Durchgerechnet: HLS-System mit der Dragon ohne Starship

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SpaceX baut ja wie bekannt für den HLS-Kontrakt (Human Landing System, früher hatten die Projekte meiner Ansicht nach mit „Apollo“ oder „Saturn“ schönere Namen, auch wenn „LM“ schon die erste Abkürzung am Start war. (Übrigens: es hieß ursprünglich LEM – als Abkürzung für Lunar Excursion Module, was sich auch leichter aussprechen lies. Doch Verantwortliche im Management fanden „Excursion“ klinge nicht ernst genug und so wurde der Name verkürzt).

Ich habe aus persönlichem Interesse mal durchgerechnet, ob SpaceX mit dem Starship als reiner Trägerrakete (nur Transport bis in den LEO) nicht eine Dragon auf dieselbe Mission schicken könnte, ohne die Betankungstechnologie zu erfordern. Die meisten anderen Raumfahrtfirmen hätten diese Lösung wohl angestrebt. Bei einem bemannten Raumfahrtgefährt ist die Qualifikation für bemannte Einsätze das teuerste. Die NASA sagte mal zu SpaceX, eine bemannte Dragon wäre zehnmal teurer als ein unbemannter Transporter, als die Firma die Aufgabe unterschätzte. In der Tat war die Crewed-Dragon Entwicklung auch etwa eine Größenordnung teurer als die der Frachtdragon und was ebenso wichtig ist, es dauerte viel länger. Bei der Konkurrenz von Boeing kämpft man ja immer noch mit Problemen und liegt noch weiter im Zeitplan zurück.

Wenn also die Qualifikation eines bemannten Transporters so aufwendig und teuer ist, so würde jede andere Firma, die einen Mannschaftstransporter zur ISS schon einsatzfähig hat ihn wohl einsetzen. Bei einem Mondlander ist die Situation etwas anders. Er muss weder die Atmosphäre beim Start noch bei der Landung durchqueren. Das senkt die Sicherheitsanforderungen deutlich ab, denn dabei treten die höchsten Belastungen auf und vor allem sind die Kräfte durch Triebwerke sind viel besser abschätzbar als die durch die Atmosphäre oder Plasma. Sie sind die letzten Kräfte dies es dann noch gibt. Trotzdem hinkte auch das LM von Apollo dem Zeitplan hinterher und verzögerte das Programm. Das lag damals an den strikten Gewichtsanforderungen, die nur schwer einzuhalten waren.

Die Architektur

Um von einem LEO die Mondmission durchzuführen, muss man sehr viel Energie aufwenden. Ich habe das mal durchgerechnet und komme ohne Verluste bei der Referenzmission auf eine Geschwindigkeitsänderung von 8,4 km/s. Das ist mehr als die Geschwindigkeitsdifferenz von Erdoberfläche und LEO (7,8 km/s), mit Verlusten kommt man in ähnliche Regionen, wie wenn man von der Erde in einen LEO startet. Weiß man das bei der Falcon 9 da von 550 t Startmasse noch 22 t (SpaceX Angaben) bzw. 17 t (real) übrig bleiben, dann ist klar, dass es darum geht wo es geht Gewicht zu sparen.

Eine Möglichkeit Gewicht zu sparen, ist es Stufe abzuwerfen wann immer es geht. Die Leermasse muss dann nicht mehr beschleunigt werden. Ich habe daher drei Stufen vorgesehen.

  • Stufe 1: Bringt die Kombination von einem LEO in eine Mondtransferbahn
  • Stufe 2: Bremst in den Haloorbit ein, dockt an das Lunar Gateway an und nach Umsteigen der Besatzung führt sie die Landung durch.
  • Stufe 3: Startet zurück zum Lunar Gateway.

Stufe 3 kann wie bei Apollo in Stufe 2 gestackt werden. Ein Vorteil des Starships ist ja das der Durchmesser von 7 m sehr groß ist, so kann Stufe 2 einen Ring um Stufe 3 bilden. Das reduziert die Bauhöhe. Das erleichtert es der Besatzung auf die Oberfläche zu gelangen. Stufe 1 sitzt dann darunter.

Die Berechnung

Der einzig sinnvolle Weg ist es rückwärts zu rechnen, also zuerst berechnen wie große Stufe 3 sein muss, da Stufe 3 und Dragon die Nutzlast von Stufe 2 sind und dieses Gespann dann wiederum die Nutzlast von Stufe 1.

Dafür muss man wissen, wie schwer eine Dragon ist. Leider gibt es dazu von SpaceX keine Angaben. Die NASA gab bei der Demo Mission an, dass die Kapsel 12 t beim Abkoppeln von der ISS wog. Ich habe noch 1 t zugeschlagen, da die Astronauten, Geräte und Bodenproben noch dazu kommen.

Stufe 3

Ich habe mit Stufe 3 eine Aufstiegssimulation in einen Halo-Orbit durchgeführt. Dabei ist das Perilunäum niedrig, liegt aber noch über den höchsten Bodenerhebungen. Im Apolunäum (rund 70.000 km vom Mond entfernt) angekommen würde man dieses anheben, was nur rund 36 m/s erfordert, das ist zu vernachlässigen.

Das Triebwerk in allen Stufen ist ein Merlin Vakuum. Ein Raptor wäre einfach zu schubstark, aber auch zu schwer. Der spezifische Impuls ist bei meiner Berechnung deutlich niedriger als von SpaceX angegeben, dafür aber physikalisch möglich.

Hier das Ergebnis für die dritte Stufe

Rakete: HLS Startstufe

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]

35.000

13.000

2.250

646

37,14

10,00

50,00

70000,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]

650

0

90

0

210

90

5

0

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]

1

1

22.000

2.500

3.300

650,0

650,0

99,00

0,00

 

Simulationsvorgaben

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 0,0 Grad 0 m 0 m/s 90 Grad 5,0 s
Abbruch wenn ZielApo überschritten, Orbitsim wenn Kreisbahngeschwindigkeit erreicht
  Perigäum Apogäum Sattelhöhe
Vorgabe 50 km 70.000 km 10 km
Real 14 km 72.251 km 10 km
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
0,0 Grad 16 km 16 km 13.000 kg 13.601 kg 95,9 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2
Zeitpunkt 15,0 s 100,0 s
Winkel 15,0 Grad -37,0 Grad

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Dist: v(x): v(y): v(z): v: Peri: Apo: a:
Start 0,0 s 0,00 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -1738 km -1738 km 16,9 m/s
Rollprogramm 5,0 s 0,21 km 0,0 km -2 m/s 86 m/s 0 m/s 86 m/s -1738 km 2 km 17,5 m/s
Winkelvorgabe 15,0 s 1,83 km 0,0 km 108 m/s 216 m/s 0 m/s 241 m/s -1734 km 16 km 18,6 m/s
Orbitsim 77,6 s 14,76 km 2,5 km 1677 m/s -14 m/s 0 m/s 1677 m/s -21 km 55 km 0,0 m/s
Sim End 95,9 s 15,63 km 7,1 km 2342 m/s -55 m/s 0 m/s 2342 m/s 14 km 72251 km 0,0 m/s
Winkelvorgabe 100,0 s 0,00 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 km 0 km 0,0 m/s

 

Den Schub habe ich auf 650 kN festgelegt, das Merlin Vakuum ist ja im Schub reduzierbar. So liegt die maximale Beschleunigung bei unter 2 g. Es sind noch 600 kg Treibstoff übrig, die man braucht um an die Station anzudocken (verbleibend 125 m/s Geschwindigkeitsänderung). Die Trockenmasse dr dritten Stufe wurde bewusst hoch angesetzt.

Die Kombination wiegt dann schon 35 t und sie ist die Nutzlast der zweiten Stufe. Für sie habe ich eine direkte Landung angesetzt. Das heißt, ich gehe davon auf dass sie mit einer Geschwindigkeit von 2.400 m/s) senkrecht auf den Landepunkt „fällt“ und nur noch abbremsen muss. Hier arbeitet das Merlin Vakuum mit vollem Schub. Diese Stufe wiegt 96 t beim Start und 7 t leer.

Hier die Daten der Landestufe:

 

Parameter Wert
Landung auf: Körper: Mond
Starthöhe: [m] 255.545,0
Schub: [kN] 945,00
Startmasse: [kg] 96.000,0
Trockenmasse: [s] 42.000,0
Annäherungsgeschwindigkeit: [m/s] 2.400,0
Maximale Brenndauer: [s] 188,57
Brennschlusshöhe [m] 0,000
Brennschlusshgeschwindigkeit [m/s] 5,757
Brennschlusshmasse [kg] 42.757,0
Brenndauer[s] 185,93
Landung
Geschwindigkeit [m/s] 5,759
Dauer[s] 185,93
Antriebsdaten]
Spez. Impuls [m/s] 3.300,0
Geschwindigkeitsänderung [m/s] 2.669,1
Zusatzaufwand [m/s] 269,09
Verbliebene Änderung [m/s] 58,948

Schon jetzt ist deutlich – die Masse steigt schnell an. Zurück kommen noch 13 t, starten tun 35 t und vor der Landung wiegt das Gespann 96 t. Addiert man noch die 420 m/s die diese Stufe benötigt, um in den Haloorbit zu gelangen, so wiegt sie beim Start 109 t.

So wird die Startmasse noch größer, wenn wir von einem Erdorbit aus starten. Selbst bei einem „guten“ Strukturfaktor von 15 kommt man auf eine Startmasse von über 325 t:

 

Stufenmasse berechnen Wert Einheit
Strukturfaktor 15,000
Satellitenmasse 109.000,0 kg
Spezifischer Impuls 3.300,0 m/s
Geschwindigkeitsänderung 3.200,0 m/s
Gesamtmasse 325.513,0 kg
Stufenmasse 216.513,0 kg
Leermasse 14.434,2 kg

 

Mit 325 t wäre die Kombination immer noch zu schwer für ein Starship, selbst wenn SpaceX mal die (geplante) Nutzlast von 250 t (ohne Wiederverwendung) realisiert, was sicher eine Zielvorgabe ist, aber wenn sie erreicht wird, dann erst nach einigen Jahren der Optimierung.

Da das ganze bei Beibehaltung der Strukturfaktoren gut skaliert, müsste man die Masse der Dragon auf etwa 9,9 t reduzieren wenn das Gespann beim Start nicht mehr als 250 t wiegen darf. Ist das denkbar? Jein. Auf der einen Seite ist diese 12 t Angabe der NASA für eine Crewed Dragon die für eine Kapsel die aus dem Erdorbit heraus landet. Dafür benötigt sie einen Hitzeschutzschild, Fallschirme, Treibstoff um abzubremsen. Das macht bei anderen Raumschiffen problemlos 20 bis 25 Prozent der Masse aus. Es wird bei einer Mondmission nicht benötigt. Ebenso kann man den Trunk, der bei Abtrennung von der ISS noch dabei ist, entfernen.

Auf der anderen Seite benötigt man eine Luftschleuse, welche die Crewed Dragon nicht benötigt. Den Docking Adapter benötigt man, um an das Lunar Gateway anzudocken. Wenn man ganz extrem das Gewicht reduzieren will, könnte man die Hülle ausweiden, sie muss ja nur maximal 1 Bar Außendruck standhalten. Doch das würde dann auf ein neues Raumschiff herauslaufen und damit dem Grundgedanken, eine schon fertige und qualifiziere Dragon einzusetzen zuwiderlaufen.

Jaein auch, weil meine Berechnungen kaum Polster vorsehen. Die NASA setzte solche Polster bei Apollo großzügig an, um die Mission zu gewährleisten. Das gilt vor allem bei der Landung. Soll hier z.B. eine Schwebephase von 90 Sekunden wie bei Apollo möglich sein, so steigt schon die Masse von 96 auf 101 t bei der Landung und entsprechend auf 343 t beim Start. Man müsste also schon die Masse der Dragon bedeutend reduzieren, damit es mit den maximal 250 t im Nicht-Wiederverwendbaren Starship hinhaut. Was aber ginge, wäre das eine 250 t schwere Stufe mit einem nicht wiederverwendbaren Starship gestartet wird. Ein zweites Starship dockt an – die Dragon hat ja einen Standard-Adapter wie ihn die ISS einsetzt – und beschleunigt dieses. Bei einer Leermasse von 120 t für das Starship und 120 t Treibstoff beschleunigt dies die Kombination um rund 1.000 m/s. Dieses Starship bleibt im Erdorbit, kann also wieder landen und geht nicht verloren. Die Stufe 1 muss dagegen 1 km/s weniger beschleunigen, was ihre Startmasse von 326 auf 238 t reduziert und damit wäre sie noch innerhalb der Nutzlast einer nicht wiederverwendbaren Starships.

In beiden Fällen gibt es viel zu tun. Bei meiner Lösung müsste man drei Stufen konstruieren und die Dragon umbauen. Die Oberstufe der Falcon 9 kann man nicht verwenden, die ist zu lang. Die neuen Stufen müssten möglichst die ganze Breite des Nutzlastraumes ausnutzen und würden dann so aussehen wie einige russische Oberstufen bei denen die Treibstoffbehälter nicht über den Triebwerken sitzen, sondern diese umgeben. Anders geht es bei der langen Düse des Merlin Vakuums nicht, will man Höhe der Nutzlasthülle des Starships einhalten. Dafür benötigt man nur zwei Starts, die man bei zwei Startplätzen – Boca Raton und das Kennedy Space Center auch zeitnah durchführen kann, sodass die Stufen keine Superisolation brauchen (sie brauchen eine Isolation, da eine Mission mindestens eine Woche, wahrscheinlich länger dauert, aber nicht die Superisolation die man braucht, wenn man zwanzig Tankflüge durchführen muss).

Was SpaceX beim Starship entwickelt weiß niemand. Derzeit fliegen sie mit einer verschweißten Nutzlasthülle, die nicht mal geöffnet werden kann, das ist also noch weit von einem Gefährt entfernt in dem Menschen zum Mond fliegen sollen. Meiner Ansicht nach ist das „Lunar Starship“ ein Starship ohne Nutzlasthülle mit einer Dragon oben drauf. Die Abbildung deutet darauf hin und das würde – Brückenschlag zum Anfang des Artikels – auch am meisten Sinn machen.

Leichter abzuschätzen ist das SpaceX für die Betankungsflüge nicht nur die Technologie für das Tanken einwickeln muss, sondern auch eine schnelle Startreihenfolge hinbekommen muss. Kleiner Vergleich: Die Falcon 9 flog erstmals 2010. Seitdem wurde die Zahl der Flüge pro Jahr immer weiter erhöht. Jetzt hat sie in etwas mehr als 11 Monaten 90 Flüge gestartet. Da selbst die NASA von mindestens zwanzig Starts für das Betanken ausgeht bedeutet das, dass wenn das Starship dieselbe Startfrequenz wie die Falcon 9 heute (nach 12 Jahren Einsatzdauer) erreicht, man knapp drei Monate für das Betanken braucht.

One thought on “Durchgerechnet: HLS-System mit der Dragon ohne Starship

  1. Ja, mit Dragon und Facon Heavy wäre vermutlich alles einfacher. Nachtanken könnte man ja trotzdem (will Blue Origin ja auch) und würde dann wohl mit deutlich weniger Flügen auskommen.

    Das Starship HLS macht nur deswegen Sinn weil man von Space X aus das Starship für den LEO bracht. Dazu vermute ich das man hofft mit ein paar Verbesserungen oder einer kompletten Neuentwicklung nachdem man Erfahrung gesammelt hat. Daraus ein wiederverwendbares System zu bauen was wirklich sinvoll z.B. zum Mars fliegen kann.

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