Bernd Leitenbergers Blog

Die GTO Nutzlast der Falcon 9

Nun steht ja mit einwöchiger Verspätung der Start von SES 8 an. An dieser Stelle daher zuerst noch eine Nachlese zu dem letzten Start. Genaueres von der Erststufe und ob man was geborgen hat und wenn ja wie viel und wie ganz gibt es nicht, geschweige den Bilder. Die gibt es nur im Erfolgsfall. Immerhin hat SpaceX nun eine Erklärung für das ausbleibende Zünden des Merlin im Vakuum präsentiert worden. Der Treibstoff (Kerosin) sei in den Leitungen zumindest teilweise festgefroren und das hat das Abschalten verursacht. Die Ursache ist der kalte Sauerstoff der zum Unterkühlen der Leitungen geführt hat. Das wäre am Boden durch die wärmende Atmosphäre nicht vorgekommen. Nun wolle man isolieren.

Andere Raumfahrtfirmen isolieren immer ihre Leitungen, auch für am Boden gezündete Stufen, schließlich müssen die Leitungen an der Außenseite oder durch einen Tank geführt werden und die Flüssigkeit darin ist dann immer zu kalt oder zu warm je nachdem wie man die Tanks angeordnet hat.

Etwas mysteriös bleiben auch die 12 Objekte neben der Stufe in der Umlaufbahn. Das soll Isolationsmaterial sein. Die Frage ist, warum Isolationsmaterial erst im Orbit freigesetzt wird (gibt es bei keiner anderen mir bekannten Stufe) und ob das freigesetzte Isolationsmaterial nicht ursächlich mit einer nicht wiederzündenden Stufe, die nicht isoliert ist, zusammenhängt. Da einige Teile schon wieder verglüht sind müssen sie ein relativ hohes Flächen/Gewichtsverhältnis haben. Von den freigesetzten Nutzlasten, besonders von Cassiope hat man seitdem nichts mehr gehört.

Nett ist auch das im aktuellen Launchkit die Brennzeiten nur in Minuten angegeben sind. Ach das erinnert mich doch an CRS-2. Nachdem im Launchkit von CRS-1 die Brennzeit auf die Sekunde genau war ein ein Triebwerk ausfiel, hat man beim CRS-2 einfach die Brennzeit nur noch in Minuten angegeben. Egal wie man zu SpaceX steht, sie haben definitiv den höchsten Unterhaltungsfaktor in der Raumfahrtindustrie.

Doch kommen wir zum heutigen Hauptthema, der GTO-Nutzlast der Falcon 9, und zwar diesmal auf Basis der offiziellen Werte. Sie nach der Website beträgt 4.850 kg. Doch das ist die Nutzlast in einen Standard GTO mit einer Bahnneigung von 28,8 Grad. Relevant ist aber heute die GTO-Nutzlast mit 0 Grad Inklination. Diese bieten Arianespace und Sealaunch aufgrund geographischer Vorteile, ILS gibt sich mit komplizierten Korrekturen Mühe diesen „Ariane-kompatiblen“ GTO zu erreichen. Für einen Satellitenbetreiber ist das nicht unwichtig, denn der Geschwindigkeitsunterschied zu einem GTO mit einer Bahnneigung von 28,8 Grad (Cape Canaveral ohne Inklinationsabbau) beträgt über 370 m/s, was bei einem Typischen Energieaufwand für das Station-Keeping, also Beibehaltung der Orbit-Position von 50 m/s rund 7 Jahren Betriebsdauer entspricht.

SES-8 wiegt nach dem offiziellen Launchkit  3.138 kg, also weitaus weniger als die maximale Nutzlast von 4.850 kg. Trotzdem hat sich SES alle Reserven zusichern lassen, einen Bergungsversuch wird es also nicht geben. Das verwundert doch, ist die Nutzlast nicht mal 2/3 der angegebenen Maximalnutzlast. Nun der Orbit liefert einen Aufschluss: Es wird ein 295 x 80.000 x 20,75 Grad GTO sein. Die Falcon 9 wird erst mal eine Parkbahn einschlagen und nach 26 Minuten wird bei einer zweiten Zündung dann das Apogäum angehoben und die Inklination abgesenkt. Etwas verwirrt hat mich das relativ hohe Perigäum. Energetisch sinnvoll ist ein niedriges Perigäum. Manche Träger erreichen nur hohe Perigäen, vor allem wenn die Stufen lange Brennzeiten haben wie dies bei der Ariane 5 ES der Fall war, aber auch bei der Delta 2. Die Falcon 9 hätte ich da nicht einsortiert. Aber das könnte eine Erklärung sein. Ein zweite Grund kann das Anheben des Perigäums durch eine lange Betriebszeit der Oberstufe sein, doch angesichts deren hohen Schubs sollte auch das nicht vorkommen.

Energetisch hat ein Satellit auf diesem Orbit eine Geschwindigkeit von 10.531,3 m/s. Die Inklinationsänderung, die parallel durchgeführt wird, addiert weitere Geschwindigkeit. Ausgehend von einer 295 km Kreisbahn sind dies 3056 m/s. Ein GTO-Orbit ohne Inklinationsabbau hat nur ein ΔV von 2427,3 m/s. Das sind also 628 m/s mehr. Er ist mit einem Geschwindigkeitsbedarf für den Satelliten um den GEO zu erreichen von 1511,1 m/s, vergleichbar mit dem Energiebedarf denn ein Satellit mit einer Inklination von 9,3 Grad haben würde. Bei der bisherigen Rekordnutzlast der Ariane 5 V212 mit 10317 kg lag er mit 1490,5 m/s Differenz nochmals etwas niedriger. Die meisten Ariane 5 Orbits sind bei kleinerer Nutzlast sogar noch besser (kleinere Inklination).

Die Frage ist: hat die Falcon 9 noch Reserven zusätzlich zu SES-8? Da man nun Schub, spezifischen Impuls und Brennzeit der Oberstufe (801 kN,375 s 342s*g) kennt kann man deren Treibstoff zu 89.530 kg berechnen. Setzt man eine realistische Trockenmasse von 5 t an, so bedeuten die 628,7 m/s mehr eine Reduktion der Nutzlast von 4,85 auf 3.167 t, sofern die Leistung nur von der Oberstufe aufgebracht wird (eine bei nur 1,5 t geringerer Startmasse, nicht mal 0,3%, realistische Annahme). Das ist verdammt nah an den 3,138 t von SES-8.

Warum die starke Abnahme? Nun es ist die Kombination eines mittelenergetischen Treibstoffes (Nutzlast nimmt bei höheren Geschwindigkeiten schneller ab, als bei einer hochenergetischen Kombination) und einer nur zweistufigen Rakete. Da die Gesamtnutzlast für den Orbit aus der Leermasse und dem Satelliten besteht und nur der letztere leichter werden kann, nimmt die Nutzlast für SSGTO rasch ab. Hier machen 628 m/s eine Reduktion von 9.850 auf 8.167 Gesamtnutzlast also 17%. Der Satellit wird aber um 24,3% leichter. Rechnet man extrem leichte 4 t als Leermasse, so wird’s etwas besser (3.39 t),

Was folgt daraus? Nun primär das in der derzeitigen Version die Falcon 9 nicht die große Konkurrenz ist, als die sie SpaceX anpreist. Sie kann nur leichte Satelliten starten und inzwischen kann auch die Proton zwei 3 t Satelliten zusammen starten. Dann fällt der Preisvorteil weg (für die Proton wurden bei den letzten Starts 104 bis 120 Millionen Dollar genannt, halbiert ist das genauso viel wie die Falcon 9 kostet). Die zweite Möglichkeit ist das ein Anbieter sich darauf einlasst. Das er freiwillig die Lebensdauer seines Satelliten halbiert wird wohl nicht vorkommen, also wird er wohl die Treibstofftanks vergrößern. Das wäre auch der technisch bessere Weg. Wenn der Satellit im Apogäum die Inklination abbaut, so kostet ihn das weitaus weniger Treibstoff als die Rakete. Damit könnte man 4,4+ t in einen Ariane 5 kompatiblen Orbit bringen.

Eine Nachlese zum Starts wird es erst in einigen Tagen geben. Ich habe ab Mittwoch wieder bei einem Kunden zu tun, und da der Termin schon längere Zeit grob feststand (hat sich nochmals um zwei Tage verschoben) füllen den Michael K und Niels, die wie ich sehe schon Blogs für die ganze Woche online gestellt haben. So könnte das dauernd sein….

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