight Now. „As designed, the flight computer then recomputed a new ascent profile in realtime to reach the target orbit, which is why the burn times were a bit longer.“ The first stage burned nearly 30 seconds longer than planned.

Also da ich den Ausdruck „Anomalie“ schon von SpaceX von den Falcon 1 Start 2 und dem zweiten Falcon 9 Start kenne: Anomalie ist ein schwerwiegender Vorfall. Wenn’s nicht schwerwiegend ist, wie eine taumelnde zweite Stufe beim Jungfernflug der Falcon 9, dann geht man schon gar nicht drauf ein.

Da der Orbit erreicht wurde, die Falcon 9 ja gerade solche Dinge aushalten muss, sonst bräuchte man extrem zuverlässige Triebwerke, wäre das eigentlich keinen Blogeintrag wert und jede andere Firma hätte das auch positiv dargestellt, in der Form „seht wie robust unser Design ist“, so als Beispiel (gerade aktuell) eine Underperformance beim letzten Delta 4 Start. Dort hieß es nachdem auch hier der Satellit im Zielorbit ankam

„The Delta 4’s robust system design, flight software, vehicle margins and propellant reserves enabled the successful outcome for this mission,“ ULA said in a statement to reporters Friday night. “

Und was macht SpaceX? Sie spielen es runter. Nehmen das Startvideo vom Netz, stellen es später wieder online, nun um 3 Sekunden gekürzt, wo der Ausfall nicht zu sehen ist. Also ich glaube schon Schüler wissen, dass das Internet wie eine Büchse der Pandora ist: Einmal online bekommt man es nicht mehr raus. Irgendjemand lädt das immer runter, schneidet den Stream mit und wenn dann das Video offline geht ist das doch die Einladung es neu zu publizieren.

Und trotzdem versuchen sie es. Und das ist das was ich an der Firma kritisiere. Es geht ja nicht um das Konzept der Rakete oder der Dragon. Es geht um etwas ganz einfaches: stinknormale Pressearbeit. Dazu gehört dass man die Öffentlichkeit informiert, vor dem Start in Presskits die auch wirklich Informationen bieten, auf der Firmen-Homepage mit Daten und nicht Ankündigungen glänzt und eben auch mit Rückschlägen professionell umgeht und nicht sie runter spielt. Diesen Ausfall konnte ja jeder mitbekommen. Der letzte Vorfall beim zweitem Flug wohl nur wenige. Einer der daraus Kapital schlagen wollte, wurde von SpaceX verklagt, zwei Monate später musste der Ex-Astronaut Ken Bowersox den Vorfall bei einem Beratungspanel der NASA doch zugeben und sprach dann auch von einer „Anomalie“, wo er sich dann von Tom Stafford anhören musste, dass ein Triebwerksausfall keine Anomalie sei. Ken Bowersox verlies wenige Monate später SpaceX.

Das ist das Grundproblem bei SpaceX dass mich auch immer wieder aufregt. Diese Geheimniskrämerei, die Filterung von Informationen. Nicht dass es das nicht woanders gäbe. Aber bei SpaceX kommt dazu dass sie Offenheit darstellen wollen (Life Übertragung, launige Ankündigungen, ein Launchmanifest aller kommenden Starts (nur nie aktuell)) und doch nichts preisgeben wollen und das geht eben nicht gut. Es ist schon schlimm, das man Details aus Interviews von Elon Musk rausziehen muss. Auch ein Novum unter den Raumfahrtfirmen.

Also versuche ich mal zusammenzutragen was man an Daten hat, das wenigste davon von SpaceX

So, das ist nicht viel. Erst mal verwundet bei nur einem Ausfall (1/9) aller Triebwerke die Verlängerung der Betriebsdauer um 30 s (1/6). Berücksichtigt man den späten Ausfall, so kann man leicht nachrechnen, das SpaceX einen Triebwerksausfall durch Abschalten eines weiteren Triebwerks kompensiert (entspricht ziemlich exakt 7 Triebwerken ab der 79 s Sekunde). Es gäbe auch die Möglichkeit den Schubvektor der anderen zu ändern. So gesehen ist bei 314 t Startmasse und 387 t Startschub nicht viel Luft drin. Direkt nach dem Start darf keines ausfallen, sonst sinkt der Schub auf 301 t ab, das ist dann weniger als 1 g.

Das zweite ist, dass zwar der Triebwerksausfall aufgefangen wurde, aber eben doch ein zu niedriger Orbit erreicht. 122 Meilen oder 196 km sind schon recht erdnah und wenn es ein GTO Orbit wäre bei dem der erdnächste Punkt noch niedriger liegt (geplant waren 307 km) wäre das das Ende des Satelliten wenn der Betreiber nicht innerhalb von 5 Stunden ihn  betriebsbereit bekommt. Er würde beim ersten Durchqueren des Perigäums verglühen, wenn dieses auch um 100 km zu niedrig wäre.

Was aus dem als Sekundärnutzlast mitgeführten Orbcomm wurde ist noch offen. Er sollte ja in einen höheren Orbit gelangen. Wenn er diesen nicht erreichte, spricht vieles dafür dass gerade noch mit den letzten Reserven der Orbit erreicht wurde – geringer Frachtzuladung sei Dank. Wenn nicht, dann kann SpaceX reklamieren einen Vorfall gemeistert zu haben, wenn auch nicht 100%. Wenn nicht, dann hat SpaceX eine andere Vorstellung von „Engine-out“ Capability, denn die sah bei der Saturn auch Treibstoffreserven vor, um Ausfälle abzufangen.

Mein Tipp: Für die „v1.1“ würde ich die Reserven etwas erhöhen, also weniger Nutzlast oder weniger Treibstoff (Triebwerksausfalle gehen ja auch einher mit höheren Gravitationsverlusten und geringerer Beschleunigung – nur weniger Nutzlast nützt da wenig, wenn kurz nach dem Start die Rakete noch vollbetankt ist und nun 7 anstatt 9 Triebwerke sie hochliften müssen.

Insgesamt ist die Zahl der Anomalien nun aber schon etwas auffällig. Bei zwei Flügen vor dem Start Probleme (Risse in der Düse der zweiten Stufe, Druckventil bei der Zündung ausgefallen und automatisches Abschalten), beim Flug Probleme (nicht rechtzeitig abgetrennte Treibstoffleitungen die beim Abheben Feuer fangen, drehen nach dem Abheben um 90 Grad, zweimal Triebwerksabschaltungen, taumelnde zweite Stufe) und bisher erreichte nur ein Flug den Orbit der vorher angekündigt war mit den im Users Guide ausgewiesenen Toleranzen, die ja dort „garantiert“ werden.

Wofür das ganze einen Dämpfer darstellt sind wohl die Bemühungen die Falcon 9 als bemannter Träger anzupreisen. Wir haben nun bei zwei von vier Starts Triebwerksausfälle in der ersten Stufe, bei 40 bisher eingesetzten Merlin 1C in der Falcon 9 sind das 5% aller Triebwerke. Dagegen will die Konkurrenz mit der Atlas starten und die hat eine deutlich bessere Bilanz. Da anders als Boeing (den man wohl als Hauptkonkurrent ansehen muss) Kapsel und Rakete gebundelt werden konnte es eng werden.

Aber vielleicht hat Elon Musk zu Romney gute Beziehungen. Das hat bei Obama ja schon geholfen.

Ach ja da mir ja garantiert wieder vorgeworfen wird, ich wäre zu böse zu SpaceX hier eine gute Nachricht: der Start erfolgte pünktlich beim ersten Anlauf!

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