Die ISS Versorgung – günstiger

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Die ISS benötigt – wie jede andere Raumstation Versorgungsgüter. Die NASA hat schon viel getan um, den Versorgungsbedarf der Raumstation zu reduzieren. So sind die Kreisläufe in der ISS geschlossener als bei der Mir, das heißt Wasser wird in höherem Maße zurückgewonnen, aus Kohlendioxid wird wieder Sauerstoff gewonnen. Der größte Brocken zur Einsparung von Versorgungsgütern wurde von den Europäischen ATV schon vor einem Jahrzehnt geliefert, als sie die Station mit viel Treibstoff um 70 km anhoben, was den jährlichen Treibstoffverbrauch von 8,6 auf 3,6 t gesenkt hat. Trotzdem erfordert die ISS nur für Transportdienste 2022 Mittel von 1.617 Milliarden Dollar. Da stellt sich mir die Frage: geht die Versorgung der ISS nicht billiger?

Alle Transporter zur ISS – Progress, ATV, HTV, Cygnus und Cargo Dragon haben trotz unterschiedlichem internen Aufbau denselben Grundaufbau:

  • Einen Bus, sozusagen das Äquivalent zu einem Satelliten
  • Einer Frachtsektion

Die Transporter koppeln mit der Frachtsektion an die ISS. In der Fraktsektion befindet sich ein Druckbehälter, der nach Öffnen einer Luke von den Astronauten begehbar ist und sie räumen dann die Fracht in das PMM-Modul um und verstauen zuletzt „Müll“ in dem Frachter bevor er wieder ablegt und dann deorbitiert. Die Anführungszeichen bei Müll entstehen dadurch weil vieles Müll ist, dass auf der Erde wiederverwendet wird. Auf der ISS gibt es keine Waschmaschine. Alle Klamotten werden also einige Tage getragen und sind danach Müll. Bis auf die Dragon verglühen dabei alle Frachter komplett, bei der Dragon wassert die Kapsel, aber der eigentlich teure Bus, von SpaceX verharmlosend „Trunk“ genannt, geht auch dabei ihr verloren.

Im Mittel über alle Frachter transportieren diese etwa ein Drittel ihrer Startmasse als Fracht, es gibt Unterschiede, den höchsten Anteil an Fracht hat die Cygnus, den niedrigsten die Cargo Dragon. Aus finanzieller Sicht ist das natürlich suboptimal:

Man muss die Trägerrakete bezahlen, aber wenn es nur um die Fracht geht, würde eigentlich auch eine dreimal kleinere reichen – wenn man die Fracht nun einfach so zur ISS bekäme.

Noch gravierender: man baut einen Satelliten, der dann nach wenigen Wochen maximal einigen Monaten verglüht. Für die rund 1,6 Milliarden Dollar Budget für den ISS-Transport fanden 2022 je zwei Missionen der Cygnus und Cargo Dragon statt, zusammen sind das knapp 12 t Fracht, 7,4 t wurden von den beiden Cygnus und 4,6 von den beiden Cargo Dragons befördert. Jedes Kilogramm kostete also rund 135.000 Dollar für den Transport, die Startmasse lag bei knapp 38 t, also weniger als ein Drittel der Startmasse war Fracht. Nimmt man nur die Preise für die Trägerraketen so entfallen auf die vier Starts nur rund 350 bis 400 Millionen Dollar. Das teuerste sind also die Transporter selbst.

Das klingt für mich nicht ökonomisch. Wie kann man das besser machen? Nun das ist relativ einfach, das Konzept gab es nämlich schon mal, sogar in besserer Form als es heute möglich ist: man muss Frachtraum und Satellitenbus trennen. Als es noch das Space Shuttle gab wurde Fracht im Druckbehälter (es gibt noch andere Fracht ohne Druckausgleich und das Anheben der Station mit Treibstoff, aber zumindest letztes leisten die US-Transporter ja heute schon nicht) in den MPLMs mitgeführt. Das Multi-Purpose Logistics Module (MPLM) war ein von Italien gebauter Druckbehälter, der in der Space Shuttle Nutzlastbucht mitgeführt wurden. Auf ihrer Basis entstand später das europäische Columbusmodul. Bei einer Leermasse von 4,1 bis 4,5 t kann ein MPLM bis zu 9 – 9,4 t Nutzlast mitführen also etwa zwei Drittel der Startmasse. Beim Space Shuttle gelangte das Modul wieder zurück zur Erde, sodass man mit drei Modulen auskam, eines ist inzwischen als Frachtraum (Leonardo Permanent Multipurpose Module PMM) permanent an der Raumstation angedockt. Es wurde zuerst als Frachtraum genutzt, nun ist es persönlicher Hygieneraum für die Astronauten.

Meine Idee: Der Bus wird separat gestartet und ist weniger ein Transporter als die heutigen Transporter, als vielmehr ein Zwitter aus Raketenstufe und Satellit. Er ähnelt so dem ATV der ja bei einer Bustrockenmasse von 5 t bis zu 6,8 t Treibstoff aufnahm. Den Treibstoff benötigt der Bus, um an einen Frachtbehälter anzudocken, ihn zur ISS zu bringen und ihn wieder zu deorbitieren. Damit er nicht selbst verglüht, führt er sofort danach ein Bahnanhebungsmanöver durch. Er pendelt somit zwischen einer Umlaufbahn, die knapp unterhalb der ISS liegt und der ISS. Das geht so lange wie Treibstoff vorhanden ist.

Das zweite Element ist der Frachtbehälter. Anders als das MPLM muss er andocken können. Dafür hat er zwei Docking-Adapter, Einen vorne und einen hinten. An den hinteren koppelt der Bus an und an den vorderen wird an die ISS angekoppelt. Die Sensoren für die Annäherung und Ankopplung am vorderen Ende können über WLAN mit dem Bus verbunden werden.

Ich habe dies einmal durchgerechnet und zwar mit folgenden Randbedingungen:

  • Das ΔV für das Ankoppeln an die ISS, die Deorbitierung und das Anheben der Bahn für den Bus beträgt jeweils 100 m/s. Der spezifische Impuls der Triebwerke des Busses 3.000 m/s (im SI-System, 305,6 s im imperialen System der USA)
  • Der Frachtteil wiegt 20 t mit Fracht, 7 t leer
  • Der Bus wiegt 20 t mit 15 t Treibstoff, 5 t leer.

Für die erste Reise will ich mal die Bilanz verdeutlichen:

  • Der bus wiegt 20 t und ist schon im Orbit
  • Der Frachter wiegt 20 t und wird gestartet
  • Der Bus koppelt an den Frachtbehälter und bringt das Gefährt zur ISS, nun wiegt es zusammen noch 38.688 kg.
  • Die 13 t Fracht werden ausgeladen, das Gefährt wiegt nun noch 25.688 kg
  • Ein Deorbitkurs wird eingeschlagen. Danach wiegt das Gefährt 24.844 kg.
  • Der Frachtteil wird abgetrennt, das Gefährt wiegt noch 17.844 kg und der Bus hebt nun die Umlaufbahn wieder an,
  • Danach wiegt der Bus noch 17.261 kg
  • Ein Durchgang hat so 2.739 kg (von 15.000 kg) Treibstoff verbraucht.

Bei den folgenden Durchgängen wird weniger Treibstoff benötigt, weil der Bus leichter ist, er hat ja schon ein Achtel seiner Masse verloren – beim zweiten Durchgang sind es noch 2.488 kg. Simuliert man dies mehrmals, so kann ein Bus sieben Durchgänge absolvieren und hat dann noch 612 kg Resttreibstoff.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Frachtraum ist relativ preiswert, auch wenn man die Adapter hinzurechnet, der teurere Bus kann sieben Missionen durchführen, anstatt bei jeder Mission verloren zu gehen. In der Bilanz werden mit acht Starts zu je 20 t Startmasse siebenmal 13 t Fracht transportiert, das sind 91 t bei 160 t Startmasse. Der Frachtanteil beträgt 56,9 Prozent. 2022 waren es bei den US-Transportern 31,6 Prozent.

Fracht ohne Druckausgleich

Es ginge auch Fracht ohne Druckausgleich, nur nicht im Mix. Dazu hätte man diese auf Paletten wie sie auch im Space Shuttle Programm und auf der ISS eingesetzt werden montiert und vorne und hinten eben den Koppeladapter. Eine solche Lösung ar auch für das ATV vorgesehen, jedoch nicht umgesetzt, weil das Space Shuttle viel besser für den Transport von Paletten ausgelegt war und es nicht so viel Fracht dieser Art gab.

Eine Kostenabschätzung ist deutlich schwieriger. Ich habe nicht umsonst 20 t als Startmasse angesetzt. Das ist so ziemlich die größte Startmasse, die möglich ist. Es gäbe mindestens drei westliche Träger die sie befördern könnten – die Atlas V, Ariane 6 und eventuell die Falcon 9 (bei der Falcon 9 weichen realen Nutzlast und Webangaben voneinander ab, zudem ist die Webangabe für einen energetisch günstigeren Orbit mit niedriger Bahnneigung (28 anstatt 51,6 Grad) und 186 km Höhe anstatt etwa 400 km Höhe.

Der Vorteil eines möglichst großen Gefährts ist offensichtlich: Beim Frachtteil ist die Größe des Abschlusses (Zylinderdeckel) jeweils konstant, ein größerer Frachtteil wäre nur länger, es steigt also nur das Gewicht des Zylindermantels an. Der Frachtanteil steigt so an. So konnte bei der Cygnus auch die Nutzlast um 50 Prozent gesteigert werden, als die Trägerrakete etwas mehr Power hatte. Noch gravierender ist die Sache beim Bus. Dessen Kosten für Avionik, Triebwerke, Solarpaneele sind relativ konstant egal ob der Transporter 3 oder 5 t wiegt. Teurer und auch schwerer werden nur die Tanks zudem dürfte der „Satellitenteil“ also ohne den Antriebsteil relativ konstant im Gewicht sein, wodurch ein größerer Transporter auch im Verhältnis zu seiner Startmasse mehr Treibstoff mitführen kann, was ihm mehr Flüge erlaubt bis dieser verbraucht ist.

Kostenabschätzung

Ich möchte aber trotzdem eine Abschätzung machen und zwar auf Basis des ATV, mit dem ich gut vertraut bin, weil ich ein Buch über das Gefährt geschrieben habe. Das ATV liegt mit 20 t Startmasse auch in dem Bereich von dem wir hier reden. Der Transporter kostete in der Serienfertigung 220 Millionen Euro, ein Start mit einer Ariane 6 wird 120 Millionen Euro angegeben. Nehmen wir an, dass von den 220 Millionen Euro für das ATV 140 auf den komplexeren Bus und 80 auf den Frachter mit Koppeladaptern entfallen, so sähe die Gesamtrechnung für einen Zyklus so aus:

Punkt Anzahl Kosten Summe
Bus 1 140 Mill. Euro 140 Millionen Euro
Frachtteile 7 80 Mill. Euro 560 Mill. Euro
Start 8 120 Mill. Euro 960 Mill. Euro
Gesamt 1660 Mill Euro

Da das letzte ATV schon vor einem Jahrzehnt flog, kann man 50 Prozent Inflationsausgleich hinzuschlagen und dann käme noch für den Vergleich die Umrechnung in US-Dollar von 1,05 Dollar/Euro (Stand 6.10.2023) dazu, dann sind wir bei 2.371 Millionen Dollar. Das sind 50 Prozent mehr als die NASA 2022 für Frachttransporte ausgegeben hat – aber dafür würde man 91 und nicht 12 t Fracht transportiert bekommen. Pro Kilogramm Fracht wäre diese Lösung also um den Faktor 5 billiger! Das hat aber auch Gründe. Denn das System der NASA hat nicht die Aufgabe die Kosten zu minimieren, sondern die Versorgung der Iss zu gewährleisten. Es würde ja ein Transporter reichen, aber aus Redundanz-gründen sind es drei – Sierra Nevada zählt ja auch noch dazu, hat bisher aber keinen Flug absolviert. Mehr Flüge eines Transporters würden diese alleine durch die Serienfertigung günstiger machen. Umgekehrt wäre diese Lösung mit getrenntem Bus/Frachter teurer, weil man nur einen Bus braucht und selbst die sieben Frachter nur einmal pro Jahr anstatt viermal wie heute starten. Größere Transporter wären auch bei der ISS-Versorgung mit US-Vehikeln günstiger. Unter denselben Vorraumsetzungen – Euro/Dollarkurs 1,05, 50 Prozent Zuschlag für Inflation, wären die ATV auf die Preisbasis von 2023 umgerechnet mit 92.600 Dollar/Kilogramm real transportierte Fracht auch fast 50 Prozent günstiger und die ATV waren vergleichen mit den beiden US-Transportern komplex, konnten alle Frachtarten transportieren, auch Treibstoff, Wasser, Gase und Reboostkapazität und selbstständig andocken, was von den US-Transportern nicht gefördert ist. Es ist kein Zufall, dass für CRS2 die NASA anders als bei CRS1 keine Angaben über die Aufträge und beförderte Fracht der Unternehmen macht, aber das OMB stellte schon vor Jahren fest, das CTS2 um 50 Prozent teurer wurde als CRS1.

9 thoughts on “Die ISS Versorgung – günstiger

  1. Es geht auch noch billiger. Wenn das Frachtmodul nicht direkt ankoppelt sondern sich nur nähert und dann mit dem Roboterarm ergriffen wird. Dann könnte der Bus abkoppeln und den Kopplungsadapter frei machen. Die eigentliche Ankopplung wird dann vom Roboterarm durchgeführt. So wird beim Frachtmodul nur ein Kopplungsadapter benötigt. Das spart Leermasse, so dass der Frachtanteil bei sinkenden Kosten steigt.

    1. Ich glaube kaum das ein solches Manöver wenige Meter vor der ISs erlaubt ist, mal abgesehen von dem Impuls den das abkoppeln auch auf das Frachtmodul überträgt. Der Koppeladapter wog beim ATV 250 kg, das ist bei 5.000 kg die ich für den Bus angesetzt habe eine vernachlässigbare Größe.

  2. Da der ATV ja unter Druck stand (teilweise) und begehbar war und sogar als Schlafstätte benutzt wurde, folgender Vorschlag:
    Das ATV in zwei Teile trennen: 1 Teil als Fracht wie bisher aber mit 2. Kopplungsadapter damit das Teil als Erweiterung für die ISS dienen kann.
    Der zweite Teil mit Antrieb und Treibsoff zum Andocken und Anhebung der ISS.
    Dieser Teil deorbitiert und ist wiederverwendbar. Wenn Müll dann bleibt Teil 1 am Antrieb bis kurz vor Wiedereintritt oder man entwirft einen möglichst einfachen „Müllsack“ der garantiert in der Atmosphäre verbrennt und nicht allzu präzise deorbitiert werden muß. (Aus dem Fenster werfen)

  3. Die Grundidee finde ich gut. Ist ja auch nichts wirklich neues. Ich gehe davon aus das ähnliches bald bei Missionen mit hohen Umlaufbahnen zum standard werden wird. Ob es sich aber schon bei der relativ niedrig fliegenden ISS lohnt bin ich mir nicht sicher. Die alternative wäre ja eine komplett wiederverwendbare Kapsel. Wäre das beim Dream Chaser nicht sogar schon gegeben?

    Wenn man bei deinem Konzept bleibt. Ich würde ja den Tank des SpaceTug nur für einen Flug auslegen. Dann aber mit jeder Frachtkapsel Treibstoff für mindestens einen Flug mit hochschicken und entsprechend umtanken. Noch besserer alternative, gleicher Treibstoff den auch die ISS benötigt. Dann könnte man sich da bedienen.

  4. noch ein kleiner Verbesserungsvorschlag: wir nehmen die angedachte Weltraumbetankungstechnologie von SpaceX und können den Bus
    a) im Weltraum betanken
    b) den Tanker als Tankstelle gebrauchen?
    und
    c) nur mit einem Drittel Treibstoff betanken und sparen dadurch Gewicht und Treibstoff beim Bus…

    1. Ein Tanker besteht aus den gleichen Baugruppen wie der Bus, nur dass noch das Betankungs-System dazu kommt. Also im Grunde ein Bus mit zusätzlichen Teilen. Da wäre es doch sinnvoller, bei dem Tanker das Betankungs-System wegzulassen und ihn gleich als Bus zu benutzen.

  5. Könnte man den Bus nicht viel öfter wiederverwenden, wenn man einen zusätzliches Tankermodul entwickelt. Damit meine ich ein Modul, das ebenfalls die 20 t wiegt, und zur betankung des Buses dient. Dann würde sagen wir statt ein Frachtmodul als letzte Mission ein Tankmodul hochgeschickt. Das Busmodul dockt an, und wird wieder aufgetankt (in etwa so, wie das ATV ja ach die Tanks der russischen Module auftanken konnte). Schon kann das Modul jeweils 6 Frachtmissionen durchführen, und dann wieder eine Tankmission. Das sollte die Systemkosten über die gesamte Lebenszeit weiter senken können. Dies würde sich dann aber erst lohnen, wenn mehrere Raumstationen über eine längere Zeit versorgt werden müssten. Wenn man das System dann auf die Nutzlast z. B. einer Falcon 9 ausrichtet, wenn die erste Stufe wieder landet, dann würde vermutlich die Nutzlast kleiner sein, aber die Kosten könnten eventuell trozdem geringer sein.

    1. Wozu umtanken? Es wäre doch einfacher, den leeren Tank gegen einen vollen auszutauschen. So spart man sich das Betankungssystem und alle damit verbundenen Probleme. Nur weil St. Elon unbedingt umtanken will, muss das nicht unbedingt sinnvoll sein.

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