Bernd Leitenbergers Blog

Nachlese CRS-5 Landungsversuch

Ich hatte gehofft man erfährt noch ein bisschen mehr als die zwei, drei Sätze zur Landung und auch das Video gibt nicht sehr viel her. Aber hier mal wieder ein Wissensblog (daher auch mit der korrekten Schreibweise SpaceX, SpassX benutze ich weiterhin für meine Meinung zur Firma).

Was ist passiert?

Fangen wir mal an, was die Leistung dabei ist. Die primäre Leistung ist es das Schiff getroffen zu haben, denn bisher gingen die Stufen im Meer verloren. Ob sie den Landepunkt bisher genau getroffen haben, darüber kann man nur spekulieren. Damit hat SpaceX eine wichtige Voraussetzung erfüllt, nämlich einen Zielpunkt mit hoher Genauigkeit zu treffen.

Ansonsten gibt es einige Rätsel. Der Verlust der Hydraulikflüssigkeit wird als Hauptursache angegeben. Das man Hydraulikflüssigkeit nicht wiederverwendet ist in der Raumfahrt normal. Soweit ich weiß, machten alle früheren Raketen dies so, ganz einfach, weil bei Betriebszeiten von wenigen Minuten es ökonomischer ist, einen größeren Vorrat mitzuführen anstatt einen geschlossenen und aufwendigeres Kreislauf aufzubauen. Allerdings ging man bei Raketen bald dazu über, das sowieso reichlich vorhandene Kerosin als Hydraulikflüssigkeit  zu nutzen.

Doch das ist zweitrangig. Rätselhafter ist das dies eine Ursache für den Unfall sein soll. Der Zweck der Finnen wurde von Musk immer als die Stabilisierung der Stufe im Überschallbereich angegeben. Das macht auch Sinn. Sie sollten schon wegen ihrer Größe kurz vor der Landung nahezu unwirksam sein, selbst bei einer extremen Fehlstellung. Vor der Landung müssen die Triebwerke die Stufe abbremsen bzw. bei den angegebenen Voll-/Leermasseverhältnis von 30:1 darf die Stufe nicht mehr als 13-14 t wiegen, reicht sogar ein Triebwerk aus. Die Geschwindigkeit ist daher gering und damit auch die Steuerwirkung durch Fins. Sie scheinen aber die primäre Regelung auch im Unterschalbereich in der Querachse zu sein, nach Musks FAQ. Die aerodynamischen Kräfte seien zu stark für Kaltgasdüsen, das mag sein, aber sich nicht für ein Triebwerk mit über 600 kN Schub (entsprechend einer Beschleunigung von 4 g bei einer fast leeren Stufe).

Die Schieflage, das erkennt man an der Lichtquelle die von schräg oben im Video hereinkommt (Scheinwerfer auf dem Boot?) existiert auch schon beträchtliche Zeit vor der Landung. Unverständlich, dass sie durch die Triebwerke nicht korrigiert wurde, denn sie haben bei einer fast leeren Stufe mehr als genug Schub um die Rakete zu neigen bzw. aufzurichten. Wer noch die letzten Sekunden vom ersten Ariane 5 Start in Erinnerung hat, weiß, wie schnell Triebwerke eine Rakete drehen können und dabei handelte es sich noch um eine fast vollgefüllte Ariane 5. Man weiß nicht, ob das Video Echtzeit wiedergibt oder man nur Frames zusammenfügte und so eine Zeitrafferaufnahme erhält, aber wenn es eine Echtzeitaufnahme ist, so scheint es mir als würde die Stufe noch weitgehend ungebremst und zu schnell herunterkommen.

Wie geht es weiter?

Nun SpaceX hat sicher noch einiges nachzubessern. Wie aufwendig dies ist und ob die 50% mehr Hydrauliköl reichen oder es eben noch andere Probleme gibt, weiß nur SpaceX, bzw. eventuell niemand wird sich bei dem nächsten Start am 31.1. zeigen. Elon Musk meinte man könne das Triebwerk 40-mal verwenden, auf das sei es ausgelegt, die Qualifikation umfasste aber viel weniger Starts. Bei anderen Triebwerken überprüft man die Lebensdauer auch praktisch und spricht nicht von „Design life time“. Doch das ist ein kleineres Problem.

SpaceX strebt nach wie vor eine Landung auf dem Festland an. Diese ist bedeutend aufwendiger. Nach der Stufentrennung hat die Stufe eine hohe Geschwindigkeit (nach den Durchsagen im Video 1,8-1,9 km/s, 80-90 km Höhe, 67 km von der Basis horizontal entfernt). Diese muss nicht nur abgebaut, sondern in eine Geschwindigkeit rückwärts umgewandelt werden. Daraus resultiert eine Rückflugbahn. Auch wenn diese etwas komplexer als die rein parabolische Bahn ist, die die Stufe bisher durchlief, spricht prinzipiell nichts dagegen, dass man die gleiche Landegenauigkeit erreicht.

Der Unterschied ist aber der viel höhere Treibstoffverbrauch. Schon jetzt wo man die Triebwerke eigentlich nur braucht, um am Schluss die Restgeschwindigkeit zu vernichten (die dürfte unter Schallgeschwindigkeit liegen) schaltet man die Triebwerke nach 157 s ab (nominelle Betriebsdauer 180 s), das lässt rund 50 t Treibstoff in der Stufe zurück, bei dem reklamierten Voll-/Leermasseverhältnis mehr als die dreifache Menge der Leermasse. Da man sicher nicht unnötig viel Treibstoff dort hinterlässt (er kann ja bei der Landung sich entzünden bzw. muss abgelassen werden) erscheint dies viel. Schon das korrespondiert bei 10 t Nutzlast mit einem Geschwindigkeitsverlust von 750 bis 800 m/s oder 3,6 t Nutzlast. Bei einem Rückflug wird es erheblich mehr sein.

Die einzige Erklärung, die ich für diesen so hohen Resttreibstoffanteil habe, ist das die Stufe bei der Landung nicht zu leicht sein darf, da ein einzelnes Merlin selbst bei Minimalregelung (70% Schub) 46 t in Schwebe halten kann. Bei 13-14 t Leermasse isst man dann vielleicht an mehr Resttreibstoff in den Tanks interessiert um die Rakete nicht zu leicht werden zu lassen. Doch dann hat man einen entscheidenden Designfehler und besser wäre eine andere Landemethode z.B. Airbags.

Vor allem frage ich mich, warum man die Landung auf Land anstrebt. Wenn die Stufe auf dem Schiff landet, ist sie doch auch sicher gelandet, einige Tage später ist das Schiff im Hafen und man kann sie ausladen. Wozu viel Nutzlast opfern, nur um die Stufe zum Startplatz zurückzuführen? Die einzige Erklärung eröffnet sich nach den Statements eines ehemaligen SpaceX Arbeiters, wonach man in der Firma nicht eine Woche opfert, ein Konzept sinnvoll zu überlegen, aber durchaus sechs Monate Zeit aufwenden kann, damit es SpaceX-CEO Elon Musks „Badass“ Ansprüchen genügt. („badass“ Übersetzung nach dict.cc: „krass“). klar eine Landung auf dem Land ist „krasser“, aber nicht wirtschaftlich sinnvoller.

Nachtrag: Eineinhalb Jahre später hat SpaceX einige Stufen gelandet, sowohl an Land, wo es zum ersten Mal klappte wie auch auf See, wo es nach dem ersten geglückten Versuch auf dem Drone-Schiff inzwischen auch weitere Landungen gab. Nicht alle Landeversuche klappten. Selbst wenn es noch genügend Treibstoff gibt, so ist das Landen mit der richtigen Geschwindigkeit und senkrecht auf dem Schiff immer noch eine Herausforderung. So ging auch nach einigen erfolgreichen Landungen wieder eine Stufe verloren, als sie mit zu hoher Geschwindigkeit aufschlug.

Das Landen auf dem Schiff ist die definitiv riskantere Methode. Auch wenn das Schiff senkrecht getroffen wird so gibt es das Risiko, dass es selbst schräg steht, weil gerade eine Welle unter ihm herumläuft und der Atlantik ist leider eines der stürmischen Meere.

Wie viel Nutzlast das kostet, ist nicht so genau spezifiziert. SpaceX hat inzwischen die Performance der Falcon 9 von 5.500 kg auf 8.300 kg in den GTO korrigiert, war sich aber nicht sicher, ob beim Start des nur 4.700 kg schweren JCSAT-14 klappen würde, obwohl die Landung auf dem Schiff nur 15% Nutzlast kosten soll (nach Elons Musks persönlicher Aussage auf einer Pressekonferenz). Bei der Rückkehr zum Startplatz, das bisher nur bei ISS-Versorgungsmissionen im Rahmen des CRS Programms erfolgen beträgt die Einbuße sogar 30%. Das spielt nach einer von 16,1 auf 22,2 t in LEO korrigierte Nutzlast aber keine Rolle, da eine voll beladene Dragon nur etwa 11 t wiegt.

Der nächste Schritt ist die Wiederverwendung. Die erste gelandete Stufe hat man nur kurz gezündet. Die beim Start von JCSAT 14 verwendete erste Stufe wurde erneut gezündet und diesmal über die gesamte spätere Betriebsdauer von zweieinhalb Minuten. Das ist die erste Demonstration, dass die Triebwerke den Trip überlebt haben. Erst der erneute Flug zeigt dann, ob dies auch für die Struktur geht und die isst ja bei der Falcon 9 sehr leicht (Elon Musk gibt zumindest für die booster der Falcon Heavy, die keinen Stufenadapter zur wzeiten Stfue haben sondern nur aerodynamische Verkleidungen) einen Strukturmassekoeffizienten von „nahezu 30“ an. Das heißt, die etwa 430 t schwere Stufe wiegt leer nur noch etwas über 14 t. Die erste wieder eingesetzte Stufe wird daher eine aus einem CRS-Landeversuch sein, da diese wegen der geringeren Orbitalgeschwindigkeit und schwereren Nutzlast bei niedrigerer Geschwindigkeit abgetrennt wurde und daher geringeren strukturellen Belastungen durch Wärme und Abbremsung ausgesetzt war. Ob auch diese nochmals über die volle Einsatzdauer getestet wird, ist offen. SpaceX hat nie gesagt, wie oft sie die Raketen wiederverwenden können. Lediglich das die erste Version des Merlin 1D für die vierfache Normbetriebsdauer ausgelegt ist. Da einige Triebwerke bei der Landung noch arbeiten müssen, müsste man sie daher dreimal wiederverwenden können. Wenn sich die Betriebsdauer durch das Herunterfahren zum Betreibende (auf 70 Prozent des Normschubs) auf die Lebensdauer auswirkt, indem sie verlängert wird, dann könnten sie auch viermal eingesetzt werden.

Viel spannender wird auch die Frage, ob es sich wirtschaftlich lohnt. SES, Betreiber von ganzen satellitenflotter und Unterstützer von SpaceX hat sich aus dem Fenster gelehnt und würde den ersten Start einer erneut eingesetzten Stufe nutzen – wenn man 50% des Startpreises zahlt. SpaceX hat sich dazu noch nicht geäußert, aber die 50% sind wohl zu viel. Dabei hat Elon Musk selbst gesagt, dass die erste Stufe etwa „Drei Viertel“ des Produktionspreises der Rakete ausmacht. Dazu kommt aber noch der Start (die Durchführung, Miete für Launchpad und Nutzung von Services der USAF wie Bahnverfolgung). Das macht bei Arianespace etwa 20% der Gesamtkosten aus. Die Bergung kostet ebenso Geld und wenn auch SpaceX langfristig die Stufen nur kurz inspizieren will, wird das bei den Ersten bestimmt noch nicht so sein und zusätzliche Kosten aufwerfen.

Rein Rechnerisch muss man aber die Rakete nicht oft wiederverwenden. Wenn man sie nur zweimal einsetzen kann, also einmal wiederverwenden so reduziert dies die Produktionskosten um 37,5%. Beim zweimaligen Wiederverwendung sind es 50%. Das heißt, die erneute Verwendung spart nun nur noch 12,5%. Beim ersten Mal waren es noch 37,5%. Beim vierten Start (dreimalige Wiederverwendung) steigt es auf magere 56,25%.

Da SpaceX keinerlei Bilanzen veröffentlicht ist hier aber alles spekulativ.

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