Bernd Leitenbergers Blog

Die Mär vom billigen Transport und den neuen Anwendungen

Ja wenn erst mal SpaceX den Transport in den Weltraum auf die Kosten des Treibstoffs reduziert hat, wird es ganz neue Anwendungen geben. Und das wird ja auch bald sein. „Could be soon“. Dazu mehr weiter unten. Doch ich will zuerst mal zeigen, dass man schon heute viel bei der Reduktion der Transportkosten erreicht hat und das diese heute die geringste Rolle bei Projekten spielen.

Als Beispiel kann man die einzige Branche nehmen, die wirklich kommerzielle Raumfahrt betreibt – in dem Sinne dass sie nicht von einem staatlichen Kunde abhängig ist wie dies z.B. bei den zivilen Aufklärungssatelliten der Fall ist: den Telekommunikationssatelliten. Der erste kommerzielle geosynchrone war „Early Bird“, später in Intelsat 1 umgetauft. Intelsat 1 hatte eine Kapazität von 240 Telefonkanälen. Diese kosteten 32.000 Dollar pro Kanal/Jahr. Das war 1963. Die Inflation mit eingerechnet wären das heute 250.000 Dollar. Heute ist es üblicher, in Transpondern zu rechnen, wobei schon 1998 ein Transponder 2300 Telefongespräche übertragen konnte. Ich vermute mit effizienteren Codierungsmechanismen heute noch mehr. Heute kostet ein Transponder wenn er gemietet wird 1,62 Millionen Dollar pro Jahr das sind dann pro „Telefonkanal“ 700 Dollar. Verglichen mit 1963 sind also die Kosten um den Faktor 360 gesunken – trotzdem gibt es nun nicht den Run auf die Satelliten. Stattdessen ist die Datenmenge enorm angestiegen.

Nun mag man zu Recht einwenden, dass die Satelliten teuer geblieben sind, nur eben viel leistungsfähiger. Doch auch früher waren die Startkosten nicht das Problem. Das intelsat 1 Projekt kostete 12 Millionen Dollar, davon 4 Millionen Dollar für den Start. Bei dem Start des SES 8 wurde bekannt, dass das Projekt 200 Millionen Dollar kostet, dazu kommen noch 24 Millionen für die Versicherung (die gab es bei Intelsat 1) noch nicht. Der Anteil der Trägerrakete ist in beiden Fällen fast gleich hoch (33 bzw. 30%). Über Jahrzehnte hinweg war es so, dass die Startkosten nur 25 bis 35% der Projektkosten ausmachen. Was würde passieren wenn sie nun nur noch 0,3% ausmachen? Nun die Projektkosten würden um 30% sinken, nicht auf ein Hundertstel.  Wenn ein Betreiber der Satelliten die Kosten reduzieren will kann er das heute schon effektiver bei den Satelliten die mehr als der Start kosten.

Dabei handelt es sich hier um in Kleinserien gebauten Satelliten. Forschungssatelliten als Einzelexemplare sind meist noch teurer. Doch selbst Cubesats, die von Studenten gebaut werden – und da sind die Budgets kleiner – kosten zweistellige Tausender Beträge, das ist gemessen an der Startmasse von 1-3 kg viel. Die Cuebsats von Planetlabs (immerhin 100 identische Satelliten) werden 52 Millionen Dollar kosten, das ist für insgesamt 300 kg Masse viel Geld. Die Transportkosten sind dabei dann zweitrangig, selbst wenn die Firma nicht wie bisher sie mitnehmen lässt, sondern einen eigenen Träger kauft macht der nur einen kleinen Bruchteil dieser Kosten aus, etwa ein Zehntel. Die Transportkosten sind nicht das Problem.

Das zeigt auch ein erneuter Blick auf die Betreiber der Satelliten. Diese arme Branche die immer nach dem günstigsten LSP suchen muss, knabbert nämlich am Hungertuch: 2012 vermietete sie einen Transponder für duechschnittlich 1,62 Millionen Dollar. Bei knapp unter 1 Million Dollar eigenen Kosten pro Kanal. Eine Branche, die lächerliche 38% Gewinn des Umsatzes generiert, ist wirklich arm dran ist. Nur mal als Vergleich: Apple, das als hoch profitabel gilt hat im letzten Quartal 7,7 Milliarden Dollar Gewinn bei 37,4 Milliarden Umsatz also nur 20% Gewinn gemacht. Die meisten deutschen Unternehmen sind froh wenn sie 10% ihres Umsatzes als Gewinn ausweisen können. Und das ist nur der durchschnittliche Preis. In Westeuropa erlöst man 3,2 Millionen pro Transponder, macht einen Gewinnanteil von knapp 69%. Was würde es da ändern wenn die Startkosten etwas kleiner sind?

Rechnen wir es nach: SES 8 kostete als Satellit bis zu Inbetriebnahme im Orbit versichert 224 Millionen Dollar. Er hat 33 Transponder bei einer Servicezeit von 15 Jahren. Da sollte er bei 1,62 Millionen $/Jahr insgesamt 801,9 Millionen Dollar Umsatz generieren. Die Falcon 9 kostete bei einem regulären Startpreis 60 Millionen Dollar, das sind gerade mal 7,5% des Umsatzes. Sinken die Startkosten auf ein Hundertstel so sind es es 0,075 des Umsatzes – oder um es auf den Gewinn zu beziehen: er steigt um 12%. Das zeigt, dass schon heute die Startpreise nicht der Kostentreiber sind.

Zurück zur Machbarkeit: Wenn man die Kosten um den Faktor 100 drücken will und die Treibstoffkosten nach Musk 0,3% der Rakete ausmachen, so ist klar, dass sie nun 30% ausmachen. Bei einer Falcon 9 sollte der Start nun 0,6 Millionen kosten, davon 0,18 Millionen Treibstoff. Das lässt für Rakete, Startdurchführung, Bergung und Inspektion nur 0,42 Millionen übrig. Da heute bei den LSP die Startvorbereitungen alleine schon für 20% der Kosten gut sind und die immer anfallen zeigt dies dass es mit der Bergung der Rakete alleine nicht getan ist. Nehmen wir an Startdurchführung und Bergung kosten nix, dann müsste man die Rakete mindestens 150-mal wiederverwenden um die kosten soweit zu drücken.

Nur gibt es keine Triebwerke die 150 Einsätze durchhalten. Die SSME waren für 55 Missionen spezifiziert, allerdings mit umfangreichen und teuren Überprüfungen zwischen jedem Start. Normale Triebwerke haben typisch eine Lebensdauer die zehnmal höher als die Betriebsdauer ist so das RL-10, RS-68 und Vulcain. Die Merlin 1D sind nach SpaceX angaben sogar nur für die vierfache Betreibsauer spezifiziert. Ohne völlig neue extrem robuste Triebwerke wird es also nicht gehen. Die Strukturen machen auch Probleme. Bei den Ariane 5 Boostern traten beim Wiedereintritt viermal so hohe Bremskräfte auf wie beim Start als Beschleunigung in der Spitze. Dazu eine höhere thermische Belastung. Ich ahbe so meine Zweifel, dass Aluminiumlegierungen diese 150-mal überstehen.

Wahrscheinlich gibt es die 150-mal wiederverwendbare Falcon wenn die Firma ihren Firmennamen auch einlöst: Sie heißt Space Exploration, „Weltraum erkunden“ so die Übersetzung. Erkundet hat sie im Weltraum aber noch gar nichts.

Zuletzt ist das Thema nicht neu: auch beim Space Shuttle wurden ganz neue Anwendungen prognostiziert. doch selbst bei den ersten Flügen die stark subventioniert waren (35 Millionen Dollar für den ganzen Startraum, eine Delta mit einem Zehntel der Nutzlast kostete genauso viel). hielt sich der Andrang in Grenzen.

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