Bernd Leitenbergers Blog

So geht es nicht weiter

Nachdem ich mich bei den SpassX-Fans schon unbeliebt gemacht habe, widme ich mich heute mal den Arianefans, obwohl ich mich selbst dazu zähle. Aber in den letzten Jahren hat mir die Politik doch sehr die Freude vergällt.

Doch zuerst mal noch eine Nachbemerkung zum vorletzten Blogeintrag. Wie HansSpace erkannt hat, ist das mein Blog und es ist keine Nachrichtenzentrale. Mögen sich die SpaceX Fans freuen, dass sie schon Foren gleichgeschaltet haben, doch hier ist dem nicht so. Das liegt nicht nur an mir, seit Jahren warte ich auf den Pro SpaceX Beitrag. Warum kommt den der nicht, wenn es doch so viele Kommentatoren gibt die alles besser wissen? Primär mache ich die Blogs auch für mich selbst, der letzte war z.B. eine Zusammenfassung für mich der Nachrichten die es in den letzten Wochen gab.

Ich werde auch bei der Bezeichnung „SpassX“ bleiben, weil das Wort sehr gut ausdrückt, was ich mit der Firma verbinde: Spaß. Die Nschrichten sind kurzweilig zu lesen, man wird durch kurze Twittermeldungen nicht gezwungen nachzudenken oder viel Information aufzunehmen, dann gibt es Kommunikation in Form von Videos oder Bildern, nicht wie sonst üblich Fakten. Also sicher was ganz tolles für die Twitter-Generation und nichts für Leute die Raumfahrtberichterstattung machen oder nur Datenblätter von Raketen oder Berechnungen anstellen wollen.

Diesen Weg hat SpassX beschritten, wobei – und das ist mein Hauptkritikpunkt – die Firma sich zum einen „Hipp“ gibt (Drohnen nehmen Grasshopper beim Start und Landen auf, was tolle Bilder gibt, schnelle Twittermeldungen vom Chef (und nur vom Chef!) über den Verlauf eines Starts, zum andern aber noch mehr als andere Firmen mit echten Informationen geizt wenn es mal nicht so läuft wie geplant. Ich brauche dazu nicht den letzten Start bemühen, es reicht auf den Grasshoppertest zu verweisen, bei dem die Falcon gesprengt wurde. Da gibt es nur Bilder von Dritten die dies verfolgt haben. Wo sind die Bilder der Drohnen und Kameras am Startgelände, die sicher wie bei allen vorherigen Flügen anwesend waren? Das ist ein Fall, wo klar ist, wie Informationen zurückgehalten werden die negativ sind. Man könnte weitere anführen. Wenn ich dies einmal realisiert habe, dann denke ich mir „Das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs, wer weiß was da noch alles vertuscht wird“. Und deswegen bin ich kritisch.

Aber kommen wir zum Hauptthema und das kann ich auch mit SpassX verbinden. Da hat man ja weil von Arianespace/CNES SpassX als Bedrohung aufgebaut wurde, die Ariane 6 bewilligt. Eigentlich sollte sich das Bedrohungsszenario gemildert haben, denn der Hauptgrund warum Ariane 5 seit einem Jahrzehnt Probleme mit der Konkurrenz hat, ist inzwischen entschärft worden: es ist nicht die Fertigung es ist der Eurokurs. Arianespace berechnete früher ihre Preise in Franc, dessen Kurs war nie stark verglichen zum Dollar. Mit der Einführung des Euro hat sich das geändert. Schon am ersten Handelstag war der Euro mehr Wert als der gemittelte Umrechnungskurs der Einzelwährungen. Kurzzeitig kletterte er auch auf 1,37 Dollar pro Euro. Nun ist er dank der EZB auf 1,15 Dollar gesunken. Das bedeutet das Arianespace z.B. gegenüber einem Kurs von 1,25 €/$ wie letztes Jahr den Preis pro Start von 200 auf 184 Millionen Dollar senken kann, denn international werden Starts in Dollar verrechnet.

Trotzdem hat Frankreich seinen Wunsch nach einer Ariane 6 durchgedrückt und die deutsche Politik war noch schlimmer. Nicht nur das man die eigene Position aufgab (Bau der Ariane 5 ME – meiner Ansicht nach die bessere Entscheidung) sondern man wollte um der deutschen Industrie Aufgaben zu sichern, das Projekt modifiziert haben. So ist die neue Ariane 6 nichts anderes als eine etwas verkleinerte Ariane 5 (in etwa der Ariane 5G in der Zentralstufe vergleichbar, vier anstatt zwei Booster, dafür nur die halbe Startmasse der EPS und eine Oberstufe die wahrscheinlich an die ECB angelehnt ist) und man hat in Augsburg eine zweite Linie der Boosterproduktion und erhöht so nur deren Preis (eine Fertigung hat höhere Stückzahlen, geringere Fixkosten und Investitionskosten). Aber darüber habe ich mich schon ausgelassen, daher an dieser Stelle nur so viel.

Nun kommt die Industrie mit dem Vorschlag, denn sie auch schon vor einem halben Jahr hatte, der CNES ihren Anteil an Arianespace abzukaufen. Arianespace wurde 1979 gegründet mit dem Ziel Ariane 1 zu vermarkten und an ihr sind die Länder und die Industrie in dem Maße beteiligt wie man damals an der Ariane 1 Entwicklung beteiligt war. Die Industrie ist heute weitgehend fusioniert und hält 41%, die CNES 34% und damit auch eine Sperrminorität. Die Industrie würde dann 75% halten und walten und schalten können wie sie will.

Ich finde das schon sehr unverfroren: Seit 2005 subventioniert die ESA Arianespace. Die Industrie versprach die Fertigung ökonomischer zu gestalten – das hat sie nicht gehalten. Nun soll die EAA eine neue Ariane 6 mit 4 Milliarden Euro finanzieren und keinerlei Entscheidungen mehr bei der Vermarktung haben? Das ist schon dreist. Daher mal hier mein Alternativvorschlag:

Wenn ich davon ausgehe, dass wenn die Industrie eine Rakete selbst entwirft und eigenständig entwickel,t diese billiger wird, dann sollte man die Industrie dies auch machen lassen. Nun wird man sicher bei uns keinen Multimilliardär finden der das finanziert, doch es geht auch anders. Aber zuerst mal zu den Chancen die ich sehe:

Die Industrie kann eine Rakete so entwerfen das sie preiswert zu produzieren und zu entwickeln ist. SpassX macht das mit der Falcon 9 vor: Ein Triebwerk in zwei Stufen und zwei Trägern (das die Rakete etwas an den Anforderungen der Nutzlasten vorbeischrammt, mal außen vor gelassen) das bedeutet hohe Stückzahl und geringe Entwicklungskosten. In Europa will die CNES mit jeder Ariane was neues entwickeln um uns technologisch weiterzubringen. SpassX setzt mehr auf bewährtes was die Entwicklungskosten senkt. Dazu kommt als spezielles ESA Problem der „Geographical Return“. Sprich jedes Land bekommt seine Beteiligung in Form von Entwicklungsaufträgen zurück. Gerade das hat ja zu dem neuen Ariane 6 Konzept geführt, weil im alten für deutsche Industrie nicht die 20% Beteiligung drin waren. Wenn die Industrie die ja heute auch schon zu 90% aus Airbus besteht, die Raketenproduktion so aufstellt das sie nicht in 7-8 Ländern stattfindet, sondern nur in 2 oder 3 so wird die Produktion auch billiger.

Zuletzt fällt der ESA Anteil an Administrationskosten weg (der war mit 250 Millionen bei der Ariane 6 angesetzt) aber vor allem auch eine Bürokratieschicht, die sicher auch viel kostet. Doch dann muss man auch die Finanzierung anders regeln. Es muss gewährleistet sein, dass die Industrie nicht von der ESA 4 Milliarden einstreicht und wenn die Ariane 6 nicht viel billiger als die Ariane 5 wird, erneut nach Subventionen fragt. Daher mein Vorschlag: anstatt die Entwicklung zu finanzieren zahlt die ESA die Kosten die diese ausmachen würden zusätzlich zu den Starts. Meine Rechnung sähe so aus:

Bisher hatten Arianes eine Dienstzeit von etwa 25 Jahren (Ariane 1-4: 1979-2003, Ariane 5 1996-2020/1). Wenn die ESA durchschnittlich 2 Starts pro Jahr bucht, würden 4 Milliarden Euro + 25% Zinsen = 5 Milliarden Euro sich auf 50 ESA-Starts verteilen. Die ESA würde also pro Start 100 Millionen Euro mehr zahlen und sonst nichts. Damit die Industrie jetzt schon anfangen kann, sogar noch bei den derzeitigen Starts der Ariane 5. Wenn die Industrie dann merkt das sie nichts hin bekommt hat die ESA maximal so viel Geld in den Sand gesetzt wie es bisher Starts gab. Es würde auch der Industrie einen Anreiz geben, die Rakete aggressiv zu vermarkten um die Stückkosten zu senken. Die ESA könnte weiter das CSG und Testeinrichtungen betrieben und nichts für Tests/Starts verlangen was die Industrie weiter entlasten würde (nichts anderes machen ja auch die anderen Länder).

Die Frage die sich stellt ist die ob man so mit SpaceX und ILS mithalten kann. Wie die letzten Jahre zeigten, gibt es hier einige Unterschiede zu der Art wie hier Raketen gebaut werden. Sowohl bei SpassX wie auch ILS / Roskosmos weiß man, das die Prüfungen weitaus weniger intensiv sind als bei uns. Bei der Proton gab es eine Menge von Fehlern, die man durch Kontrolle leicht vor dem Start beheben könnte, wie verkehrt herum eingebaut Beschleunigungssensoren, zu voll gefüllte Stufen. Das (anders als bei SpassX) nach dem Galileo Fehlstart veröffentlichte Dokument spricht davon dass die Fregat bei der Fertigung einen systematischen Fehler hat, der zum Einfrieren des Hydrazins führte – jede vierte Stufe war betroffen, nur hat dies niemand vorher wegen der kurzen Missionszeit bemerkt. Wollen wir uns auf das Niveau herunterlassen um Kosten zu sparen? Wohl sicher nicht.

Das zweite sind die Arbeitskosten. In Russland sind sie aufgrund der niedrigen Lohnkosten viel geringer und die Löhne machen den Hauptteil bei der Rakete aus. Das Material ist vergleichsweise billig, es sind Metalle oder wenn’s teuer wird CFK-Werkstoffe. Bei SpassX sind auch die Lohnkosten gering. Zum einen weil die Firma auf angelernte Arbeiter setzt (2/3 haben nur Schulabschluss, bei anderen US-Firmen beträgt deren Anteil unter 1/3) zum anderen weil unter dem Deckmantel für eine Vision zu arbeiten die Leute dort 14-15 Stunden pro Tag und am Samstag arbeiten. Auch so kann man die Lohnkosten senken, nur denke ich wird das bei uns nicht gehen, außer wir lagern die Fertigung nach Griechenland aus.

Meine Ansicht: wir sollten zu den Wurzeln zurückkehren. Ariane 1 wurde entworfen, damit Europa unabhängig ist. Wenn wir die Ariane 5 weiter betreiben, die europäischen Starts mit der Sojus aufgeben und auf die Ariane 5 umbuchen, dann haben wir vielleicht nur einige Starts pro Jahr, aber wir finanzieren nicht eine Rakete die zu 70-80% nicht von der ESA genutzt wird. Sie startet dann eben nicht Kommunikationssatelliten-Dutzendware, sondern wichtige europäische Satelliten und Raumsonden und deren Starts sollten auch klappen.

Jeder Start mag teurer sein, aber verglichen mit 4 Milliarden Entwicklungskosten für eine Ariane 6 wird man sich sicher viele teurere Starts leisten können. Das wäre auch nicht so was besonderes. Japan startet seit jeher nur eigene Satelliten mit der H-II (nun haben sie erstmals einen Auftrag aus dem Ausland erhalten, da der Yenkurs so niedrig ist) und die US-Trägerindustrie seit 10 Jahren auch nur vereinzelt andere Nutzlasten. Wenn die Industrie trotzdem eine Ariane 6 haben will – dann eben nach dem obigen Modell finanziert.

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