Bernd Leitenbergers Blog

Neue Triebwerke, neue Treibstoffe

Die Beiträge von Jewgeni-7 über neue Tests von Methantriebwerken in Russland haben mich dazu gebracht mal etwas genauer nachzuforschen. Meines Wissens nach ist ja die Hoch-Zeit der russischen Triebwerksentwicklung längst vorbei, die war in den fünfziger und sechziger Jahren als dort so ziemlich alles als Treibstoff untersucht wurde, was nur theoretisch denkbar ist: Fluor, Interhalogene,  Ammoniak, Borane, nukleare Triebwerke, Plasmatriebwerke. All das hat die Sowjetunion damals getestet. Meiner Ansicht nach hat sich in den letzten Jahren nicht viel getan, wie man auch an der Verwendung des NK-33 für die Sojus 2-1v und des RD-191 als Einkammerderivat des RD-171 bei der Angara zeigt. Echte Neuentwicklungen sind dies nicht.

Doch beim Nachforschen bin ich auf zahlreiche neue Triebwerke gestoßen. Neben den Versuchen mit „Acetam“ und Methan hat man auch neue Konzepte erprobt. Das interessanteste ist das RD-47. Die Nummer zeigt schon, dass es nicht in den bisherigen Zweig der LOX/Kerosintriebwerke gehört (RD-1XX) oder der UDMH/NO Triebwerke (RD-2XX). Es handelt sich um ein experimentelles Triebwerk mit nur 400 N Schub das mit Butyllithium und NTO arbeitet. Ziel war es einen lagerfähigen, selbstentzündlichen Treibstoff zu haben, dessen Energiegehalt MMH/NTO deutlich übertrifft. Das ist bei organischen Lithiumverbindungen gegeben. Sie erreichen mit einer Ausströmgeschwindigkeit bei der Verbrennung mit NTO von über 4000 m/s fast den Wasserstoff, mit LOX verbrannt sind sogar spezifische Impulse denkbar die die des Wasserstoffs übertreffen. Der hohe Preis für die Herstellung (rund 5000 Rubel, etwas mehr als 100 Euro pro Liter) spielt bei Satelliten keine Rolle, vor allem wenn man ein Drittel weniger Treibstoff braucht. Russland hat das Triebwerk zur Serienreife entwickelt und wird es wahrscheinlich in der nächsten Generation der Luch Satelliten einsetzen.

Besonders interessant war allerdings ein Unfall. Das RD-47 war wegen der hohen Hitzeentwicklung mit einer regenerativen Kühlung ausgelegt, die den Sauerstoff nutzte (Butyllithium würde sich zersetzen und dabei Hitze abgeben, also nicht kühlen). Als das Ventil für die Kühlung bei einem Test blockierte wollte man das Triebwerk abschalten, das seit Jahrzehnten nicht modernisierte Notsystem dafür fiel aber aus. So brennte das Triebwerk weiter bis der Treibstoff verbraucht wurde, explodierte aber nicht, auch die Brennkammer brannte nicht durch. Dabei, das zeigten die Messungen, stieg der Schub stetig an, weit über den Punkt hinaus bei dem die Brennkammer auch bei Kühlung durch den Druck explodiert wäre.

Man hat das Triebwerk demontiert und erstaunliches festgestellt: Die Innenwand war mit einer 1,2 cm dicken Schicht aus Lithiumcarbid belegt. Dadurch wurde das Blomen kleiner (bei gleichem Treibstofffluss höherer Druck = höherer Schub) und die Schicht gab der Brennkammer die nötige Widerstandkraft. Man hat dies dann genauer untersucht indem man den Oxydatorfluss variierte und die Kühlung herunterregelte und folgendes festgestellt. Bei einer Wandtemperatur von mehr als 1260° C bildet sich zuerst eine Kupfer-Lithiumlegierung mit kleinen Mengen an Kohlenstoff an der Oberfläche. Diese fördert die Bildung einer ersten dünnen Lithiumcarbidschicht indem sie selbst eine dünne Oxidschicht ausbildet, welche die Karbidbildung durch die raue Oberfläche ermöglicht. Ist erst einmal eine Karbidschicht gebildet so wächst sie weiter an, wenn Butyllihium im Überschuss vorliegt.

Weitere Versuche zeigten, dass diese Schicht stabil bleibt, wenn der Treibstoff mindestens 0,4% Buthyllithium enthält. Man kann diese Substanz dann mit normalem Kerosin mischen. Der Vorteil liegt dann nicht in einem höheren Energiegehalt des Treibstoffs, aber einem viel einfacheren Triebwerksaufbau. Es kann auf die gesamte Kühlung verzichtet werden. Anstatt ein Triebwerk aus zahlreichen Kühlrohren zusammen zu schweißen, diese zu vernickeln und zuletzt eine Inconelschicht an der Außenseite anzubringen kann man sie in einem Stück geßen, oder heutzutage schon mit einem 3D-Drucker herstellen. Die Lithiumcarbidschicht kann man durch einen Kurzzeitbetrieb mit LOX/Butyllithium auftragen. Nach 10 s ist eine ausreichend dicke Schicht gebildet. Beim Betrieb reicht dann der erwähnte Zusatz zum Kerosin. Weiterhin muss man darauf achten dass sich beim Betrieb kein lokaler Sauerstoffüberschuss bildet. Erreicht wird dies durch Veränderung des Mischungsverhältnisses. Bei LOX/Kerosin/LiBut z.b. indem es von 2,8 zu 1 auf 2,6 zu 1 gesenkt wird.

Derzeit arbeitet Russland an dem RD47-11, einer größeren Version des RD-47, nun ausgelegt für 110 kN Schub. Es soll das RD-58 bei Block DM auf der Zenit ablösen. Der Einsatz dieses modifizierten Block DM wird dann auch auf der Sojus (anstatt der Fregat) und der Proton erwogen. Der einfachere Aufbau soll die Herstellungskosten von Block DM um 20% senken. Die eh schon hohe energieausbeute wird noch um 2,3 s erhöht. Eine Umstellung auf Butyllithium als Treibstoff wird erwogen. Der hohe Preis wird durch einen 20% niedrige Menge und einen um 76 s höheren spezifischen Impuls mehr als kompensiert. Auf der Proton sollte so die Nutzlast von 6400 auf 8600 kg steigen, rund ein Drittel, während die Startkosten nur um 8% ansteigen.

Inzwischen bereitet man den Test weiterer Metalle als Treibstoffzusatz vor, so der Zusatz von Beryllium als Metallpulver zum Treibstoff. Hier werden ähnliche Effekte erwartet. Das Problem ist zu verhindern das das Beryllium durchs eine höhere dichte an den Boden der Treibstofftanks absinkt. Der Zusatz von Kolloiden aber auch das Rühren des Treibstoffs wird als Ausweg erprobt.

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