Bernd Leitenbergers Blog

Die Falcon Heavy und die Engine-Out Capability

Eigentlich sieht bei oberflächlicher Betrachtung bei der Falcon Heavy hinsichtlich des Erfolgs einer Mission besser aus als bei der Falcon 9. Bedingt durch drei Booster hat sie beim Start eine höhere Beschleunigung. Denn die beiden Booster müssen ja keine Oberstufe tragen. Gleichzeitig ist durch 27 Triebwerke der Schubverlust kleiner als bei einer Falcon 9. Die Falcon heavy sollte mit 12,04 m/s starten, bei der Falcon 9 sind es nur 11,61 m/s. Selbst wenn ein Triebwerk ausfällt so sind es noch 11,59 m/s. Das bedeutet praktisch vom Startbeginn kann ein Triebwerk ausfallen, nach 9 Sekunden sogar noch ein zweites.

Zwar ist bei 27 Triebwerken ein Ausfall dreimal wahrscheinlicher als bei der Falcon 9, aber das Design sollte ihn theoretisch abfangen können – oberflächlich betrachtet.

Betrachtet man es genauer, so muss man die Geometrie berücksichtigen. Ein Ausfall kann mit einer Wahrscheinlichkeit von je 33,3% einen der beiden Booster oder die Zentralstufe betreffen. Eine Folge des Ausfalles in einem der Booster ist erst mal, das der Schub asymmetrisch wird. Das ist durch den Anbau der Booster etwas problematischer als bei der Falcon 9, doch da es nur ein Triebwerk betrifft ist dies durch Schrägstellen der Triebwerken das auch noch leicht abfangbar.

Problematischer ist, dass die Stufe nun weniger Treibstoff verbraucht. Das wirkt sich zu Brennschluss aus. Nehmen wir an das Triebwerk fällt nach der Hälfte der Brennzeit (90 s) aus. (Bei Flug 4 fiel es nach 69 s aus) dann ist diese Stufe zu Brennschluss um 22 t schwerer. Bei der Zentralstufe ist das ohne Belang, da sie sowieso im Schub reduziert wird um die Spitzenbeschleunigung zu reduzieren. Sie brennt dann einfach 12 s länger. Problematischer ist es bei einem der Booster und dort ist der Ausfall doppelt so wahrscheinlich. Was passiert zu Brennschluss? Ein Booster ist leergebrannt, die Zentralstufe noch nicht, da sie vorher im Schub reduziert wurde und der andere Booster auch noch nicht. Nun ist der Schub nicht ein bisschen asymmetrisch, sondern ziemlich asymmetrisch. Das kann man abfangen, wenn die Triebwerke von Vorneherein schon zur Schubachse geneigt sind, so wie sie in den Ariane 4 Boostern und beim Space Shuttle schräg eingebaut waren, doch das ist bei der Falcon 9 nicht gegeben. Damit scheidet ein Weiterbetrieb nicht aus, man muss die zweite Stufe mit dem unverbrauchten Treibstoff gleichzeitig mit dem anderen Booster abtrennen, ansonsten würde die Rakete in die Gegenrichtung ausbrechen. Damit ist die Leermasse aber um 22 t höher, das ist bei einer Maximalnutzlast von 45 t würde dies die Nutzlast auf 39,275 t reduzieren (anders ausgedrückt: nur wenn man nicht mehr als 39,275 t zulädt erreicht man einen Orbit). Bei GTO Missionen sinkt sie von 21,8 auf 18,8 t ab.

Das bedeutet, da ein Ausfall durch dreimal mehr Triebwerke ziemlich wahrscheinlich ist (es gab ja schon zwei Ausfälle und mehrmals musste ein Start abgebrochen werden weil sich der Schub nicht gelichmäßig aufbaute oder ein Triebwerk ein Problem hatte, was ja nicht gerade für eine hohe Zuverlässigkeit spricht) wird man dem Sorge tragen müssen und die Nutzlast deutlich reduzieren müssen. Immerhin kann so SpaceX ziemlich oft an ihrer Bergungsstrategie feilen – unfreiwillig, denn die Stufen haben nun genügend Treibstoff um sich auf Unterschallgeschwindigkeit abzubremsen.

Bringt nun Crossfeeding etwas? Nun ein Problem sind hier die langen Leitungen. Zumal sie nun quer anstatt senkrecht verlaufen. Sinnigerweise wird man den Treibstoff verteilen, bevor er den Gasgenerator erreicht, sonst braucht man anstatt kurzer Verbindungen zwischen Gasgenerator und Triebwerk und einem Triebwerk als Einheit eine Querverbindung zwischen den Gasgeneratoren aller Triebwerke und die ganze Rakete als eine Einheit. Den Gasgenerator erreicht der Triebstoff aber nur durch einen geringen Tankdruck und der nimmt mit steigender Leitungslänge ab. Als Folge ist der Treibstoffdurchsatz des Gasgenerators kleiner und damit die Förderleistung der angeschlossenen Turbopumpe die vom Arbeitsgas über eine Turbine angetrieben wird, so müsste der entgegengesetzte Booster deutlich weniger Schub entwickeln – erneut hat man eine asymmetrische Schubverteilung, die nicht wünschenswert und wahrscheinlich in dieser Form auch nicht beherrschbar ist.

Bei zwei ausgefallen Triebwerken, die angesichts schon zwei Triebwerkausfällen beiden bisherigen Falcon 9 Flügen rechnerisch nicht unwahrscheinlich sind, ist die Situation noch problematischer. Zum einen gibt es von den acht Kombinationen des Auftretens nur zwei die symmetrisch sind (Linker + Rechter Booster, bzw. zweimal Ausfall in der Zentralstufe). Dann verbleibt in zwei weiteren Möglichkeiten (je ein Doppelausfall links und rechts) doppelt so viel Treibstoff, was die Nutzlast weiter absenkt.

So gesehen muss man bei der Falcon Heavy noch mehr als bei der Falcon 8 damit rechnen, das ein Triebwerksausfall dazu führt, dass die Mission scheitert, wenn die Nutzlast tatsächlich die Grenze ausfüllt die die Rakete bietet. doch diese Gefahr besteht nicht. Selbst mit Doppelstarts von zwei schweren GTO-Satelliten erreicht man sie nicht und so schwere LEO-Nutzlasten gibt es nicht mehr, nachdem die USA ihr Keyhole Programm auslaufen ließen und nun auf zivil-militärische Satelliten wie Wourldview setzen Für Doppelstarts von GTO Nutzlasten dürfte dagegen die Verkleidung zu kurz sein. Die bis zu 17,20 m lange Ariane 5 Verkleidung ist für größere Satelliten zu kurz und wird derzeit verlängert, doch SpaceX Verkleidung ist nur 13,90 m lang. Schwer vorstellbar, dass dort zwei große Satelliten hereinpassen.

So spricht viel dafür das SpaceX dieses Risiko einfach eingeht und darauf setzte, dass jetzt und wahrscheinlich noch für lange Zeit es keine Nutzlast gibt die auch nur annähernd die Nutzlastkapazität der Falcon 9 ausschöpft. Problematisch für die Firma wird eher werden Nutzlasten zu koppeln und pünktlich zu starten. Mit der Pünktlichkeit hapert es ja ein bisschen. SES-8 sollte ursprünglich im April starten. Selbst in der kurzen Zeitspanne seit dem 25.9 rutsche der Start um 5 Wochen nach hinten. Bei zwei Satelliten ist die Chance deutlich größer das ein Kunde abspringt. Und mit nur einem Satelliten macht SpaceX Minus. Nebenbei braucht sie noch eine Doppelstartstruktur und / oder eine größere Nutzlastverkleidung. Doch das zu entwickeln ist nicht so schwer. Allerdings ist nichts davon angekündigt und ankündigen tut SpaceX doch ziemlich viel, selbst Dinge die nie gebaut werden (und deren Zahl ist höher als das was schon gebaut wurde).

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