Bernd Leitenbergers Blog

Was ist der Unterschied zwischen den einzelnen fermentierten Milchprodukten?

Zuerst einmal beginnt alles mit Milch. Diese wird vorher pasteurisiert, homogenisiert und auf den gewünschten Fettgehalt eingestellt. Der Fettgehalt der Milch schwankt, deswegen ist auch bei Milch, die in den Handel kommt, es üblich zuerst das Fett fast komplett durch Zentrifugieren abzutrennen (es bleibt ein Rest von etwa 0,1 bis 0,3 % Fett) und dann wieder Rahm zuzugeben, bis der gewünschte Milchfettanteil erreicht ist.

Dann teilen sich die Wege auf. Sauermilch entsteht durch bakterielle Fermentierung. Eingesetzt werden z.B. die Bakterienkulturen von Streptococcus cremoris, Streptococcus lactis, Leuconostoc citrovorum. Sie vergären den Milchzucker zu Milchsäure. Die Milchsäure senkt den pH-Wert der Milch ab, das verhindert zum einen den Befall mit fremden Keimen und eine verlängerte Haltbarkeit, es fällt dann aber auch das Eiweiß aus. Je nach Kultur entsteht vorwiegend L(+)-Milchsäure oder D(-)-Milchsäure. Da der menschliche Körper nicht die D(-)-Milchsäure abbauen kann, ist man bestrebt vor allem die rechtsdrehende L(+)-Milchsäure zu erzeugen. 80-90% sollten aus dieser bestehen. Ist zu viel D(-)-Milchsäure enthalten, so belastet dies die Regulation des körpereigenen Systems um den pH-Wert im Blut konstant zu halten und die Niere muss mehr leisten um die Milchsäure im Urin aufzukonzentrieren. Die Bezeichnung gibt an, dass es zwei Sorten von Molekülen gibt, die sich chemisch identisch verhalten, aber unterschiedliche physiologische Wirkungen haben. Die Buchstaben D/L geben die genaue Position der Gruppen im Raum an. Es gibt genau zwei, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. (analog der menschlichen Hand, bei der linke und rechte Hand ja auch nicht deckungsgleich sind). Die Angabe „+“ oder „-“ weist auf eine physikalische Eigenschaft dieser Moleküle hin: Sie drehen das Licht, wenn man die Reinsubstanz in Kristallen unter dem Mikroskop beobachtet, entweder nach links (-) oder rechts (+). Auch hier gilt: Dreht die L-Form das Licht nach links, so dreht die D-Form es nach rechts – und umgekehrt.

Nachdem wir nun das Geheimnis der linksdrehenden und rechtsdrehenden Milchsäure gelüftet haben, geht es weiter bei den Sauermilchprodukten. Je nachdem wie man die Fermentierung steuert und welche Bakterienkulturen eingesetzt werden entstehen auch noch Kohlendioxid (ergibt ein schaumiges Getränk / Speise), Ethanol und Essigsäure. Üblich ist ein Milchsäuregehalt von 0,8 bis 1,0%. Da bei der Spaltung des Milchzuckers in Glucose und Galaktose zwei Zucker entstehen, die einzeln süßer als Laktose sind, sind oft fermentierte Produkte süßer als die Milch, obwohl der Gehalt an Zucker geringer ist. Übersteigt der Fettgehalt 10%, so spricht man von Sauerrahm oder saurer Sahne.

Joghurt entsteht in ähnlicher Weise. Anders als bei Sauermilch sind dort aber verschiedene Fettgehaltsstufen üblich. Zugesetzt werden Streptococcus thermophilus oder Thermobacterium bulgaricum. Bei den „probiotischen“ Produkten werden säuretolerante Milchsäurebakterien (Streptococcus) oder Bifidusbakterien zusätzlich zugesetzt. Zur Fermentierung wird der Joghurt auf 42 bis 45 Grad erhitzt, da diese Kulturen wärmeliebend sind. Dabei flockt ebenfalls das Eiweiß durch die Milchsäure aus. Bei Fruchtjoghurt wird dem Joghurt nach der Fermentierung eine Mischung aus Früchten, Zucker und Verdickungsmitteln und Aroma zugesetzt. Sie werden in jedem Falle pasteurisiert, weil sonst der Zucker in der Fruchtmischung auch vergärt werden würde. Je nach Fermentierung enthalten Joghurt zwischen 0,6 und 1,2%. Wie viel Säure enthalten ist, kann man oft an den Bauzeichnungen erkennen, so wird ein mit „mild“ gekennzeichneter Joghurt weniger Milchsäure enthalten.

Kefir stammt ursprünglich aus Turkmenistan und unterscheidet sich von den anderen Milchprodukten in der Weise, dass nicht ein Bakterium die Gärung durchführt, sondern der Kefirpilz eine Gemeinschaft von Hefen und Bakterien umhüllt, diese Gemeinschaft wächst und bilden blumenkohlförmige Kefirknollen aus, die man auch benutzen kann, um selbst Kefir herzustellen. Aufgrund der Mikrobengemeinschaft entstehen hier zahlreiche Abbauprodukte, unter anderem durch die Hefegärung auch viel Kohlendioxid und Alkohol (etwa 0,5%). Kefir enthält Hefen (z. B. Saccharomyces kefir, Torula kefir) und lactatbildende Mikroorganismen (z. B. Lactobacillus caucasicus, Leuconostoc, Streptococcus).

Verwandt mit Kefir ist Kumy. In Zentralasien, wo es herkommt, wurde es durch Fermentation von Stuten- oder Ziegenmilch mit Kumyskulturen erzeugt. Heute wird es aus Kuhmilch hergestellt. Wie Kefir ist Kumys eine Mischkultur aus Hefen und Milchsäure bildenden Bakterien. Ein Unterschied zu Kefir ist der wesentlich höhere Alkoholgehalt von 3%.

Buttermilch entsteht bei der Butterung, also der Herstellung von Butter. Entweder wird der Rahm mit säurebildenden Bakterien wie Streptococcus cremoris, Streptococcus lactis, Streptococcus diacetylactis, Betacoccus cremoris versetzt, und dann fermentiert oder er wird ohne Säuerung hergestellt (Sauerrahm oder Süßrahmbutter). Wenn das Fett bei der Butterung abgetrennt wird, so verbleibt die Buttermilch. Sie enthält nun kaum noch Fett, jedoch fast die gesamten Mineralstoffe, noch viel Laktose und den Großteil des Eiweißes. Zulässig ist das Strecken mit Magermilch oder Wasser. Wenn die Buttermilch aus Süßrahmbutterung stammt, dann werden ihr Milchsäurekulturen zur Geschmacksbildung zugesetzt.

Die verschiedenen Geschmacksstoffe entstehen durch die unterschiedlichen Bakterienkulturen, aber auch die Prozessführung, also bei welchen Temperaturen die Reifung erfolgt.

Alle fermentierten Produkte enthalten weniger Laktose als die Milch. Zum Teil wurde sie abgebaut zu Milchsäure, zum Teil wurde sie in die Einzelzucker aufgespalten. Das ist wichtig für Personen mit einer Laktoseintoleranz. Sie haben kein Problem, wenn die Laktose gespaltet ist oder eben zu Milchsäure abgebaut. Daher werden fermentierte Milchprodukte wesentlich besser vertragen als Milch.

 

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