Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Klappt es mit solar erhitztem Wasserstoff?

Wernher von Brauns Buch über Weltraumfahrt beinhaltete auch einige Seiten über nukleare Triebwerke. Sie inspirierten mich zu meinem heutigen Blog. Nukleare Triebwerke unterscheiden sich nicht mal so sehr von chemischen Triebwerken. Der wesentliche Unterschied ist das sich in der Brennkammer ein Reaktor befindet. Er wird von einem Arbeitsmedium umströmt, das ihn kühlt und sich dabei erhitzt. Es wird wie bei chemischen Treibstoffen durch eine Düse expandiert.

Erprobt wurden solche Triebwerke, auch wenn es nur wenige Versuche gab (das Problem: Nach einem Test ist er radioaktiv und kann nicht mehr von Menschen direkt inspiziert werden, das limitiert die Zahl der Versuche doch deutlich). Die praktisch realisierten Konzepte beschränkten sich auf Temperaturen, bei denen der Reaktor noch nicht schmolz. Dann liegen wir bei Verbrennungstemperaturen unter 2200 K. Die Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff erreicht dagegen über 3400 K. Wie kommt man dann trotzdem zu den höheren spezifischen Impulsen (7.100 bis 8.200 m/s werden bei erprobten Konzepten genannt. LOX/LH2 liegt bei rund 4.500 m/s)?

Nun nach der allgemeinen Gasgleichung ist die Geschwindigkeit eines Gasmoleküls, mit der es an die Wand der Brennkammer und Düse prallt und damit Energie überträgt, abhängig von der Temperatur, aber auch der Molekülmasse und nukleare Triebwerke nutzen reinen Wasserstoff als Antriebsgas. Der hat als molekularer Wasserstoff Atommasse 2 (die Temperatur die man erreichen kann, ist zu gering als das größere Mengen an atomaren Wasserstoff vorliegen würden), während das Verbrennungsprodukt von LOX/LH2, Wasser die Atommasse 18 hat. Diese neunmal geringere Atommasse kompensiert die niedrigere Temperatur, die in einem Reaktor herrscht, bei Weitem.

Meine Idee: Wenn man den Wasserstoff anders so hoch erhitzen könnte, dann käme man auf dieselben spezifischen Impulse ohne Kernreaktor mit seinen Nachteilen hinsichtlich radioaktiver Verstrahlung, Kosten und Risikos einer Kernschmelze.

Das Problem besteht also aus zwei Teilen:

  • Wie kann ich die Brennkammer so konstruieren, dass sie den Wasserstoff auf hohe Temperaturen erhitzt?
  • Kann ich die benötigte Energie dafür generieren?

Für Problem 2 gibt es schon eine Lösung: Eine Unterkategorie der elektrischen Antriebe, die Plasmaantriebe erzeugen ein Plasma aus dem Wasserstoff. Nur haben diese Triebwerke einen sehr niedrigen Schub. Ich dachte daher auch an Spiegel, die die Sonneneinstrahlung bündeln und in die Brennkammer reflektieren. Diese haben zwei Vorteile: Das eine ist, das sie leichter sein könenn als Solarzellen, die für Plasmatriebwerke den Strom erzeugen und es entfällt, der Verlust der Energieumwandlung Sonne → Strom → Wärmenergie.

Zum ersten Teil: Eine herkömmliche Brennkammer scheidet aus. Wir müssen ja durch Spiegel den Wasserstoff erhitzen. Eine „normale“ Brennkammer ist aber undurchsichtig. Idee Nummer 1: Die Brennkammerwand ist durchsichtig. Man könnte sie z.B. aus Quarz fertigen. Quarz schmilzt bei rund 2000 K, in etwa die gleiche Temperatur wie man bei nuklearen Triebwerken erreicht. Mit Kühlung kann die Brennkammer natürlich eine viel höhere Temperatur innen aufweisen. Da der Wasserstoff allerdings auch durchsichtig ist, benötigt man in der Mitte, wo er sich befindet, eine Möglichkeit ihn zu erhitzen. Mein Vorschlag wäre eine Röhrenstruktur, genauer gesagt, ein Röhrenmantel, der vom Wasserstoff durchflossen wird. Er besteht aus einem Material mit niedriger Albedo. Spontan fällt mir Graphit ein. Graphit sehr dunkel, absorbiert also den Großteil der eingestrahlten Sonnenstrahlung und er sublimiert erst bei 3750°C. Graphit wird daher auch als Ablationsmaterial für Triebwerke genutzt. Doch dort muss er nicht die strukturelle Festigkeit aufweisen, das tut das Metall, auf dem er aufgebracht ist. Aufgrund der geringen Härte dürfte eine Röhrenstruktur aus Graphit sehr anfällig gegenüber äußeren Kräften sein. Graphit kann man aber nutzen, um die Röhren zu belegen und so die Energie zu absorbieren. Schaut man nach bearbeitbaren Werkstoffen mit höherer Festigkeit, so gibt es einige Metalle: Tantal und Wolfram mit Schmelzpunkten von 3270 und 3685 K und keramische Werkstoffe wie Zirkoniumborid (3320 K), Titancarbid (3620 K) oder Tantalcarbid (4150 K). Nimmt man Wolfram, das als Metall erheblich einfacher zu verarbeiten ist als die keramischen Werkstoffe, so müsste man sehr viel höhere Temperaturen erreichen als in einem nuklearen Reaktor. Selbst bei 500 K Sicherheitsgrenze liegt die mögliche Temperatur 1000 K über den Temperaturen von Kernreaktoren.

Der zweiet Ansatz ist, wenn man sowieso eine solche Struktur benötigt man drum herum keine Brennkammer braucht, sondern der Brennkammermantel daraus besteht. Der Wasserstoff würde daher nur in der Wand zirkulieren. Die Düse würde sich dann nach innen und außen aufweiten. Der Volumenstrom wäre wegen der kleineren Fläche so viel kleiner als bei einer Brennkammer, aber da ich befürchte, dass man sehr viel Energie braucht, um den Wasserstoff innerhalb kurzer Zeit so hoch zu erhitzen denke ich ist das kein Nachteil.

Damit hätte ich einen praktikablen Vorschlag für die Brennkammer: Sie besteht aus einer doppelwandigen Kreisring-Wolfram-Struktur, die bei der Düse sich nach innen und außen aufweitet. Zur Erhöhung der Energieaufnahme ist sie außen mit Graphit belegt.

Punkt 2 ist schwieriger. Ich habe zuerst mal mit FCEA den theoretischen spezifischen Impuls von einem Antrieb berechnet, der mit Wasserstoff von 3300 K Temperatur arbeitet, 10 Bar Anfangsdruck und Expansionsverhältnis 40. Das Mittel aus eingefrorenem und festem Gleichgewicht sind 10.300 m/s. Das ist eine Ansage. Mang gewinnt übrigens anders als bei chemischen Antrieben wenig durch höheren Brennkammerdruck oder Expansionsverhältnis: Bei 30 Bar / Expansionsverhältnis von 240 steigt es nur auf 10.470. Dagegen bringen 100 K mehr deutlich mehr: 10.670 m/s. Vor allem weil sich der Anteil an atomaren Wasserstoff von 6,5 auf 1,35 % verdoppelt.

Doch wie viel Energie braucht man um das zu erzeugen? Nun die Energie im Abgasstrahl kann man berechnen. Sie beträgt nach E = ½ mv² 54 MJ/kg Treibstoff bei v=10.400 m/s. In der Praxis ist es mehr, da auch ein Raketentriebwerk keinen Wirkungsgrad von 100% hat. Das Vinci erreicht z.b. einen Wirkungsgrad von 67,7 %. Nehmen wir mal nur 50% Wirkungsgrad an, so müssen für pro Kilogramm Treibstoff rund 108 MJ aufbringen.

Nun die einfache Gegenrechnung, Die Energie kommt von der Sonnenstrahlung. Die sendet 1355 W/m². Könnte man die volle Energie über Spiegel in die Brennkammer leiten, so braucht man rund 80.000 m², wenn man ein Triebwerk bauen will, das 1 kg Wasserstoff pro sekudne umsetzt. Dabei hätte dieses nur einen Schub von 10,4 kN.

Nun 80.000 m² – das dürfte heute eine unrealsistische Größe sein, doch wenn man herunterskaliert? Chemische Antriebe für Satelliten haben einen Schub von 10 bis 400 N. Dann sind es „nur“ noch 80 bis 3.200 m² – eine realistische Größe, die man mit Spiegeln realisieren kann. Das Problem ist jedoch nicht die Fläche. Das Problem ist ein anderes: Die Spiegel müssen so gut sein, dass sie das ganze Licht das auf diese Fläche fällt, auf eine kleine Brennkammer fokussieren können. Ein 400-N-Hydrazintriebwerk, das heute eingesetzt wird, hat z.b. einen Düsenenddurchmesser von 6,7 cm, die Brennkammer ist dann noch kleiner. Man kommt so auf eine Fläche von vielleicht 10 bis 15 cm², auf der sich die Energei verteilt. Nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz müsste ein idealer scharzer Strahler der 3300 K heiß ist eine Energie von 672 W/cm² abgeben. Entsprechend müsste ein idealer schwarzer Körper, den man auf diese Temperatur aufheizt, (Albedo 0, Graphit liegt aber nahe an diesem Wert) 672 W/cm² aufnehmen. Schafft man also fokussierende Spiegel zu konstruieren, die das Sonnenlicht das auf einen Quadratmeter Fläche fällt, auf 2 cm² zu fokussieren – dann würde es gehen. Bei einem Triebwerk mit 10 N Schub wären das 80 m² – eine schwierige Aufgabe. 80 m² entsprechen z.B. einer Kreisfläche von 5,1 m Radius um das Triebwerk, das nur einige Zentimeter groß ist – das ist eine ziemliche Fläche für einen geringen Schub.

Der Flächenbedarf ist natürlich bei Ionentriebwerken noch größer – die Solarpaneele, die bei 25 % Wirkungsgrad und einem spezifischen Impuls von ebenfalls 10.400 m/s bei elektrostatischen Triebwerken den Strom für 10 N Schub erzeugen, wären rund 220 m² groß. Vergleicht man es mit Plasmatriebwerken, so ist der Vorteil noch größer, weil deren Wirkungsgrad kleiner ist, als der von elektrostatischen Ionentriebwerken.

Nachteilig ist die geringe Dichte von flüssigem Wasserstoff. Bei einem Berstdruck von 3 Bar wiegt ein Kugeltank schon 1 / 4.3 des Inhalts. (Werkstoff: Stahl). Er braucht noch eine gute Isolierung den es dauert so Tage bis Wochen, bis der Treibstoff verbraucht ist. Die kommt zum Gewicht noch hinzu oder eine Rückverflüssigungsanlage. Leicht sind die Tanks für Xenon als Arbeitsmedium für elektrostatische Triebwerke auch nicht – ein Fünftel des Tankgewichts für das Arbeitsgas sind üblich. Allerdings würden Plasmatriebwerke als direkte Konkurrenz auch mit Wasser, Ammoniak und andere niedermolekularen Stoffen funktionieren, die man leicht verflüssigen kann. Dann spart man an diesem System wieder viel Gewicht ein.

Bevor noch ein Kommentar kommt: die Erhitzung mittels Laserstrahlen habe ich nicht erwogen, weil ein Laser ja auch einen Wirkungsgrad < 1 hat und selbst wenn die Anregung durch Licht erfolgt, man eine größere Fläche braucht, als wenn man die Energie direkt einstrahlt. Als Alternative habe ich überlegt, ob es praktikabel ist, wenn die Laser als Energiequelle auf der Erde sind. Nimmt man als Ziel z.B. 10 cm Durchmesser, so müsste bei bekannten Lasern, die man z.B. für das Lunar Laser Ranging-Experiment nutzt, die Entfernung maximal 8 km sein – das scheidet also auch aus.

Alternative Wasser, Ammoniak und Methan

Wenn man keinen so hohen spezifischen Impuls anstrebt, aber vielleicht eine Alternative zu lagerfähigen Treibstoffen sucht, so könnte man auch Wasser als Arbeitsmedium nehmen. Es ist über einen großen Bereich flüssig, hat eine hohe Dichte, braucht daher leichte Tanks und keine Isolierung. Es ist nicht toxisch. Der spezifische Impuls dürfte kleiner als bei Wasserstoff sein, wegen der höheren Molekülmasse, allerdings müsste bei 3300 K auch ein Teil schon dissoziiert sein, was dies wieder kompensiert. Ich habe es mal durchgerechnet und komme mit CEA bei 10 Bar / Expansionsverhältnis von 40 auf einen spezifischen Impuls von 3791 m/s und bei 40 Bar, Expansionsverhältnis 240 sind es 4106 m/s. Nimmt man 3800 m/s an, dann liegt man schon besser als bei lagerfähigen Treibstoffen (rund 3100 m/s maximal). Die geringere Ausströmgeschwindigkeit reduziert auch den Aufwand für die Energiezufuhr, beim obigen Beispiel eine 10 N Triebwerks z.B. von 80 auf 11 m². Das wäre dann in der Tat eine Alternative, die man auch anwenden könnte bei heutigen Satelliten. Die Spiegel könnte man unten befestigen und nach dem Start entfalten, 11 m² sind nicht mehr Fläche als heute auch Solarzellen haben. Der Antrieb würde dann auf der Sonnenseite arbeiten. Mit 10 N Schub wäre der Schub zwar klein, aber noch um einiges größer als bei Ionentriebwerken. Einen 4 t schweren Satelliten bräuchte man etwa 24 Tage um mit einem 10-N-Antrieb vom Leo in den GEO zu kommen. (Endmasse dort: 1073 kg).

Übrigens sind, wenn man den Ansatz verfolgt, andere Stoffe noch besser geeignet. Je höher der Wasserstoffgehalt ist desto besser. Bei 10 Bar / Expansionsverhältnis 40 kommen folgende spezifische Impulse heraus:

  • Wasser: 3791
  • Ammoniak: 5021 m/s
  • Diboran: 5.600 m/s (nur freies Gleichgewicht, eingefrorenes Gleichgewicht kann Düsenbedingungen wegen Kondensation nicht berechnen)
  • Methan: 6.020 m/s (nur freies Gleichgewicht, eingefrorenes Gleichgewicht kann Düsenbedingungen wegen Kondensation nicht berechnen)

Methan und Ammoniak sind leicht unter Druck zu verflüssigen. Bei Methan bei vergleichsweise tiefen Temperaturen (-162°C), aber bei Ammoniak bei schon bei 20 °C bei rund 9 Bar. Bei -33°C wird Ammoniak auch ohne Druckerhöhung flüssig – so eine Temperatur ist im Weltraum problemlos durch Radiationskühler erreichbar.

Fazit

Die solarthermische Erhitzung von Wasserstoff als Arbeitsmedium für einen Antrieb halte ich heute noch für eine zu große technische Herausforderung, doch mit Ammoniak oder Wasser als Medium wäre es technisch möglich und man hätte einen Antrieb mit einem höheren spezifischen Impuls als bei lagerfähigen Treibstoffen, das würde also Treibstoff sparen. Bei großen Geschwindigkeitsänderungen z.B. LEO → GEO) könnte das eingesparte Gewicht größer sein als die Mehrmasse durch die Spiegel. Sollte man sich näher der Sonne nähern, z. b. für eine Venus oder eine Merkurmission, so wird der Vorteil noch größer.

3 thoughts on “Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Klappt es mit solar erhitztem Wasserstoff?

  1. In der Tat lässt sich Sonnenlicht nicht beliebig konzentrieren. Zitat: „Schafft man also fokussierende Spiegel zu konstruieren, die das Sonnenlicht das auf einen Quadratmeter Fläche fällt, auf 2 cm² zu fokussieren“. Es geht allerdings noch etwas kleiner: Die Sonnenscheibe hat von der Erde aus gesehen einen Durchmesser von 32′ bzw. 0,53°. Das entspricht einem Raumvolumen von 0,00007 Sterad. Die gesamte Halbkugel hat hingegen einen Rauchwinkel von 2 pi. Das Sonnenlicht kann daher im Optimalfall im Verhältnis 0,00007 Sterad zu 6,28 Sterad fokussiert werden, entsprechend fast 100.000 fach!

    Man muss auch höher konzentrieren als auf 2 cm², denn was Du hier berechnet hast, Bernd, ist das Strahlungsgleichgewicht: Konzentriert man das Sonnenlicht von 1 m² auf 2 cm², und ist es im Fokus 3300 K heiß, dann sind einfallender Strahlungsfluss (von der Sonne) und ausgehender Strahlungsfluss (von dem erhitzten Körper zurück in den Weltraum) genau gleich. Man kann diesem System aber keine Energie zum Aufheizen von Wasserstoff mehr entnehmen, da eingehender und ausgehender Energiefluss bereits gleich sind. Heizt man doch Wasserstoff damit, sinkt die Temperatur, und der Strahlungsfluss zurück sinkt entsprechend.

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