Bernd Leitenbergers Blog

Wie groß sind die Chancen sich vor Asteroiden des Tscheljabinsk Typs zu schützen?

Wenige Stunden bevor der vorher bekannte Asteroid 2012 DA14 an der Erde vorbeiflog schlug ganz unerwartet bei Tscheljabinsk ein Meteor ein, zerstörte 3.700 Gebäude und verletzte einige Hundert Menschen. Und sofort gibt es dann Anhörungen wie man sich davor schützen kann. Also Zeit dass wir uns das mal genauer anschauen.

Zuerst mal wovon sprechen wir? Die Untersuchungen gehen davon aus, dass es sich um einen Asteroiden mit etwa 17-20 m Größe handelt. Wikipedia gibt die Masse zu 10.000 t an, was für einen 20 m Körper vom Typ der Chrondriten sehr leicht wäre (Dichte 2,38. Chrondriten liegen meist zwischen 3 und 3,7). Bei 17 m passt es dann schon eher. Die Sprengkraft wird mit 100 bis 500 kt TNT-Äquivalent angegeben.

Der Asteroid ist damit in einer Größenklasse in der er nicht ganz den Erdboden erreicht. Je nach Einfallswinkel, Geschwindigkeit und vor allem Zusammensetzung zerfällt ein Asteroid unter 100 m Größe in der Atmosphäre. Auch dieser zerlegte sich in 25 bis 30 km Höhe. Damit ein Asteroid ganz den Erdboden erreicht, muss er eine gewisse Grenzgröße erreichen, etwa 50 m bei einem massiven Steinasteroid, bei Eisenasteroiden können sie auch kleiner sein. Aber die sind sehr selten.

Die erste Frage ist, wie kann man sich davor schützen?

Nun es gibt mehrere Möglichkeiten. Das naheliegende ist eine Atombombe. Da muss ich aber passen, denn ich kenne mich nicht damit aus. Die Druckwelle die auf der Erde eine Menge Zerstörung anrichtet fällt weg, denn es gibt keine Atmosphäre, aber alleine die Hitze wird ausreichen den Asteroiden zu pulverisieren. Selbst wenn damit die Bahn nicht verändert wird (was unwahrscheinlich ist) so hat man es mir mehr Bruchstücken zu tun die größere Chancen haben vollständig zu verglühen bevor sie den Erdboden erreichen.

Ich denke es gibt zwei „konventionelle“ Möglichkeiten sich zu schützen: Das eine ist es eine konventionelle Raketenstufe auf dem Asteroiden zu landen und diese dann zu zünden um entweder Kurs oder Geschwindigkeit zu verändern und das zweite ist es langfristig dies durch kleine Veränderungen (langsame Ablenkung) zu tun.

Nehmen wir das erste. Wir könnten z.B. mit einer Raumsonde eine PAM-D Oberstufe auf dem Asteroiden landen und sie zünden. Ein Star 48 Antrieb hat einen Gesamtimpuls von 5,8 Millionen Newton. Einen 10.000 t Asteroiden kann sie damit um 0,58 m/s beschleunigen. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

Wir verlangsamen ihn um 0,58 m/s. Da die Erde sich mit 29,8 km/s um die Sonne bewegt, würde es ausreichen, dass die Raumsonde um 437 s später den Passagepunkt erreicht und die Erde wäre um einen Erddurchmesser weiter links oder rechts. Wann muss dies erfolgen? Nun 0,58 m/s / 18000 m/s * 437 s = 13,56 Millionen Sekunden vor der Passage. Das sind 157 Tage. Die Berechnung ist stark vereinfacht, weil die Geschwindigkeit nicht konstant ist auf der anderen Seite muss auch eine Raumsonde erst mal den Asteroid erreichen und das dauert. So gesehen müsste man ihn auf jeden Fall vor dem Zeitpunkt von 157 Tagen entdecken und eine Abwehrmission starten.

Das zweite ist, dass wir ihn seitwärts ablenken. Das ist allerdings weitaus weniger effektiv. Hier müssten wir schon 25,8 Millionen Sekunden vorher eine Maßnahme starten. Das sind dann über 8 Jahre,

Das zweite ist eine sehr langsame Beschleunigung. Dies kann z.B. durch Ionentriebwerke erfolgen, aber auch den Strahlungsdruck des Lichts. Zuerst zum letzteren. Licht hat einen geringen Strahldruck von 4,5 N/km² bei ungerichteter Reflexion, wie sie durch Farbe erfolgt. Würden wir den ganzen Asteroiden weis streichen, so dass der Reflexionsgrad von 0,2 auf 0,7 ansteigt, dann würde jede Sekunde der Strahlungsdruck um 5.1×10-12 N beschleunigen. Das ist wenig. Doch wenn wir damit wie oben etwas später an der Erde vorbeifliegen wollen, müssen wir den Passagepunkt um 7866 km verschieben. Nach S=½ a*t² ist das allerdings erst nach 1,75 Milliarden Sekunden der Fall, also fast 56 Jahren – keine Alternative.

Eine zweite Möglichkeit wäre ein Ionenantrieb. Nehmen wir Raumsonden mit einem Ionenantrieb mit derselben Masse der PAM-D (etwa 2300 kg), wobei beim Einsatz modernster Solarzellen und des RIT-XT Triebwerks etwa 30 Triebwerke und 615 kg Treibstoff erforderlich, wären um in 70 Tagen den Asteroiden ausreichend zu verlangsamen. Das geht also deutlich schneller.

Beide Maßnahmen wären ausreichend wenn man ihn rechtzeitig vorher entdecken kann, und da kommt nun die Einschränkung. Wenn der Asteroid eine Umlaufbahn von der Erde bis in 350 Millionen km Entfernung hat, dann ist er 100 Tage vor der Entdeckung noch 60 Millionen km außerhalb und 257 Millionen km von der Erde entfernt. Er ist dann nur ein Objekt 29,6-ter Größe. (Albedo des Mars als Basis genommen) Zwar können Teleskope wie das VLT ein Objekt noch von 32.-ster Größe bei einer Belichtungszeit von 1 Stunde nachweisen, doch sie decken dann nur einen kleinen Teil des Himmels ab und eine systematische Durchmusterung ist so nicht möglich. PAM-STARRS, derzeit in aller Munde, weil ein Komet den man durch das Teleskop entdeckt nun seine erdnahe Passage hat (leider in Deutschland nicht oder nur schwer zu beobachten) soll in einigen Jahren alle größeren Objekte (>100 m Durchmesser erfassen). Es ist ein 1,8 m Teleskop, also für ein Großteleskop eher klein, für eine Durchmusterung eher groß. Doch für PAN-STARRS wäre selbst bei einer 1 Stundenbelichtung das Objekt zu lichtschwach. Es müsste dann eine Größenklasse größer sein und PAN-STARRS belichtet nicht eine Stunde lang, sonst würde man nicht die Durchmusterung schaffen. (Das Teleskop soll pro Nach 6000 Grad² schaffen, das läuft auf eine Belichtungszeit von etwa 3 Minuten hinaus)

Für so kleine Objekte braucht man eine Durchmusterung die schneller ist also den ganzen Himmel schneller absucht. Das kann man erreichen durch viel mehr Teleskope (wohl nicht finanzierbar oder zumindest nicht bis ein Meteorit über New York niedergeht) oder kleinere Teleskope mit einem größeren Gesichtsfeld. Das Atlas Projekt will mit kleinen Teleskopen (24 bis 50 cm Klasse, also das was im gehobenen Amateurbereich üblich ist) schneller den Himmel durchmustern – je kleiner das Teleskop, desto größer der Ausschnitt aber auch desto niedriger die Empfindlichkeit. ATLAS wird einen 100 m Brocken etwa 3 Monate vor dem Einschlag entdecken, unseren 10 m Asteroiden aber nur eine Woche vorher. Damit scheiden nicht nur die obigen Maßnahmen aus (außer der Atombombe), das wäre bei den heutigen Entscheidungsstrukturen auch schwer umsetzbar. Bis wir eine Rakete mit dem Atomsprengkopf gestartet haben, selbst wenn das Ding schon startbereit vorliegt vergeht viel mehr Zeit. Für das Ziel zwanzigmal mehr Zeit also ein Halbes Jahr zu haben braucht man zum einen 20-mal größere Teleskope (5 bis 10 m Klasse) und dann weil das Gesichtsfeld im Quadrat absinkt rund 400 mal mehr davon ….

Selbst dann würden wir nur nicht alle Asteroiden entdecken, denn was von der Sonne kommt, also am Tag einschlägt, kann kein Teleskop detektieren. Als Lösung wurde ja schon vorgeschlagen einen Satelliten in eine Umlaufbahn zwischen Erde und Sonne, z.b. in Venusentfernung zu schicken. Er müsste wie ATLAs mit vielen kleinen Teleskopen ausgestattet werden um den Raum zwischen Erde und Sonne dauerhaft abzusuchen.  Auch der Tscheljabinsk Einschlag war vond er Sorte, er schlug am Tag ein und wurde nicht vorher entdeckt. Die Rekonstruktion der Bahn erfolgte durch Bilder der Lichtspur wie z.B. von Meteosat 9.

Meine Meinung: Wir werden uns gegen solche Brocken kaum schützen können. Wir haben schon Probleme zehnmal größere Asteroiden zu entdecken bevor sie die Erde passiert haben (oftmals wurden sie erst danach erkannt). Das galt auch für 2012 DA4 dessen Passage vorhergesagt wurde – er wurde schon ein Jahr vorher entdeckt nachdem er die Erde damals in 2,6 Millionen km Entfernung passiert hatte.  Mit einer systematischen Durchmusterungen und mehr Observatorien wie PAN-STARRS werden wir vielleicht in überschaubarer Zeit fast alle Objekte >100 m entdecken. (Ausnahme: die auf sonnennahen Bahnen, die die Erdbahn nur berühren und so von uns aus gesehen immer nahe der Sonne sind) aber dei 10 m Brocken sind 100-mal lichtschwächer und dürften dieser Durchmusterung größtenteils entgehen (außer sie sind gerade in Erdnähe).

Was nun läuft ist eben politischer Aktionismus nichts mehr. Wenn aber ein weiteres Projekt wie PAN-STARRS herauskommt, das auch durchaus ernsthafte Forschung betreiben kann nützt es schon was.

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