Bernd Leitenbergers Blog

Das Auto

Nein, es geht in diesem Artikel nicht um den VW-Skandal. Aber die Folgen von einigen getricksten Messwerten, die teilweise in den zweistelligen Milliardenbereich gehen, zeigen wie das Auto unsere Wirtschaft dominiert. Nein ich greife das Thema Auto auf weil es eine Sendung von Quarks & Co dazu vor einigen Wochen gab und ich an einen Punkt selbst was beitragen kann.

Die Sendung setzte sich kritisch mit dem Auto auseinander. So haben die Macher mal zwei Fälle durchgerechnet: einmal jemand der von seinem 18-ten Geburtstag bis zur Rente immer Auto fährt und der andere der öffentliche Verkehrsmittel und Taxis nutzte. Die Bilanz: der zweite hat in den 47 Jahren so viel weniger Geld ausgegeben, dass er sich davon ein Haus leisten kann. Nun ist das sicher etwas schön gerechnet, so denke ich wird nicht wie im Beispiel alle 5 Jahre einen neuen Wagen kaufen und im Jahr 15.000 km fahren. Doch das ein Auto teurer ist, als wenn man die gleiche Strecke mit dem OPNV zurücklegt ist meist gegeben. Ausnahmen dürften bei Pendlern vorliegen die lange Strecken zurücklegen müssen. Die haben meist auch keine Alternative weil sie in ländlichen Gegenden Wohnen und dort ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel meist schlecht.

Nach den Nachrichten hängt an der Automobilindustrie jeder Sechste bis Siebte Arbeitsplatz. Außer für Banken hat unsere Regierung 2008 auch sonst keine Unterstützungsmaßnahmen mehr für eine Branche getroffen (erinnert sich noch jemand an die „Abwrackprämie“?). Das ganze hat sich verselbständigt. So gibt es in Deutschland mehr Autos als Führerscheinbesitzer. Meiner Ansicht nach gibt es auch mehr Autos als Stellplätze oder Garagen, denn ich sehe bei uns vor Ort immer alle Straßen zugeparkt. Das behindert dann den Verkehr. Es gibt auch mehr Autos als Straßen, sonst gäbe es nicht so viele Staus. Das der Staat so wenig tut um die Situation zu entschärfen hat Gründe: Jedes Auto bringt Geld. Zum einen KFZ-Steuer, dann entfallen vom Benzinpreis der größte Teil auf Mineralöl- und Mehrwertsteuer. Alleine die Staus bescheren unserem Finanzminister 12 Milliarden Euro jedes Jahr an Einnahmen – so viel Benzin geht in die Luft wenn die Autos im Stau stehen. Das ist weitaus mehr als der Bund für neue Straßen ausgibt. Ein Schelm, der böses dabei denkt…

Inzwischen könnten Autos sogar selbstständig fahren. Daimler erprobt das nun bei Lastwagen auf Autobahnen. Im Film wurde ein Redakteur auf eine Probestrecke eingeladen wo das Auto auch mit den Verkehrszeichen und Ampeln zurecht kam. Die Intelligenz war aber beschränkt. So hielt es vor einem Zebrastreifen an dem sich zwei Personen unterhielten – das keiner den Streifen überqueren wollte kann es nicht wissen. Ebenso hielt es hinter einem Auto bei dem jemand auslud – das man das überholen dürfte wusste es ebenfalls nicht. Auf Autobahnen wo das eine Rolle spielt, scheint dagegen ein System mit autonomer Steuerung bald technisch möglich sein. Dann sind auch spritsparende Kolonenfahrten möglich – dabei fährt ein Auto mittels Radar an den vorher fahrenden auf sodass sich eine Art Zug ergibt – nur der erste ist dem vollen Windwiederstand ausgesetzt. Über Bremsmanöver kann der erste Wagen die folgenden über Funk informieren. Ich halte beide Systeme für Zukunftsmusik. Denn die meisten haben kein Auto um sich fortzubewegen, dafür ist es zu teuer und nicht jeder bräuchte eines, oder sogar zwei, und wenn jeder eines hätte, könnte es viel kleiner sein als die heute so populären Schlitten. Es ist ein Statussymbol, Penisersatz oder die Möglichkeit Geld zum Fenster rauszuwerfen. So wird man auch nicht die Kontrolle über sein Statussymbol abgeben.

In dem Film kam auch Kopenhagen als fahrradfreundliche Stadt. Und sie zeigt, wie das laufen kann. Dort gibt es eigene Brücken nur für Fahrräder, 3-4 m breite Fahrradwege wo man auch überholen kann. Signale, die anzeigen ob man es noch zur nächsten Ampel bei Grünphase schafft und Papierkörbe in die man beim Vorbeifahren was einwerfen kann. Bei uns meint man fahrradfreundlich zu sein wenn man an Ampeln Ringe zum Festhalten montiert und ein paar Streifen auf die Fahrbahn macht. Der Bürgermeister zerstreute meine Bedenken dass dies doch viel kosten würde – alle Maßnahmen die Kopenhagen in den letzten 10 Jahren für Fahrradfahrer gemacht hat wären billiger als eine einzige Umgehungsstraße für Autos. Zuerst verblüffend, aber doch logisch. Ein Fahrradfahrer braucht selbst im Stand weniger Platz als ein Auto. Beim Fahren wird der Unterschied noch größer. Der Abstand ist kürzer und so kann ein Fahrradweg, der so breit ist wie eine Spur einer Fahrbahn, ein vielfaches an Fahrrädern verkraften als die Bahn für das Auto.

Der größte Nachteil des Rads war ja bisher, dass man durch das in die Pedale Treten gerne durchgeschwitzt am Ziel ankam. Das hat viele an der Nutzung des Fahrrads gehindert. Meine Nichte studiert in Hohenheim, das ist vielleicht 7 km von uns weg und in einer halben Stunde mit dem Fahrrad zu erreichen, schneller als mit den öffentlichen. Aber es geht dahin den Buckel runter und wieder rauf. Das ist nicht ihre Sache. Durch die e-Bikes ist das Problem nun auch gelöst und die verkaufen sich ja glänzend.

Der Skandal um VW hat gezeigt warum man sich in Deutschland sich so schwer tut mit der Alternative zum Auto: Die Ankündigung des Skandals hat nicht nur VW sondern den ganzen DAX in die Talfahrt gerissen und da ist er heute noch, einige Tage später. Ein Siebtel aller Arbeitsplätze sollen am Auto hängen. Das hemmt offenbar die Politik, den alles was eine Alternative zum Auto ist wird nur zögerlich gefördert, aber Autobahnen weiter ausgebaut. Gestern weihte Dobrin die ausgebaute A8 ein, die nun von Stuttgart bis München 6-spurig ist.  Würde man Alternativen zum Auto fördern, so könnte man sich den Ausbau des Straßennetzes sparen, weil dann weniger Autos auf der Straße wären und diese hätten auf den bisherigen Straßen genügend Platz.

Bei mir verstärkt sich seit Jahren, dass Fahrradfahrer Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse sind. Es gibt Fußgängerwege und Straßen für die Autos. An die Fahrradfahrer denkt meist niemand. In unserer Gemeinde ist es besonders schlimm. Es sind eigentlich sechs Stadteile die bis 1974 vier separate Gemeinden waren. Von einem Stadtteil zum nächsten sind es meist 3-4 km, von einem Ende zum anderen 10 km. Es gibt bisher genau 0 km Fahrradwege in Ostfildern. Nicht mal in Neubaugebieten. Auch scheint man nicht mal dort drauf zu achten dass es genügend Stellplätze und Garagen gibt, denn eines in Kemnat das ich immer durchqueren muss ist noch nicht mal fertig ausgebaut und schon ist eine Spur zugeparkt. Dahinter steckt nach Auskunft des stellvertretenden Bürgermeisters Absicht. Als er letztes Jahr als Gratulant der Stadt meiner Mutter zum 90-sten gratulierte sagte er in einem Gespräch Politik wäre es durch zugeparkte Straßen die Autofahrer zum Langsamfahren zu bewegen. Das es auch anders geht, sieht man derzeit: weil an einer unserer Hauptstraßen eine Kreuzung saniert wird ist eine Nebenstraße für das Parken gesperrt und komischerweise kommen die Autos trotzdem unter, nur nutzen sie eben die Parkplätze die es vorher gab und bei denen man eben 100 m zum nächsten Laden laufen muss anstatt direkt davor zu parken. (Habe ich schon erwähnt das Autofahrer chronisch geh faul sind?).

Am schlimmsten ist die Situation zwischen den Stadtteilen. Es gibt neben den Straßen zwei Möglichkeiten, meistens aber nur eine der beiden an einer Stelle: Fußgängerwege die maximal 1 m breit sind oder landwirtschaftlich genutzte Wege, die so breit wie ein Auto sind, aber chronisch verdreckt sind. Beide sind in einem schlechten Zustand mit Schlaglöchern, Unebenheiten und durch den Asphalt spießendes Unkraut. Als zwischen Ruit und Nellingen die Straße saniert wurde, wurde auch nur die Straße saniert, nicht der Fußgängerweg daneben. So wird sich da auch nichts ändern.

Das einzige was für Fahrradfahrer neu gebaut wird ist vom Land bezahlt und eine Strecke zwischen dem nördöstlichen Ortrand von Ruit unter nördlicher Umgehung der Parksiedlung. Man kommt dann an der Haupteinfallsstraße nach Esslingen raus. Das ist auch schon die Crux. Die Landesstraße ist stark befahren, von den Fildern die wichtigste nach Esslingen. Sie geht steil das Neckartal herunter und es gibt an ihrer Seite nur einen Fußgängerweg der in noch schlechterem Zustand ist, als die meisten bei uns. Ich würde nie über die Strecke nach Esslingen fahren. Da gibt es Alternativen über Weil die nicht so steil sind und für den Autoverkehr gesperrt. Kurzum: Die Strecke ist weitgehend überflüssig. Würde man den kombinierten Fußgänger/Gahhradweg etwas weiter südlich neben der Straße Ruit-Nellingen durch einen reinen Fahrradweg ergänzen so hätten nicht nur diejenigen die nach Esslingen wollen was davon, sondern auch die die nach Nellingen oder in die Parksiedlung wollen, denn die liegen auf dem Weg.

Nun haben es Fahrradschwerer hier auch geologisch schwer. Obwohl der mittlere Neckar dicht besiedelt ist, gibt es deutliche Höhenunterscheide nicht nur zum Neckartal hin sondern ach auf den Filtern. In unserer Gemeinde z.B. rund 100 m zwischen höchstem und tiefstem Punkt. Das erleichtert das Fahrradfahren nicht – aber auch hier sind die e-Bikes sicher eine Lösung.

Ich frage mich warum die Politik so langsam arbeitet. Meiner Ansicht nach würde eine volkswirtschaftliche Betrachtung aller Kosten (nicht nur der Kosten für den Straßenbau sondern auch verlorene Arbeitszeit in Staus, verbrauchtes Benzin, Gesundheitsschäden, Einfluss auf die Klimabilanz) des Autos viel schlechter ausfallen als wenn man nur nach die Arbeitsplätze betrachtet. Vor allem scheint unsere Autoindustrie ja keine Anstrengungen zu machen in Technologien zu investieren die wenigstens Zukunft bedeuten wie Elektroautos. Dann ist der Zusammenbruch in einigen Jahren sowieso vorprogrammiert. Dann wird es sicher wieder eine Aktion geben wie ein Zuschuss für jedes neue deutsche Auto – wie schon 2008.

Zuletzt noch zu VW. Derzeit rollen ja die Köpfe und es kommen immer mehr Details ans Licht. So soll der VW-Konzern schon 2007 oder 2011 je nach Meldung schon von der „Schummelsoftware“ wussten. Das finde ich merkwürdig. VW stellt wie andere Automobilhersteller die Steuerung ihrer Motoren nicht selbst her. Die Hardware produziert ein Zulieferer der wiederum die Softwareaufträge weiter vergibt. Die programmieren nicht einfach eine solche Funktion die anhand des Betriebsmusters z.B. halten einer Geschwindigkeit über lange Zeit einen Test in einer Abgas Untersuchung erkennt. Das muss spezifiziert worden sein und es muss einen Auftrag darüber geben. Dieser kommt sicher nicht vom Hersteller der Steuerung, denn diese Funktion muss er für jeden Motor anpassen und er kann damit nicht werben, würde sogar Renommee verlieren. Kurzum irgend Jemand bei VW muss das in Auftrag gegeben haben und das muss eine stelle sein die so viel Entscheidungsbefugnis hat dass sie auch die Mittel freigeben kann. Es verwundert dass dies dann bei VW niemand weiß und das auch nicht dokumentiert ist. Sonst müsste ja das nicht ein Techniker bei Tests aus versehen herausfinden und darüber berichten. Das muss in vielen Jahren doch nicht nur einmal auffallen und so auch dem Vorstand selbst wenn dieser anfänglich nichts davon weis mal berichtet werden.

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